Börsen-Revolution: China will seinen Finanzmarkt öffnen

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China will Kontrollen lockern und die „Anleger-Mauer“ zwischen Hongkong und Shanghai niederreißen.

Am Donnerstag dieser Woche, dem letzten Börsetag vor einem chinesischen Feiertags-Wochenende, geschah an den chinesischen Börsen merkwürdiges: Der „Red Chips“-Index der Börse Shanghai gab um 3,6 Prozent nach, der sogenannte „H-Shares-Index“ der Börse in Hongkong, in dem weitgehend die gleichen chinesischen „Festland“-Aktien enthalten sind, legte dagegen um ein Prozent zu.

Ein Bild, an das sich Anleger wahrscheinlich bald gewöhnen werden. Denn der Auslöser der gegenläufigen Entwicklung war die Konkretisierung von Plänen der Regierung in Peking, die strikten Finanzkontrollen im Börsenhandel aufzuheben und sogenannte Arbitrage-Geschäfte zwischen Hongkong und Shanghai zu erlauben. Das heißt, dass man in Hongkong gekaufte Aktien in Shanghai veräußern könnte und umgekehrt.

Was so technisch klingt, hätte in der Praxis riesige Auswirkungen auf die gesamte Finanzwelt: Es würde bedeuten, dass die Aktienkurse in Hongkong stark steigen, in Shanghai aber deutlich sinken. Was der immer offensichtlicher werdenden „Börsenblase“ in Shanghai viel an Brisanz nehmen würde. Es würde auch bedeuten, dass ein bisschen Aufwertungsdruck von der chinesischen Währung genommen wird, was durchaus im Sinne der Pekinger Regierung liegt.

Es hieße aber vor allem, dass ein Riesenloch in die derzeit sehr strikten Kapitalverkehrskontrollen gerissen würde, mit denen sich die boomende Volkswirtschaft abschottet.

Zwei Börsenwelten

Derzeit leben Chinesen und der Rest der Welt in zwei verschiedenen Börsenwelten: In Shanghai und Shenzen werden sogenannte A-Aktien chinesischer Unternehmen gehandelt, die praktisch ausschließlich von Chinesen erworben werden dürfen. Viele der hier notierten Unternehmen bieten auch in Hongkong sogenannte H-Aktien an, die wiederum nur von Ausländern, nicht aber von „Mainland“-Chinesen gekauft werden dürfen.

Das schafft zwei Probleme: In China ist wegen des anhaltenden Wirtschaftsbooms eine riesige Kapitalakkumulation in Gang. Nach vernünftigen Veranlagungen suchende Chinesen finden aber mit den A-Aktien nur eine sehr eingeschränkte Veranlagungswelt vor. Das führt zu Überliquidität an der Börse Shanghai – und zu entsprechend ungesunden Kurssprüngen. Der wichtigste Shanghaier Aktienindex ist heuer immerhin schon um fast 300 Prozent gestiegen, das durchschnittliche Kurs-Gewinn-Verhältnis hat sich auf den abenteuerlichen Wert von mehr als 80 erhöht. Ein klares Zeichen für eine Überhitzung.

Das führt wiederum dazu, dass sich die Notierungen von Aktien des selben Unternehmens zwischen Hongkong und Shanghai immer weiter auseinander entwickeln. Der Hongkonger Hang Seng China Enterprises Index, der die wichtigsten in der ehemaligen Kronkolonie notierenden „Mainland“-Aktien erfasst, schießt zwar auch ordentlich hoch, hat heuer bisher freilich „nur“ um die 90 Prozent zugelegt.

Hongkong und seine H-Aktien sind das „Einfallstor“ westlicher Investoren in den chinesischen Markt. Die strikten Kapitalverkehrskontrollen bewirken also, dass europäische Anleger Aktien boomender chinesischer Großunternehmen wie China Life, China Mobile oder China National Building Materials viel billiger bekommen als Chinesen selbst.

Sobald die Kapitalmarktkontrollen definitiv fallen – was, wie Experten meinen, freilich noch einige Zeit dauern könnte – würden Arbitrageure in Hongkong gekaufte China-Aktien sofort in Shanghai versilbern. Was die dortigen Kurse kräftig senken, die in Hongkong aber anheben würde.

OFFENE China-Börse?

Peking überlegt, „Aktien-Arbitrage“ zwischen Shanghai und Hongkong zu erlauben.

Chinesen könnten dann auch in Hongkong Aktien kaufen, westlichen Anlegern stünde die Börse von Shanghai offen.

Die Kurse von China-Aktien würden dann in Shanghai fallen, in Hongkong aber zulegen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2007)

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