Siemens zittert vor Strafen in den USA

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Der Technologie-Konzern zieht die Konsequenzen aus dem Korruptions-Skandal, der das Unternehmen allein im Vorjahr 1,4 Milliarden Euro kostete. Zudem verpasst sich Siemens eine schlanke Struktur.

München. „Es gibt Korruption auf dieser Welt.“ Keiner weiß das so genau wie Peter Löscher. Seit Sommer lenkt der gebürtige Kärntner den von einem riesigen Korruptionsskandal erschütterten Siemens-Konzern und gestern, Donnerstag, präsentierte Löscher „seine“ erste Siemens-Bilanz. Das Umfeld könnte freilich besser sein: Gegen Dutzende Manager laufen Ermittlungen im In- und Ausland, Hausdurchsuchungen und Festnahmen standen in den vergangenen Monaten an der Tagesordnung. Längst hat der Technologiekonzern erkannt, dass es an ihm selbst liegt, die Dinge aufzuklären. Und so gründlich Siemens in der Vergangenheit offenbar beim Schmieren und Korrumpieren vorgegangen ist, so sorgfältig wird jetzt auch ausgemistet.

Alleine die interne Revision schlägt sich mit Kosten von 350 Mio. Euro nieder. Mehr als 1000 interne und externe Ermittler haben jedes Konto überprüft, haben sämtliche Beraterverträge, die zur Schaffung von schwarzen Kassen dienten, durchleuchtet. Das Ergebnis: 3,5 Mrd. Euro hat Siemens in den vergangenen sieben Jahren für Beraterhonorare ausgegeben. Mehr als ein Drittel der Zahlungen erwiesen sich als dubios. Bei 1,3 Mrd. Euro konnte „eine steuerliche Abzugsfähigkeit nicht eindeutig festgestellt werden“, erklärte Löscher und umschreibt so elegant das Wort „Schmiergeldzahlung“. Allein im abgelaufenen Geschäftsjahr mussten an die 1,4 Mrd. Euro für den Skandal aufgewendet werden, unter anderem für Bußgelder, Kartellstrafen und die Kosten der internen Revision. Für Löscher ist die Schmiergeld-Affäre intern aufgearbeitet.

USA: Größte Ermittlungen der Geschichte

Ausgestanden ist sie jedoch noch lange nicht. Denn die größten Probleme bereiten nicht die Ermittlungen in Deutschland. Das größte Risiko birgt eine mögliche Strafzahlung in den USA. Die US-Börseaufsicht SEC ist gefürchtet für drakonische Strafen. Und in der SEC spricht man vom größten Ermittlungsverfahren seit Gründung der Aufsichtsbehörde im Jahr 1933. Siemens selbst hat in der Bilanz 2007 keine Rückstellungen für mögliche Strafen gebildet. Da kaum jemand daran zweifelt, dass es zu einer Strafzahlung kommen wird, kann der Grund dafür nur in der ungeahnten Dimension des zu erwartenden Bußgeldes liegen.

„Nachhaltige Geschäfte sind nur saubere Geschäfte“, sagt Siemens-Chef Löscher. Oder: „Wir müssen in Zukunft von bestimmten Geschäften Abstand nehmen.“ Während er bei der Präsentation der Jahreszahlen in München den Saubermann mimt, sorgt der eiserne Besen, mit dem durch den Konzern gekehrt wird, bei Mitarbeitern für Verunsicherung. Verdiente Manager, die für Siemens „die Drecksarbeit gemacht haben“, sehen sich plötzlich auf der Schwarzen Liste. Dass Geschäfte etwa im arabischen Raum oder in Afrika nur mit saftigen „Vermittlungsprovisionen“ eingefädelt werden können, lässt man bei Siemens nicht mehr gelten. „Man muss auch Nein sagen können“, heißt die neue Devise bei Siemens. Die meisten Schmiergelder flossen übrigens beim Bau von Großanlagen, etwa im Bereich Kraftwerksbau.

Wer erwischt wird, steht von nun am Siemens-Pranger. Allein heuer wurden 470 Siemens-Mitarbeiter bei gesetzes- oder regelwidrigem Verhalten erwischt. Von einem Drittel trennte sich der Konzern, die Vorwürfe erstrecken sich auf Korruption, illegale Absprachen, Untreue und Betrug. Erst vor wenigen Wochen sorgte der überraschende Abgang des Finanzchefs von Siemens Österreich, Harald Wasserburger, für heftige Spekulationen, zumal Siemens die Hintergründe nicht kommentieren wollte.

Doch Siemens zieht nicht nur personelle Konsequenzen aus der Schmiergeldaffäre. Am 28. November wird Löscher dem Aufsichtsrat eine völlig neue Konzernstruktur präsentieren. Details lässt er sich noch nicht entlocken. Nur soviel steht fest: Es wird unter dem Vorstand drei Geschäftsführer für die Bereiche Industrie, Energie und Medizintechnik geben. Siemens will so auch die überbordenden Verwaltungskosten senken. Diese liegen mit 17 Prozent deutlich über jenen der besten Wettbewerber, sagte Löscher.

Machtverlust für Auslandstöchter?

Die Neuorganisation des Konzerns bedeutet aber, dass Töchter wie Siemens Österreich wohl weitreichende Kompetenzen einbüßen werden. Werden Landesschefs wie Brigitte Ederer zum „Grüß-Gott-August“ degradiert? „Die Regionen werden auch in Zukunft durch entsprechende Zuständigkeiten im Vorstand abgebildet werden“, bleibt Löscher vage. Die genauen Umbaupläne werden in zwei Wochen präsentiert. Dann wird es auch für die Baustelle Österreich Gewissheit geben. Siemens-Sprecher Harald Stockbauer sagt im Gespräch mit der „Presse“: „Wir gehen davon aus, dass Siemens Österreich auch weiterhin für die Länder in Südosteuropa zuständig sein wird“. Er erwartet sich keinen Verlust an Kompetenz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.11.2007)

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