Brüssel setzt nun voll auf den Ausbau der Atomkraft

(c) DiePresse (Clemens Fabry)
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Neue Plattform: Die EU-Kommission startet eine Forschungs-initiative, um AKW wirtschaftlicher und sicherer zu machen.

WIEN/BRÜSSEL. Bisher waren es nur Worte. Doch nun sollen Taten folgen. Die EU-Kommission forciert mit einer neu gegründeten Forschungsplattform den Ausbau der Kernenergie. Begründet wird dies mit dem Kampf gegen den Klimawandel. In einer offiziellen Stellungnahme heißt es: „Die Kernenergie wird ein wesentliches Element künftiger kohlenstoffarmer Energiesysteme bleiben.“

Laut dem zuständigen EU-Kommissar Janez Potocnik soll mit der Plattform die „wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit der Kernenergie“ verbessert werden. Außerdem geht es um die Entwicklung einer neuen Generation von Reaktoren, die eine wesentlich geringere Menge an nuklearen Abfällen produziert. Die Plattform, in der auch die Atomindustrie vertreten sein wird, soll die EU-Regierungen fachlich beraten und die Koordination der Finanzmittel übernehmen.

Proteste kommen bereits von Umweltorganisationen. So kritisiert Greenpeace, dass schon bisher mehr Forschungsgelder in Nuklearenergie als in alternative erneuerbare Energiequellen fließen.Ganz der Wahrheit dürfte das freilich nicht entsprechen: Zuletzt haben die EU-Staaten zwar die Mittel für Nuklearforschung deutlich erhöht. In ihrem 6. Rahmenprogramm für Forschung und technologische Entwicklung für die Jahre 2002 bis 2006 hatte die EU noch 210 Millionen Euro für Kernenergie-Projekte reserviert. Für das laufende 7. Forschungsrahmenprogramm von 2007 bis 2013 sind nun 287 Millionen Euro für Nuklearenergie vorgesehen. Aber für die Unterstützung von allen anderen Energiebereichen stehen im selben Zeitraum 2,3 Milliarden Euro zur Verfügung.

Osteuropa will Ausbau

Der Vorstoß der EU-Kommission für eine neue Atomplattform verstärkt die längst eingeleitete Renaissance der Kernenergie in mehreren EU-Mitgliedstaaten. Allen voran wollen die Länder Mittel- und Osteuropas die Atomkraft ausbauen. Litauen, Polen, Ungarn und Slowenen sind erst vergangene Woche einer US-Initiative zur friedlichen Nutzung der Atomenergie beigetreten. Die im Vorjahr gegründete Global Nuclear Energy Partnership GNEP geht von der Annahme aus, dass der weltweite Energieverbrauch bis 2030 stark ansteigen wird – laut einer OECD-Studie um 53 Prozent.

Aber auch westeuropäische Länder setzen wieder verstärkt auf Atomstrom. Italiens Industrieminister Pierluigi Bersani kündigte zuletzt einen Vorstoß für die Atomenergie an. „Wir müssen voll in die Nuklearforschung der neuen Generation einsteigen“, forderte Bersani. Italien hatte 1987 per Referendum einen Ausstieg beschlossen. Auch in Deutschland entflammt die Atom-Debatte immer wieder von Neuem. Zuletzt, nachdem die Internationale Energie-Agentur IEA die Regierung in Berlin davor gewarnt hatte, den Ausstieg aus der Atomkraft fortzusetzen. Denn gerade für Deutschland wachse die Gefahr einer zunehmenden Abhängigkeit von Energie-Importen, so die IEA-Experten.

Der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy stößt in dasselbe Horn. Bei der UN-Klimakonferenz in New York kündigte er sogar Hilfe für alle jene Staaten an, die eine friedliche Nutzung der Kernenergie anstreben. Auch bei der EU-Forschungsplattform ist Frankreich vorn dabei, unter anderem durch die Leiter des Kerntechnikunternehmens AREVA NP und der Électricité de France. Italien und Deutschland sind ebenfalls stark vertreten, das AKW-freie Österreich blieb der neuen Initiative hingegen vorerst fern.

IN ZAHLEN

Ein Drittel des Stroms in Europa stammt aus Kernkraftwerken. Derzeit sind 158 AKW in der EU in Betrieb, die meisten von ihnen in Frankreich (59).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2007)

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