Finnland: Härte gegen Eurosünder

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Helsinki verlangt nun auch von Spanien Sondergarantien. Zugleich tritt es gegen noch mehr Möglichkeiten des Rettungsschirms auf.

Kopenhagen/Helsinki. Eine Woche hat die finnische Finanzministerin Jutta Urpilainen noch Zeit, dann wollen ihre EU-Kollegen den Sonderkredit für Spanien durchwinken. Zu diesem Zeitpunkt muss die Sozialdemokratin spanische Garantien vorweisen können, die auch die knauserigsten Parlamentarier daheim im hohen Norden davon überzeugen, dass den Steuerzahlern mit dem finnischen Zuschuss zum 30-Milliarden-Euro-Stützungspaket kein ungebührliches Risiko aufgelastet wird. Andernfalls, droht Helsinki, werde man die Hilfsaktion blockieren.

Auch schon von Griechenland hat sich Finnland extra Garantien gesichert – als einziges EU-Mitglied. Die erweiterten Kreditmöglichkeiten des Europäischen Rettungsschirms ESM will Helsinki bremsen, und die Rechtsexperten streiten sich noch, ob die Finnen dies können, weil in der Eurorunde Einstimmigkeit herrschen muss, oder ob es reicht, wenn bei akuten Einzelaktionen 85 Prozent der Geldgeber einverstanden sind.

In Brüssel wird die Irritation über das nördlichste Mitglied immer lauter, das innerhalb weniger Jahre vom Musterschüler zum Spaltpilz geworden ist, die südeuropäischen Regierungschefs sind aufgebracht und die finnische Euro-Parlamentarierin Anneli Jäätteenmäki sieht eine „neue Berlin-Mauer“, die sich zwischen Nord und Süd erhebt.

Der Stimmungsumschwung ist nicht so groß, wie er auf den ersten Blick erscheinen mag. EU-begeistert war in Finnland allenfalls die Staatsführung, die Bevölkerung nie. Selbst als das Land vor dem Beitrittsreferendum in der tiefsten Wirtschaftskrise seit dem Krieg steckte, fiel die Ja-Mehrheit mit 56 Prozent eher bescheiden aus, und den Ausschlag gab nach allen Analysen nicht die Attraktivität der EU, sondern die ewige Angst vor Russland. Andererseits sehen auch heute noch die meisten Finnen die Vorteile, die ihr Land durch den gemeinsamen Markt und die gemeinsame Währung genießt. Doch während in den Neunzigerjahren der Sozialdemokrat Paavo Lipponen es als wichtigste Aufgabe ansah, Finnland zu einem EU-Kernland zu machen, fahren seine Nachfolger nun eher einen „skandinavischen“ Kurs, der die Skepsis der Nachbarn Schweden und Dänemark widerspiegelt.

Anlass war der Wahlerfolg der „Wahren Finnen“ im Vorjahr. Mit einer ausländerfeindlichen Agenda waren diese davor eine Fünf-Prozent-Partei. Als sie den Euro-Widerstand an ihre Fahnen hefteten und gegen die Rettung Griechenlands polemisierten, stiegen sie auf 20 Prozent hoch. Das US-Wirtschaftsmagazin „Business Insider“ setzte Parteivorsitzenden Timo Soini auf Rang sieben einer (von Angela Merkel angeführten) Liste von Politikern, die „durch Worte und Taten die Weltwirtschaft zerstören“. Jetzt, da sich auch andere Parteien EU-skeptisch geben, sinkt der Stern von Soini und seinen „Wahren Finnen“ wieder.

„Damals half uns auch niemand“

Der populistische Spruch, dass „wir nicht mit unserem Geld für die Sünden der anderen bezahlen“ wollen, findet in Finnland besonderen Anklang, hat sich das Land doch Anfang der Neunzigerjahre selbst aus einer schweren Banken- und Finanzkrise herausgestrampelt. „Damals half uns auch niemand“, sagen die Finnen heute, obwohl der bevorstehende EU-Beitritt damals natürlich die Finanzmärkte beruhigte und die Zinsen senkte. Doch Tatsache ist, dass Finnland die Krise mit scharfen Sparmaßnahmen, steigenden Steuern und enormer Arbeitslosigkeit bezahlen musste, heute aber mit blendenden Bilanzen dasteht.

Der konservative Ministerpräsident Jyrki Katainen warnt vor „gefährlichen Querelen unter den EU-Ländern“, die das Risiko einer „totalen Katastrophe“ in sich bergen könnten. „Finnland will nicht den Zusammenbruch der Eurozone, sondern arbeitet an ihrem Erhalt“, versicherte er. Doch dass Urpilainen in einem Interview auf eine Frage nach einer Alternative zum Euro erwiderte, dass jede Regierung in allen Situationen Alternativen haben müsse, wurde in Brüssel rasch so ausgelegt, als liege in Helsinki schon ein Plan für den Austritt fertig im Schreibtisch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2012)


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