Nachrichten Meinung Magazin
Strategievergleich

Strategievergleich: Schlecker versus dm

Logistik, Preispolitik, Verkaufspersonal: Warum Schlecker in Konkurs ging und dm so gut dasteht wie noch nie.
08.08.2012 um 14:35
  • Drucken
Hauptbild
Am 20. Jänner 2012 ging Schlecker Deutschland in Planinsolvenz, der Konkurrent dm steigert nach wie vor Jahr für Jahr seinen Umsatz. Das deutsche Magazin brand eins hat die Strategien der beiden Drogerieketten verglichen:
Geschichte
Die Geschichte beider Unternehmen beginnt im Deutschland der 1970er Jahre: Nach dem Wegfall der Preisbindung für Drogerieartikel 1973 wurde dm gegründet, kurz darauf die erste Filiale in Österreich eröffnet. Schlecker begann 1975, Schlecker-Österreich 1987.
Wachstum
Schlecker expandierte bis der Markt gesättigt war (und darüber hinaus): 14.000 Filialen hatte der Drogerist zu Spitzenzeiten in ganz Europa, ungefähr 1200 davon in Österreich. dm hingegen setzt laut eigener Angaben auf Qualität statt Wachstum: "Wir machen so viele Filialen auf, wie sinnvoll ist", so der dm-Deutschland-Gründer Götz Werner. 2010 etwa setzte dm mit 370 Filialen in Österreich 616 Millionen Euro um, Schlecker mit 974 nur 451 Millionen.
Standorte
Während dm auf ''beste Lagen in Top-Handelsagglomeraten'' ab ca. 15.000 Einwohner im Einzugsgebiet setzt, versuchte Schlecker sich in strukturell schwächeren Gegenden und hoffte, dass die Kunden am Land mangels Alternative bei ihm kaufen würden. Die Standorte in kleinen Ortschaften und am Stadtrand brachten auch den Vorteil billiger Mieten.
(c) Reuters (Pawel Kopczynski)
Logistik
Seine Standortpolitik wurde Schlecker jedoch zum Verhängnis: Zwar hatten beide Unternehmen in ein hochmodernes Logistiknetz investiert, doch die Schlecker-LKWs hatten deutlich mehr Kilometer zurückzulegen. Um Kosten zu sparen, belieferte der Drogerist seine Filialen in der Provinz nur noch zwei mal wöchentlich, was zur Folge hatte, dass Produkte häufig ausverkauft und Kunden verärgert waren.
Preispolitik
Mit Lockangeboten und Rabattaktionen versuchte Schlecker sich als Drogerie-Diskonter zu positionieren. Trotzdem waren die Produkte durchschnittlich um rund 34 Prozent teurer als jene von dm, wie ein Warenkorb-Vergleich der Arbeiterkammer Wien 2011 ergab. Schlecker war in Österreich somit vor Bipa der teuerste seiner Branche.

dm hingegen verabschiedete sich von Lockvogelangeboten und änderte seine Preispolitik. Die 1994 selbst auferlegte Regel lautet: Ein Preis darf vier Monate lang nicht erhöht werden.
(c) Reuters (Ina Fassbender)
Filialen
Enge Gänge, grobe Metallregale und möglichst viel Ware auf engem Raum - so präsentierten sich die meisten Schlecker-Filialen. Erst kurz vor der Insolvenz in Deutschland wurden einige Lokale zu hochwertigen Drogerien umgebaut. Doch da war es bereits zu spät. dm hat schon früher verstanden, wie wichtig für Kunden eine entspannte Atmosphäre beim Einkauf ist. Das Unternehmen experimentiert mit Lichtdesigns, breiten Gängen und runden Regalen. Diese brauchen zwar mehr Platz, fügen sich aber nahtlos in das Wohlfühl-Geschäftsmodell der Kette ein.
Michaela Rehle
Verkaufspersonal
In Schlecker-Filialen arbeitete häufig nur eine Verkäuferin. Neben Regale einräumen und die Kassa bedienen blieb da wenig Zeit für individuelle Kundenberatung. Bei dm hingegen sind schon alleine aufgrund der Filialengrößen mehr Mitarbeiter anwesend. Klingeln an den Regalen sorgen dafür, dass Kunden bei Beratungswunsch sogar das Suchen nach Verkäuferinnen erspart bleibt.
Sonja Spitzer
Mitarbeiter
In der Vergangenheit wurde Schlecker häufig aufgrund seiner Mitarbeiterführung kritisiert: Verkäuferinnen wurden von Detektiven und Kameras überwacht; aufgrund der Unterbesetzung in den Filialen blieb ihnen oft nicht die Zeit, auf die Toilette zu gehen. 1998 wurde das Ehepaar Anton und Christa Schlecker wegen Lohn-Dumpings sogar zu einer Strafe von einer Million Euro und zehn Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.

Von dm hingegen sind keine derartigen Skandale bekannt. Für seine Lehrlingsprogramme und Mitarbeiterführung gewann der Drogerist sogar Preise.
Thomas Peter
Öffentlichkeitsarbeit
Während Schlecker in der Öffentlichkeit kaum auf die Skandale reagierte und auch ansonsten wenig präsent war, setzt dm auf eine ausgeklügelte Marketingstrategie und schaffte es so, sich als sympatisches Unternehmen zu positionieren. Ende der Achtziger Jahre verabschiedete sich die Kette von ihrem alten Slogan: "Große Marken, kleine Preise". Das heutige Image als ökologischer und sozialer Betrieb und Arbeitgeber rund um den neuen Slogan "Hier bin ich Mensch, hier kauf ich ein" scheint bestens zu funktionieren.
(c) Faksimile
Am 20. Jänner 2012 gab Anton Schlecker die Planinsolvenz bekannt. Schlecker Österreich wird daraufhin von einer Investorengruppe gekauft.

dm-Gründer Götz Werner (im Bild) kommentiert die Pleite seines Mitbewerbers wie folgt: "Ich habe ihn als sehr konsequenten Menschen erlebt. Übertriebene Konsequenz kann aber auch dazu führen, dass man den richtigen Weg nicht mehr sieht."
(c) Reuters (Tobias Schwarz)

Zum „Das Wichtigste des Tages“ Newsletter anmelden

Die Presse

Der einzigartige Journalismus der Presse. Jeden Tag. Überall.

Abonnieren

  • Impressum
  • Alternative Streitbeilegung
  • AGB
  • Datenschutz
  • Cookie Policy
  • Cookie Einstellungen
  • Vermarktung
  • Hilfe, Kontakt & Service
  • Newsletter
Copyright 2023 Die Presse

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.