Wie Personalchefs die wahren Motive ihrer Kandidaten erfragen.
16.11.2017 um 01:00
In der Fernsehserie "Lie to me" entlarvt Dr. Cal Lighman, dargestellt von Tom Roth (Bild), Lügner durch angewandte Psychologie. In der harten Recruiterrealität bedienen sich Personalisten besonderer Fragen, um die wahren Motive ihrer Kandidaten herauszufinden. Hier lesen Sie die Lieblingsfragen heimischer Personalchefs - und welche sie keinesfalls stellen würden.
Warum wir?"Mit einem harmlosen "Warum wir?" bricht Barbara Kalab-Brandner, Head of Human Ressources bei EMC Österreich das Eis. Die Frage nach den Beweggründen eines Kandidaten eröffnet ihr Zugang zu Antrieb und Motivation - besonders, wenn dieser den Kontakt aktiv hergestellt hat. Niemals hingegen würde sie Fragen stellen, die auf die Privatsphäre zielen.
„Gab es bestimmte Milestones, die für Sie ganz persönlich ausschlaggebend waren oder die bestimmte Entscheidungen ‚eingeläutet‘ haben?“ Gerne fragt Esther Brandner-Richter, Head of Human Ressources bei Ernst & Young Österreich, auch nach Lebenssituationen, die ihren Kandidaten besonders geprägt haben. Das Führen von Stressinterviews lehnt sie hingegen ab.
(c) ANDI.BRUCKNER
„Wenn ich Ihren Vorgesetzten nach Ihnen befrage – wie würde er Sie beschreiben? Welches Feedback haben Sie zum Beispiel aus Mitarbeitergesprächen bekommen?“ Das sind die Lieblingsfragen von Monika Kis-Contos, Personalchefin von Semperit. Sie geben ihr Aufschluss über konkrete Verhaltensweisen und spiegeln die Entwicklungsfelder. Ihr absolutes No-Go ist die berüchtigte Stärken/-Schwächen-Frage, weil hier die Antworten schon daheim eintrainiert werden.
„Wie beschreiben Sie die Unternehmenskultur in Ihrem derzeitigen Unternehmen und was würden Sie gerne in ein neues Unternehmen mitnehmen? Was sollte anders sein?“ Wolfgang Weiss, Wienerberger Personalchef, fragt auch gerne, was der Bewerber von seiner zukünftigen Führungskraft braucht, um zur Höchstform aufzulaufen. Weglassen würde er geschlossene Fragen, die auf die Persönlichkeitsstruktur abzielen, wie zum Beispiel: „Sind Sie eher zurückhaltend?“
"Wofür sind Sie berühmt?"Ruth Krumböck von Conwert hat ein großes Repertoire an Lieblingsfragen (die anderen wollte sie uns nicht verraten). Eine Frage, die sie hingegen nie stellt, lautet: "Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?"
(c) Hans Oman
"Wie würde Ihr ehemaliger Vorgesetzter Sie beschreiben?" oder „Wie würden Sie in folgender Situation reagieren?“ Für Roland Uccusic vom Prothesenhersteller OttoBock ist Teamwork ein maßgeblicher Faktor, weshalb er diesem Thema viel Raum widmet. Fragen, welche die Privatsphäre der Kandidaten betreffen, würde er hingegen keinesfalls stellen.
"Gibt es eine Frage, die ich nicht gestellt habe, deren Antwort ich aber wissen sollte?" Silvia Buchinger, Personalchefin von A1, will so an Aussagen kommen, die von den sozial erwünschten und vorbereiteten Antworten abweichen. Bewerber antworten meist spontan mit dem, was ihnen wirklich wichtig ist. Nie hingegen stellt sie die Frage, wo sich ein Bewerber in Zukunft sieht - die Zukunft ändert sich zu schnell.
„Meine Favoriten sind Fragen, die mir zeigen, ob die Werte und Einstellungen des Bewerbers zu unserer Unternehmenskultur passen.“ Für Evelin Mayr von HP Österreich gibt es nicht "die eine", immer gleiche Frage. Jedes Gespräch läuft individuell ab, schließlich ist jeder Kandidat eine eigene Persönlichkeit. "Was wäre wenn"-Fragen hält sie hingegen für verzichtbar, denn "sie bringen keine solide Entscheidungsgrundlage".
"Erzählen Sie mir mehr über sich selbst." So lautet die Lieblingsfrage von Mark Day, Johnson & Johnson Consumer Health Care Austria. Damit lockt er seine Kandidaten aus der Reserve locken und gibt ihnen eine Chance, sich selbst kurz und bündig zu präsentieren. Um sich von anderen Kandidaten zu differenzieren, helfen wesentliche und außergewöhnliche Informationen und Fakten. Allerdings warnt er, zu viele Information preiszugeben: "Hunde- und Katzennamen sind nicht relevant."
"Wie sieht Ihr berufliches Umfeld aus, damit Sie Ihre persönliche Bestleistung erbringen?" Mit dieser Frage erfährt Ursula Vogler von KPMG viel auf einmal: Vorstellungen und Bedürfnisse ihrer Kandidaten ebenso wie Anforderungen und Rahmenbedingungen. Noch eine Lieblingsfrage: „Sie schreiben in Ihren Bewerbungsunterlagen, dass Sie teamfähig (oder eine andere Eigenschaft) sind. In welcher Situation haben Sie das unter Beweis gestellt?"
"Angenommen, Sie steigen bei uns ein und ich frage Sie in drei Monaten, ob das die richtige Entscheidung war - woran machen Sie das fest?" Das ist die Lieblingsfrage von Liz Hull, PwC Österreich. Als Beispiel für eine unnötige Frage nennt sie: "Sie sprechen schon gutes Englisch, oder? Wunderbar!"
"Wenn Sie selbst Ihren perfekten Job entwerfen könnten, wie würde der aussehen?"Elisabeth Triebert von TPA Horwath ist es wichtig, das Gesamtbild des Bewerbers kennen zu lernen und nicht nur abzuklären, wie gut das Profil des Kandidaten mit dem ausgeschriebenen Jobprofil übereinstimmt. Interessant sind nicht nur fachliche Schwerpunkte, sondern etwa auch bevorzugte Arbeitszeiten oder Klima.
"Was muss die Position mitbringen, damit Sie Ihre beruflichen und persönlichen Ziele optimal verfolgen können?" Martina Pitterle von Accenture begründet ihre Frage damit, dass die Entscheidung immer aktiv von beiden Parteien getroffen wird. Nur wenn beide zusammenpassen, werden sie erfolgreich sein. Wenig Sinn hingegen machen Fragen, auf die die Kandidaten vorbereitet sind. Erfolgsversprechender ist, konkrete Situationen und Aufgaben anzusprechen, an denen sie gewachsen sind.
"Ich frage immer individuell auf den CV abgestimmt, beziehungsweise auf die Antwort des Bewerbers bezogen. Mit der ersten Frage greife ich ein beliebiges allgemeines Thema auf - etwa das Wetter - , um das Eis zu brechen." Katrin Musil von Freshfields hat keine dezidierte Lieblingsfrage. Die klassischen Bewerbungsfragen stellt sie eher umschrieben, etwa: „Wie würde Sie Ihre Mutter beschreiben? Oder: Wie würden Sie Ihre besten Freunde beschreiben?" Das dient ihr aber nur dazu, um festzustellen, ob der Bewerber sich vorbereitet hat. Ganz verbieten sich jedenfalls Fragen, die man rechtlich nicht stellen darf.
"Nach welchen Kriterien entscheiden Sie sich für einen Arbeitgeber?" Diese Frage bevorzugt Sabine Binder-Krieglstein von Binder Grösswang. Sie möchte damit mehr über Teamfähigkeit, Sozialverhalten und Lernbereitschaft erfahren.
"Wie gehen Sie mit Konfliktsituationen im Team um? Bitte erläutern Sie Ihr Verhalten anhand eines Beispieles."Sonja Gutschi-Mödritscher von CHSH stellt Fragen nach spezifischen Verhaltensweisen sowie konkreten Beispielen aus dem praxisnahen Umfeld. Aus ihrer Sicht sind im Suchprozess Fragen hilfreich, die den Kandidaten dazu bringen, anhand von konkreten Beispielen zu demonstrieren, wie man sich in einer bestimmten Situation verhalten hat, was gesagt, gedacht oder gefühlt wurde.
"Welche Fähigkeiten halten Sie für die ausgeschriebene Stelle am wichtigsten? Wie sind sie bei Ihnen ausgeprägt? Können Sie Situationen nennen, in denen Sie sie erfolgreich eingesetzt haben?" Arnim Wahls von Wolf Theiss fragt am liebsten nach den Fähigkeiten des Bewerbers. Er schätzt an ihnen, dass sie ihm das Selbstbild und eine situative Darstellung der Fähigkeiten geben sowie einen Einblick, wie realitätsnah die Vorstellung von einer Tätigkeit ist.
"Was erwarten Sie von Ihrem Umfeld (Vorgesetzter, Kollegen etc.), um die Aufgaben dieser Position optimal erfüllen zu können?" Am liebsten stellt Johannes Blätterbinder von der Energie AG diese Frage. Tabu ist für ihn hingegen der engere familiäre oder sehr privaten Hintergrund eines Bewerbers.
"Wie würden Sie - aus meiner Perspektive - die Erfahrungen und Fähigkeiten für diese Position überprüfen bzw. abfragen?"Daniel Bacher von Leobersdorfer Maschinenfabrik vertauscht gern die Rollen. Damit sind Bewerber allerdings nicht selten "überfordert".
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