Afrikanische Religion und der Zauber des Lebens

Das Fest gibt Raum für Gemeinschaft und ermöglicht Ausgleich. Wen möchte ich in den Weihnachtsfeiertagen einladen?

Laurenti Magesa wuchs in Tansania auf und arbeitete jahrzehntelang als katholischer Pfarrer in Dörfern seines Heimatlandes. Um sieben Uhr abends geht dort die Sonne unter, es gibt keinen Strom, und man kann nicht mehr lesen. Dennoch ist Magesa Autor zahlreicher Bücher und einer der bekanntesten Theologen Afrikas.

Sein freundliches Gesicht, seine ruhige Ausstrahlung und sein feiner Humor wecken die Sympathie von Studenten und Kollegen unserer Fakultät in Nairobi. Magesa ist überzeugt, dass die traditionellen Religionen Afrikas gemeinsam als Weltreligion anzusehen sind. Diese Religion verehrt Gott, indem sie die Mystik des Lebens zelebriert, wobei die Gemeinschaft immer der Lebensraum des Einzelnen ist.

„Ich bin, weil wir sind“, lautet die Maxime. „Leben ist dort, wo Gemeinschaft ist, allein bist du ein Tier.“ Die Gemeinschaft umfasst nicht nur die Lebenden der eigenen Familie und des Dorfes, sondern auch die Vorfahren und jene, die noch geboren werden sollen. Sexualität genießt als Zentrum der Lebenskraft und der Weitergabe des Lebens hohes Ansehen. Alles, was das Leben der Gemeinschaft fördert, wird als gut angesehen.

Nicht teilen zu wollen ist ein Affront gegen die Gemeinschaft. Früher wurde daher nicht im Haus gegessen, sondern immer im Freien, sodass mit jedem Vorbeikommenden geteilt werden konnte. Wo auch immer ein Fest stattfindet, braucht man keine Einladung. Jede und jeder ist willkommen.

Wie die traditionelle afrikanische Religion entwickelte auch die Religion Israels in alttestamentlicher Zeit den Gedanken egalitärer, geschwisterlicher Gemeinschaft. Ein zentrales Symbol dafür ist der Sabbat. „Der siebte Tag ist ein Ruhetag, dem Herrn, deinem Gott, geweiht. An ihm darfst du keine Arbeit tun. Dein Sklave und deine Sklavin sollen sich ausruhen wie du“ – so deutet Mose das Sabbatgebot im Buch Deuteronomium.

Während Sklaverei in der Antike verbreitet war, stellt der Sabbat soziale Gleichheit wieder her, verwirklicht so eine revolutionäre Sozialutopie. Noch mehr gilt dies für die großen Wallfahrtsfeste in Israel.

Das gemeinsame Fest integriert Fremde, soll besonders Straßenkindern und alleinerziehenden Müttern, die die schwersten Belastungen zu tragen haben, Freude bereiten. Ganz im Sinn dieser Gebote des mosaischen Gesetzes war es für Jesus und seine Freunde eine Selbstverständlichkeit, bei der Vorbereitung des großen Pessachfestes großzügig mit armen Mitbürgern zu teilen.

Das Fest gibt Raum für Gemeinschaft, ermöglicht Ausgleich. Wen möchte ich in den Weihnachtsfeiertagen einladen, wen könnte ich besuchen?

Bimail steht für Bibelmail, ein wöchentliches Rundschreiben des Teams um Pater Georg Sporschill, adressiert an Führungskräfte. Darin werden Lehren aus der Bibel auf das Leben von heute umgelegt.


E-Mails: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.12.2012)

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