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„Die Energiewende schaffen wir nur gemeinsam!“

Michael Strugl, Präsident Oesterreichs Energie
Michael Strugl, Präsident Oesterreichs EnergieThomas Topf
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Einen integrierten Plan für die Energiewende und einen nationalen, parteiübergreifenden Schulterschluss verlangt Michael Strugl, Präsident von Oesterreichs Energie.

Herr Strugl, bis 2030 soll in Österreich Strom zu 100 Prozent aus erneuerbarer Energie kommen. 2040, also in weniger als 18 Jahren, soll das Land klimaneutral sein. Ist das realistisch, kann sich das ausgehen?

Michael Strugl: 18 Jahre hört sich viel an, in der E-Wirtschaft sind 18 Jahre übermorgen. Jedes Leitungsprojekt, jedes Kraftwerk dauert viele Jahre, oft Jahrzehnte. So viel Zeit ist also nicht mehr. Trotzdem ist das Ziel nicht gänzlich unrealistisch und wir könnten es auch schaffen. Warum der Konjunktiv? Die Zielvorgaben kommen nicht von der E-Wirtschaft, sie kommen von der Regierung. Die E-Wirtschaft bekennt sich zu diesen Zielen und ist auf einem guten Weg. Und auch die Bevölkerung erkennt den hohen Wert des Erneuerbaren Ausbaus – das zeigen Umfragen und das bestätigt der Run auf private PVAnlagen auf den Dächern. Man hat derzeit aber das Gefühl, die Politik hätte das Interesse an ihren eigenen Zielen verloren. Wenn es um die dringend notwendigen gesetzlichen Rahmenbedingungen geht, erleben wir gerade einen Stillstand.

Das Energie-Effizienz-Gesetz wurde im Nationalrat beschlossen…

Michael Strugl: Mit Verspätung und ohne die Opposition dh ohne Verpflichtungen für die Bundesländer. Warten wir einmal ab, wie es funktioniert, wenn die Bundesregierung Ziele vorgibt und die Bundesländer sind nicht mit im Boot. Aber natürlich begrüßen wir als Branche, dass dieses Gesetz überhaupt gekommen ist. Es schafft Rechtssicherheit und erspart auch den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern teure Strafzahlungen. Aber wir brauchen noch viel mehr: Die Energiewende wird nicht nur aus den ganz großen Projekten bestehen, sondern aus vielen kleinen – unterhalb der UVP-Pflicht. Für die braucht es das Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz, sonst gibt es keine Flächen und diese Projekte hängen in endlosen Genehmigungs-Schleifen. Die Eigentümer von Einfamilienhäusern brauchen Sicherheit, wann sie raus müssen aus Öl- und Gasheizungen. Dafür braucht es das ErneuerbarenWärme-Gesetz.

Und es braucht das Elektrizitäts-Wirtschaftsgesetz, damit wir als Branche mit zukunftsfitten Rahmenbedingungen arbeiten können. Das alles müsste noch in dieser Legislaturperiode beschlossen werden. Leider sind Energiegesetze, die einer Zweidrittelmehrheit bedürfen, Inhalt des politischen Hick Hack geworden. Wir sehen in anderen Ländern – wie zum Beispiel in Dänemark – dass Energiepolitik und Energie- und Klimaziele nationaler Konsens sind und parteiübergreifend und unabhängig von der Zusammensetzung der Regierung langfristig verfolgt werden.

Sind Sie da optimistisch und was wäre am dringendsten? Gesetze, Flächen, Verfahren?

Michael Strugl: Ich bin vor allem Realist. Wenn jetzt nicht Tempo reinkommt, gehen sich die Ziele nicht aus. Am wichtigsten ist jetzt ein integrierter Plan – es reicht nicht, nur auf die Erzeugung zu schauen, auf die Netze oder nur auf die Speicher. Es ist zu wenig, nur auf das eigene Bundesland zu schauen, nur auf Wien oder Brüssel. Wir brauchen einen gesamthaften Plan, der alle Elemente des Erneuerbaren-Ausbaus beinhaltet und auch die jeweiligen konkreten Aufgaben. Wenn Sie ein Haus bauen, sollten der Baumeister, der Installateur, der Tischler und der Dachdecker auch wissen, was sie wann verlässlich zu tun haben, damit zum vereinbarten Termin ein fertiges Haus dasteht. Meines Erachtens sollte der integrierte Erneuerbaren-Plan aber noch viel weiter gehen und auch Fragen der Aus- und Weiterbildung klären: Wir werden viele Hände und kluge Köpfe für die Energiewende brauchen und dafür müssen in den Schulen und an den Universitäten und Hochschulen die Weichen gestellt werden. Es muss auch die Investitionsfähigkeit der EWirtschaft gesichert sein: Die Energiewende kostet 50 bis 60 Milliarden Euro und die wird nicht die öffentliche Hand aufbringen, sondern die Unternehmen.

Und gibt es einen Plan B, wenn sich die Ziele 2030 und 2040 nicht ausgehen?

Michael Strugl: Da muss man unterscheiden. Wenn es zwei, drei Jahre länger dauert, ist das kein Malheur. Die Energiewende selbst ist aber alternativlos – die müssen wir gemeinsam hinbekommen. Erstens, damit wir aus internationaler Energieabhängigkeit rauskommen. Zweitens, weil wir dann, nicht von heute auf morgen, aber auf Perspektive die Preise in den Griff bekommen. Drittens, weil Green Tech Made in Austria zu einem Turbo für Wachstum, Beschäftigung und Export werden kann. Und am wichtigsten, viertens, weil es ohne Energiewende keine Klimawende geben kann. Sicherer und leistbarer grüner Strom muss der Energieträger der Zukunft werden, das sind wir unseren Kindern und den nachfolgenden Generationen schuldig.


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