Das Gesundheitssystem NHS feiert 75-jähriges Bestehen. Doch zum Jubiläum steckt die Institution in einer tiefen Krise.
Bei der bombastischen Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele 2012 in London tauchten auf einmal die Krankenschwestern auf. In altmodischen Uniformen und weißen Häubchen marschierten sie auf und begannen zu tanzen, über ihnen schwebten ein paar Krankenbetten. Zum Schluss erschien groß in leuchtenden Lettern das Logo: NHS. Manche internationalen Zuschauer mögen sich gewundert haben, was der Gesundheitsdienst hier zu suchen hat – aber für die Briten war es durchaus schlüssig: Für viele zählt der National Health Service zum Besten, was das Land in den vergangenen hundert Jahren hervorgebracht hat. Er ist so britisch wie James Bond, Mary Poppins oder die Beatles.
Am Mittwoch erinnerte man sich wieder: Genau 75 Jahre ist es her, dass der NHS aus der Taufe gehoben wurde. In der Westminster Abbey gab es einen Festakt, am Abend leuchteten Denkmäler und Wahrzeichen in NHS-Blau, Gemeinden im ganzen Land organisierten Jubiläums-Teapartys. Aber es dürften sich auch saure Noten in die Feierstimmung mischen. Denn der Gesundheitsdienst durchlebt gerade seine schwerste Krise seit Bestehen. Viele Briten – darunter etliche Gesundheitsexperten – bezweifeln, dass der staatlich finanzierte Dienst überhaupt in seiner jetzigen Form überleben kann.
Der 5. Juli 1948 war ein historischer Tag. Als erstes Land weltweit führte die damalige Labour-Regierung einen Gesundheitsdienst ein, der die ganze Bevölkerung versorgte – unabhängig vom Einkommen. Der NHS finanziert sich über Steuern, entsprechend fällt die größte finanzielle Last auf jene, die die breitesten Schultern haben. Der damalige Gesundheitsminister, Aneurin Bevan, sagte: „Der Kern eines guten Gesundheitsdienstes besteht darin, dass Armut keine Behinderung darstellt und dass Reichtum nicht bevorzugt wird.“