''Ich könnte Putin anrufen''
Stronach im schwarzen Kernland
Er knetet Brotteig, lässt seine Muskeln spielen, wettert gegen Pröll und zeigt, wo der "Wurm begraben liegt". Ein Wahlkampftag mit Frank Stronach.

"Servus, grüß dich! Geht's dir gut?", gut gelaunt betritt Frank Stronach das "Haubiversum" in Petzenkirchen im Mostviertel - eine Backstube mit Knusperhäuschen und Kaffeehaus. Umständliche Höflichkeitsgebote ignoriert er, mit allen ist er per Du. "Ich sage, was ich denke und was die anderen denken - und das direkt", erklärt Stronach bei seinem vorletzten Wahlkampfauftritt vor der Landtagswahl am 3. März. DiePresse.com begleitete ihn dabei.
(c) Hellin Sapinski

Besitzer Anton Haubenberger und seinem Vater, ebenfalls ein Anton, ist diese Offenheit nur recht: "Wir freuen uns, dass du gekommen sind. Ich hab' mich so beeilt", begrüßt der Senior den Spitzenkandidaten. "Wie alt bist du?", fragt Stronach unverblümt den außer Puste geratenen Altbäcker. "75", meint dieser. "Also noch ein Teenager", lacht der 80-jährige Stronach und klopft ihm auf die Schulter.
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Dann laden die Haubenbergers zu einem Rundgang durch ihr Backreich. Der Weg durch die 16.000 Quadratmeter große Bäckerei führt durch einen gläsernen Besuchergang. Der Boden ist goldfarben, der Gang befindet sich in drei Metern Höhe. So könne aus der Vogelperspektive der Werdegang des Brotes mitverfolgt werden, führt Haubenberger aus.
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"Ich mach auch was", meint Stronach als er von Bäckergehilfen mit weißen Schürzen und blauen Duschhauben empfangen wird. Der Magna-Gründer versucht sich im Flechten von Mohnweckerln - unter Anweisung Haubenbergers. "Und jetzt den Schlauch durch die Lasche ziehen", weist dieser Stronach an. Der beginnt zu lachen und meint: "Bäcker werde ich keiner mehr, das überlasse ich dir."
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"Ihr habt euch was Tolles aufgebaut", lobt Stronach beim Weitergehen, um gleich darauf eine Parallele zu seinem eigenen Werdegang zu ziehen: "Ich war auch zur richtigen Zeit am richtigen Ort - und ich hab' hart gearbeitet", erinnert er sich an seine Anfangsjahre in Kanada. "Aber es braucht auch ein bisserl Glück."
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Nach dem Rundgang warten im "Knusperhäuschen" der Bäckerei rund 40 Wirtschaftstreibende auf Stronach. Damit der 80-Jährige ein wenig verschnaufen kann, wird sein Imagefilm angespielt. Dann ergreift Stronach selbst das Wort, um Altbekanntes aufzuwarten. "Ich bin dafür, dass das Parteibuch gesetzlich verboten wird - in jedem Bereich. Es braucht g'scheite Leute mit Herz und Hausverstand, keine Freunderlwirtschaft", sagt er und erntet verhaltenen Applaus.
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Dann prangert er die Politik von Landeschef Erwin Pröll an. "Ich glaub', der Erwin mag die Niederösterreicher nicht, denn er hat ihr Geld im Ausland geparkt", verweist er auf die Spekulationsgeschäfte des Landes. "Ich aber fühle mich begnadigt, wenn ich etwas für andere Menschen tun kann. Ich habe dem Land schon 400 Millionen gespendet, Erwin hat nichts aus seiner Tasche gegeben", sagt Stronach und stellt seine Aufopferungsbereitschaft mit dem Signieren von Büchern unter Beweis. Dass ihm von der ÖVP vorgeworfen wird, dem SC Wiener Neustadt ein neues Stadion zu bauen, das aber nicht geschehen sei, spricht er nicht an.
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"Ich bin hier, weil ich Frank immer schon mal begegnen wollte", sagt dieser Besucher begeistert. "Er hat mir die Hand geschüttelt. Was er sagt, kann man unterschreiben."
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"Ich bin selbstständig - seit 23 Jahren", berichtet ein weiterer Besucher. "Aber in all den Jahren habe ich weder von der SPÖ noch von der ÖVP irgendeine Unterstützung erhalten. Stronach versteht was vom Geschäft, er ist eine Alternative."
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Neben seinem beruflichen Werdegang ist auch der gesundheitliche Zustand Stronachs Thema. "Ich bin 45 Jahre alt und nicht so fit wie Frank", murmelt ein Schaulustiger. Darauf angesprochen meint der Milliardär: "Greif mal" und spannt seine Oberarmmuskeln an. "Ich mache jeden Tag Sport - ein bisserl dehnen, Tennis, Ski fahren." Gefragt nach seinen Wahlzielen, gibt er sich dagegen zugeknöpft: "Ich habe hohe Ziele, aber das steht alles in den Sternen."
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Nach dem "Haubiversum" steht ein Besuch im Gasthaus "Bärenwirt" auf dem Programm. Dort lauschen rund 400 Schaulustige dem Spektakel - bestehend aus Volksmusik, Stronach-Werbespots und einem Imagefilm über den Magna-Gründer. Und für jene, die immer noch nicht wissen, worum es geht, hängen an den Wänden Stronach-Transparente, auf den Tischen liegen Frank-Flyer.
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Danach stellt Stronachs Sprecherin Ulla Weigerstorfer die Niederösterreich-Gesandten des "jungen Teams" vor. "Danke, dass ihr Frank zur Seite steht. Ihr habt die richtigen Werte - Wahrheit, Transparenz, Fairness", wiederholt sie altbekannte Slogans. Ein Programm hat die Partei übrigens bis heute nicht: "Es ist eigentlich schon fertig. Im April werdet ihr es dann bekommen", versucht Weigerstorfer zu beschwichtigen.
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An Give-Aways mangelt es dafür nicht: Abseits der Bühne finden sich Luftballons, Fahnen, Teepackerln, Broschen und Infobroschüren. Sogar CDs werden an die Gäste verteilt. Darauf zu hören ist das Lied "Steirermen san very good" – allerdings nicht das Original, sondern einen neue Version, getextet von Otto Normalverbraucher. Dieser beschert den Anwesenden auch prompt eine Kostprobe...
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... "Steirermen san very good, aber ned nur drüb'n in Hollywood, reifer Herr mit Überblick haut sih in die Politik - und die meisten hab'n a Freud, wissen, es is eh scho' höchste Zeit."
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Das Publikum klatscht und schwenkt rot-weiß-rote Fahnen. Dann ist Stronach an der Reihe. "Ich bin mit 200 Dollar nach Kanada gekommen und war hungrig. Dieses Gefühl wollte ich nie wieder haben", beginnt er erneut seine Lebensgeschichte. "Ich bin einer von euch. Ich bin zwar nicht immer da, aber wenn ich da bin, tue ich etwas für die Leut'. Pröll tut nichts, er denkt nur an sich. Es wäre besser, er wäre weg", sagt er und erntet Standing-Ovations. Dass er, obwohl er Spitzenkandidat ist, aber gar nicht in den Landtag einziehen will und die meiste Zeit über in Kanada lebt, erwähnt der Milliardär nicht.
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Dann wettert Stronach gegen Korruption, die "Macht der Raiffeisen-Bank" und Berufspolitiker. "Wir sagen, ein Politiker darf nur für zwei Perioden Politiker sein, sonst entsteht Freunderlwirtschaft. Da ist der Wurm (sic) begraben", ruft er. "Ich bin von niemandem abhängig. Man kennt mich. Ich könnte Putin anrufen und er wüsste, wer ich bin. Ich könnte ihn treffen. Wer kann das noch sagen?"
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"Endlich sagt einer, was Sache ist", freut sich Frank-Sympathisant Günter (rechts im Bild), der als seinen Beruf Shaolin-Mönch angibt. "Er will die Verwaltung und das Steuergesetz reformieren, er kennt die Sorgen des kleinen Mannes", sagt der 45-Järhige. Dass es noch kein Parteiprogramm gibt, stört ihn wenig: "Er hat mich mit seiner Art überzeugt."
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Auch junges Publikum findet sich beim "Bärenwirt". "Das ist super, was Frank macht", sind sich diese beiden einig. Dann berichten sie, dass sie auch "eine technische Ausbildung" machen und sich vorstellen können auszuwandern. "Vielleicht gibt's dann bald eine neue Self-Made-Millionär-Story", grinsen sie.(hell)
(c) Hellin Sapinski