Am Beginn der Neuzeit stand das Interesse am Hebräischen

Wikipedia ist zu einem Symbol der heutigen Wissensrevolution geworden. Aber welches Wissen ist wirklich wichtig?

Giovanni Pico della Mirandola ist nicht nur deshalb einer der schillerndsten Philosophen der italienischen Renaissance, weil er schon mit 23 Jahren bereit war, seine 900 Thesen mit Philosophen aus ganz Europa in Rom zu diskutieren; nicht nur wegen seiner wilden Liebesabenteuer, oder weil er mit 31Jahren, zum Asketen bekehrt, unter mysteriösen Umständen vergiftet wurde.

In seiner humanistischen Wissbegierde war er auch einer der ersten Christen, die von jüdischen Gelehrten systematisch das Hebräische und das Aramäische erlernten. Dabei motivierte ihn nicht nur der Wunsch, das Alte Testament in seinem ursprünglichen Sinn zu verstehen, sondern auch die Mystik der Kabbala, aus der er sich Einsichten in die Geheimnisse verborgenen Wissens erhoffte.

Johannes Reuchlin war der erste Humanist, der das Studium des Hebräischen an Universitäten im deutschen Sprachraum brachte. Er war auch der erste Christ, der eine umfangreiche hebräische Grammatik schrieb, sie erschien im Jahr 1506.

Während Juden in vielen Ländern Europas vertrieben und hebräische Bücher verbrannt wurden, richtete Reuchlin juristische Abhandlungen zur Verteidigung hebräischer Schriften an Kaiser Maximilian und an die Öffentlichkeit. Von Reuchlins Hebräischstudien profitierten Philipp Melanchthon, Huldrych Zwingli und Martin Luther, die als Reformatoren Europa in Brand steckten.

»Wenn ihr mich erkannt habt, werdet ihr auch meinen Vater erkennen. Schon jetzt kennt ihr ihn und habt ihn gesehen.

«

Joh 14,7

Als Robert Wakefield 1523 die erste Professur für das Hebräische in Cambridge antrat, brachen in Europa Jahrhunderte an, in denen man sich von einem wahrhaft Gelehrten erwartete, dass er die „tres linguas“ beherrschte: Latein, Griechisch und die himmlische Sprache des Hebräischen.

Die tiefste Motivation dieser christlichen Humanisten war religiöser Natur. Wenn Reuchlin die Psalmen und die Propheten im hebräischen Original las, wurde er von „unaussprechlicher Freude“ erfüllt, „Freude, die ich in Wahrheit Weisheit nennen möchte“.

Der Wissensdurst dieser frühen Humanisten gründete in einer Lust an der religiösen Gotteserkenntnis: ein Motiv, das in den alttestamentlichen Schriften verwurzelt ist. In Jesus erkennen seine Freunde den „Vater“. Ähnlich, wie die psychologische Forschung gezeigt hat, wie grundlegend die Beziehung zu den Eltern für die Entwicklung der Persönlichkeit ist, fassten die biblischen Schriftsteller die Beziehung zum Vater oder zur Mutter des Universums als grundlegend für das Gelingen des Lebens auf.

Mit den frühen Humanisten verbindet uns, dass auch wir in der Zeit einer Wissensrevolution leben. Heute ist Wikipedia ein Symbol dafür geworden. Wieder drängt sich die Frage auf: Welches Wissen ist wirklich wichtig?

Bimail steht für Bibelmail, ein wöchentliches Rundschreiben des Teams um Pater Georg Sporschill, adressiert an Führungskräfte. Darin werden Lehren aus der Bibel auf das Leben von heute umgelegt.


E-Mails: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.05.2013)

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