Endgültig: Brockhaus weicht Wikipedia

Endgueltig Brockhaus weicht Wikipedia
Endgueltig Brockhaus weicht Wikipedia(c) EPA (Boris Roessler)
  • Drucken

Er war eine Institution, Prestigeobjekt, eine Zierde fürs Regal, aber das reicht nicht: Der Brockhaus wird eingestellt.

Über 200 Jahre gibt es den Brockhaus schon, wenn auch nicht immer unter dem jetzigen Namen. Er erzürnte Karl Kraus, er inspirierte Christian Morgenstern zu einem Gedicht über das unglaubliche Nasobem, das weder im Meyer noch im Brockhaus steht. Und nun soll alles aus sein? Noch sechs Jahre lang wird die Online-Ausgabe betreut, dann ist endgültig Schluss.

Es ist ein Tod auf Raten. Schon 2005 kündigte der Bertelsmann-Verlag an, die gedruckte Ausgabe einzustellen. Die 21.Auflage war die letzte, 30 Bände ist sie stark, 3000 Euro teuer. Sie wird noch angeboten, aber wohl kaum mehr gekauft. Wer braucht ein acht Jahre altes Lexikon? Brockhaus versuchte die Wende: Um mit Wikipedia mithalten zu können, bot man ein digitales Lexikon plus Online-Zugang zum „Wissen der Welt auf dem neuesten Stand“. Der Haken: Das kostete fast 1000 Euro. Nun konnten sich Käufer zwar einreden, eine aufwendig hergestellte Enzyklopädie sei in puncto Zuverlässigkeit, Genauigkeit und Seriosität dem Gratis-Online-Portal haushoch überlegen – doch eine Studie nährte Zweifel: „Nature“ stieß bei der Kontrolle der Wikipedia-Einträge zwar immer wieder auf Fehler – doch die waren nicht häufiger als in der Encyclopaedia Britannica, die dem Brockhaus wohl in nichts nachstand.

Nur der Stil war schlechter. Aber wer zahlt für besseren Stil schon 1000 Euro?

Der Brockhaus wird trotzdem überleben – nicht kommerziell, aber in den Regalen. Im Archiv der „Presse“ stehen, wie wohl in so manchem Privathaushalt, noch immer die prestigeträchtigen Bände, sie wurden lange nicht mehr benutzt, doch immer wieder bewundert. Keiner wird sie entsorgen, und sei es nur, damit man sich irgendwann darüber amüsieren kann, dass man im Jahr 1989 das Internet noch nicht kannte.

Es war ein schönes Lexikon.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.06.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.