''Vertrag nicht gelesen''
Wenn Politiker sich auf Experten verlassen
Nicht nur für den Linzer Bürgermeister ist es offenbar "völlig normal", sich bei Finanzthemen ganz auf seine Mitarbeiter zu verlassen.

Als Politiker, meint der mittlerweile zurückgetretene Linzer Bürgermeister Franz Dobusch (SPÖ), müsse man "einen geraden Satz sagen können, und das halbwegs gescheit". Kein Problem sieht er offenbar darin, dass er eine Rahmenvereinbarung über den riskanten Swap-Deal der Stadt Linz mit der Bawag nicht gelesen hat. Das sei "völlig normal", sagte er beim Prozess am 19. August ("Die Presse" berichtete).
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Er habe in seiner Amtszeit schon 47.000 Mal eine Unterschrift geleistet, rechnete Dobusch vor. "Ich mische mich nicht in das Tagesgeschäft ein", so der Bürgermeister. Das "Tagesgeschäft" mit der Bawag aus dem Jahr 2006 könnte die Stadt nun allerdings teuer zu stehen kommen. Der Streitwert summiert sich mittlerweile auf rund 500 Mio. Euro.
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Auch der damalige Bawag-Generaldirektors Ewald Nowotny will nichts über die Details des Vertrags mit der Stadt Linz gewusst haben. Am 23. September war er als Zeuge vorgeladen. Er sagte, im Jahr 2007 hätten andere Aufgaben Priorität gehabt - nämlich die Verhandlungen mit dem neuen Eigentümer.
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Über einen weiterer Fall von angeblicher Unwissenheit war dieser Tage in einem Anschlussbericht der Finanzbehörde zu lesen: Der ehemalige Finanzminister Karl-Heinz Grasser hat den Prüfern zufolge rund zehn Millionen Euro Einkünfte in den Jahren 2009 und 2010 nicht versteuert und dadurch 4,95 Millionen Euro Steuern hinterzogen ...
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... Doch Grasser schiebt die ganze Schuld auf seinen Steuerberater Peter Haunold, den er jetzt auf Schadenersatz verklagt. Er selbst sei "steuerrechtlich so ungebildet", meinte der Ex-Finanzminister. Ob das wirklich der Fall ist? Zweifel kommen unter anderem auf, wenn man den Titel von Grassers Diplomarbeit liest: "Die Klein-AG der Schweiz: zivilrechtliche und steuerrechtliche Grundlegung".
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In den Finanzskandalen, die in den vergangenen Jahren die Republik erschütterten, "glänzten" so einige Politiker mit ihrem Nichtwissen. Josef Pröll (ÖVP) konnte sich etwa im April vor dem Handelsgericht Wien nicht daran erinnern, warum die Republik bei der Not-Verstaatlichung der Kärntner Hypo gegenüber den früheren Eigentümern ausdrücklich auf einen Gewährleistungsanspruch verzichtete.
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Pröll hat zwar den Kaufvertrag unterschrieben, doch immer, wenn es um konkrete Details zur Hypo-Rettung ging, hörte man von ihm zwei Antworten: Er könne sich nicht erinnern, oder er könne dazu nichts sagen, denn er habe sich damals "auf Experten verlassen".
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Ähnlich argumentiert auch Finanzstaatssekretär Andreas Schieder (SPÖ): Man sei in den Gesprächen unter einem "irrsinnigen Druck“ gestanden, so Schieder. Nach Abschluss der politischen Verhandlungen sei er mit der Sache nicht mehr befasst worden. Die Formulierung des Kaufvertrags sei von Experten erledigt worden. >>> zum "Presse"-Bericht vom April
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In Salzburg hat ein Finanzskandal die Ära der roten Landeshauptfrau Gabi Burgstaller beendet. Jahrelang will sie nichts über die riskanten Geschäfte ihrer Mitarbeiter und die daraus resultierenden Verluste gewusst haben. "Wir wurden in die Irre geführt. Wir haben uns täuschen lassen, wie unser Bundesland dasteht", meinte Burgstaller.
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Ein kritischer Rechnungshof-Bericht aus dem Jahr 2009 sei in den Regierungssitzungen nie ein Thema gewesen. "Wir haben nie darüber gesprochen, welche Geschäfte hinter den Einnahmen für den Landeshaushalt stehen". so Burgstaller. Das Finanzmanagement sei nicht ihre Aufgabe gewesen ...
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... Doch wessen Aufgabe dann? Vielleicht jene des Finanzlandesrats. David Brenner (SPÖ), präsentierte sich vor seinem Rücktritt Mitte Dezember 2012 jedoch nicht als Mitverantwortlicher, sondern als Aufdecker des Skandals: "Ein Arzt, der bei einer Operation einen Tumor entdeckt, ist nicht an dem Tumor schuld. Er ist nur dann Schuld, wenn er den Tumor nicht entfernt", rechtfertigte er sich in einem Interview.
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"Mit der Bande habe ich nichts am Hut": Der heutige Salzburger Landeschef Wilfried Haslauer (ÖVP), sparte nach dem Auffliegen der Spekulationsaffäre nicht an Kritik am damaligen Koalitionspartner. Mitschuld an der Misere gab er seiner Partei nicht. Schließlich sei es nicht die Aufgabe einer Koalition, sich wechselseitig zu kontrollieren. Die Aufgabe der Kontrolle obliege vielmehr dem Landtag und dem Rechnungshof ...
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... Immerhin räumte Haslauer dann doch noch ein : "Wir haben dem Koalitionspartner vertraut, im Nachhinein war das vielleicht ein Fehler. Vielleicht hätten wir mehr nachfragen sollen."
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