Culture Clash

Syrische Christen. Bei der Ansiedlung von Flüchtlingen darf man keine Präferenzen haben? Das ist Unsinn. Man muss.

Frontnachrichten
aus dem KulturkampfSeit der Ankündigung, dass Österreich 500 syrische Flüchtlinge aufnehmen werde – „schwerpunktmäßig Frauen, Kinder und Christen“ –, ist eine seltsame Diskussion im Gang. Der Schwerpunkt auf Christen stört eine Reihe von Leuten, darunter Politiker und NGOler. Ihr Tenor: Humanitäre Hilfe muss jedermann zuteilwerden und dürfe nicht an Religionsgrenzen haltmachen.

Das ist ja auch ganz richtig. Wenn Menschen zu uns kommen und um Hilfe bitten, dürfen wir sie aus Gründen der Religionszugehörigkeit nicht abweisen. Klar. Das gilt für die 915 Syrer, die im Vorjahr hier um Asyl angesucht haben, und für die 708, die heuer gekommen sind, und für Tausende, die noch kommen werden. Es darf niemand zurück in den Tod geschickt werden, weil er keinen Taufschein hat.

Aber hier geht es um etwas anderes: um 500 Menschen, die wir extra in der Region aussuchen und herbringen. Da geht es gar nicht anders, als dass man Grenzen setzt. Das Leben ist so. Jedem Hungrigen, der an Ihre Tür klopft, sollten Sie entsprechend seiner Not helfen. Aber wenn Sie Leute zum Essen einladen wollen, werden Sie Auswahlkriterien anwenden müssen. Subjektive.

Es ist daher unsinnig zu fordern, dass die Aktion des Außen- und Innenministeriums nicht an irgendwelchen Grenzen haltmachen darf. Sie muss. Und sie tut es mannigfaltig. Warum nur Syrer – wo es doch weltweit weitere 40 Millionen Flüchtlinge gibt, die auch Hilfe brauchen? Warum Frauen und Kinder? Sind Männer gegen Giftgas immun? Und es sollen vor allem Leute sein, die schon Angehörige in Österreich haben. Wie gerecht ist das denn?

Dass Kriterien angewendet werden, ist unumgänglich. Aber natürlich kann man darüber reden, ob es die richtigen Kriterien sind. Öffentlich wird nur das Christen-Kriterium kritisiert. Seltsam. In der Praxis wird der Schwerpunkt auf Christen so ausschauen, dass ein kleiner Teil der 500 Menschen von Kirchen in Syrien als besonders schutzbedürftig nominiert wird. Aber selbst wenn jene 500 alle Christen wären, hätte das gute Gründe, die genauso für die Ansiedlung von Frauen und Kindern zutreffen: Sie sind besonders verfolgt, in der muslimischen Region besonders schutzlos und alleingelassen – und daher besonders schutzwürdig. Und sie integrieren sich leichter in unsere Kultur.

Wenn Religion bei der Schutzlosigkeit eine Rolle spielt, dann auch beim Schutz. Es gibt keinen Grund, sie als Kriterium von vornherein auszuscheiden. Menschen, die trotzdem dafür plädieren, kennen vielleicht die Umstände nicht. Vielleicht wollen sie auch einfach Christen nicht. Dann sollten sie das doch offen sagen.

Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“ und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.

meinung@diepresse.com diepresse.com/cultureclash

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.09.2013)

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