Gendersprache

Das Binnen-I sieht zwar aus wie ein Phallussymbol, ist aber keins. Ein Beitrag zu einer gerechteren Sprache ist es aber genauso wenig. Ich bin fürs Entsorgen.

Auf einmal kennt halb Österreich das Komitee 045 Bürowesen des Normungsinstituts. Es hat einen Vorschlag zur ÖNORM 1080 vorgelegt, der rät, im geschäftlichen Schriftverkehr das Binnen-I nicht anzuwenden. Und dass man auch nicht immer die weibliche Form zur männlichen hinzufügen muss. Spätestens seit Walburg Ernst als Vorsitzende den Vorschlag auch noch ganz unverblümt verteidigt hat („Welcher Frau hat das Binnen-I zu einem Job oder zu einer besseren Bezahlung verholfen?“), ist die Aufregung groß.

Ich verstehe völlig, dass Sprache und Schrift die Würde der Frauen achten und unterstützen müssen. Meine Frau wird allerdings ziemlich heftig, wenn jemand andeutet, ihre Würde sei auf den korrekten Gebrauch von Suffixen angewiesen. Ich verstehe auch das Argument, Sprache müsse die Frauen sichtbar machen, damit die Welt nicht von Männern dominiert wird. Aber da muss noch etwas anderes im Spiel sein, denn nicht einmal die Gendersprache selbst hält sich daran.

Nur wenn man neben die Wiener auch die Wienerinnen setzt und neben die Täter auch die Täterinnen, hebt man den weiblichen Teil sichtbar hervor. Die genderkorrekten Lehrpersonen, Studierenden und Stellvertretenden machen aber nicht mehr Weiblichkeit sichtbar als die Lehrer, Studenten oder Stellvertreter. „Mitgemeint“ sind die Frauen da wie dort, so wie auch die Männer mitgemeint sind, wenn man „die Ordonnanz“ sagt oder „die Stellvertretung“.

Und Binnen-I und der/die-Schrägstriche machen schon gar nicht die Frauen sichtbar, sondern bloß die verkrampfte Seite des Feminismus. Es ist ein so massiver Fremdkörper im Schriftbild, dass damit nicht beide Geschlechter deutlich werden, sondern nur der Eingriff selbst und vielleicht seine Absicht. Klar sieht man das bei der Hinzufügung zum Binnen-I, dem Gender Gap: eine Leerstelle, die für all jene steht, die weder eindeutig Mann noch Frau sind. Ein weißer Fleck im Text macht sie sichtbar? Das obligate Binnen-I hat mit menschengerechter Sprache also wenig zu tun – es hat mehr den Charakter eines Unterwerfungsrituals, die schriftgewordene Kombination von erhobenem Zeigefinger und Landvogt Gesslers Hut.

An den Postings zur ÖNORM 1080 merkt man, dass das vielen – auch vielen Frauen – gegen den Strich geht, auch wenn ihnen die Gleichberechtigung der Geschlechter wichtig ist. Meine Frau zum Beispiel sagt, sie habe es satt, ständig dem Narrativ huldigen zu müssen, dass sie einer marginalisierten Unterschicht angehört. Dadurch hat noch keine Frau einen Job bekommen, oder mehr Geld oder auch nur mehr Selbstwertgefühl.
Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“ und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.

meinung@diepresse.com

diepresse.com/cultureclash

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2014)

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