Ungarn: "Sympathische Angeber"

Die ungarische Community in Wien: Nur zu Veranstaltungen mit hohem Niveau kommen Ungarn.

Die Ungarn sind unheimliche Stre ber, sie wollen 150-prozentige Ös terreicher sein", erklärt Ernö De ¡k, Präsident des Zentralverbandes Ungarischer Vereine. Der Grund dafür? Verantwortlich für den ungarischen Ehrgeiz sei "das ewige Ringen mit dem Minderwertigkeitskomplex": "Die Ungarn wurden immer mit dem Kommunismus als etwas ,Minderwertigem' gleichgesetzt", erklärt der Historiker, "und außerdem haben sie ein starkes Prestigedenken." Tatsächlich gibt es bei den Ungarn in Österreich laut De¡k im Vergleich zu anderen Volksgruppen einen überdurchschnittlichen Anteil an Akademikern und Maturanten.

Der Präsident des Zentralverbandes zählt zwar mehr als 35 ungarische Vereine in Österreich, die würden sich aber nicht sehr regen Zuspruchs erfreuen. Die Ungarn in Österreich seien eine sehr anspruchsvolle Community. "Gemütliche Club-Abende, nur um zu trinken und zu plaudern, genügen den Ungarn nicht", sagt De¡k. Literatur, Kunst und Konzerte auf hohem Niveau sollten es schon sein. Wenn bei Veranstaltungen kein intellektueller Mehrwert geboten werde, würden die Ungarn nicht kommen. Neben Erwachsenenbildung und kulturellen Veranstaltungen gibt der Zentralverband eine ungarischsprachige Zeitschrift heraus und betreibt eine ungarische Schule in Wien. "Die Schule beschränkt sich aber leider auf zwei Stunden alle zwei Wochen", sagt De¡k, "für mehr fehlen uns die Mittel."

Korn©l Zipernovszky, Kulturbeauftragter des ungarischen Kulturinstitutes Collegium Hungaricum bestätigt die intellektuellen Ansprüche der ungarischen Community: In dem vom Collegium veranstalteten Filmklub etwa hätte der Opern-Film B¡nk b¡n die meisten Zuseher angelockt. Während der Dachverband der Ungarischen Vereine von in Österreich lebenden Ungarn organisiert wird, ist das Collegium Hungaricum eines der weltweit 17 offiziellen Kulturinstitute Ungarns. Das Collegium versucht, durch Ausstellungen, Lesungen, Konzerte und Filmvorführungen den Österreichern die ungarische Kultur näher zu bringen. Das Haus am Wiener Donaukanal beheimatet auch eine wissenschaftliche Werkstätte für ungarische Forscher und Studenten.

Die Ungarn sind die größte und gleichzeitig beliebteste Volksgruppe. 40.583 leben in Österreich, der Großteil davon in Wien und im Burgenland. Die größte Einwanderungswelle fand 1956 statt: Nach der Niederschlagung der Revolution gegen die Sowjetherrschaft flüchteten 180.000 Ungarn, zehn Prozent davon blieben. "Spätestens seit 1956 hegen die Österreicher starke Sympathien für die Ungarn", sagt De¡k. Die Auflehnung der Ungarn gegen die Sowjetherrschaft hätte die Österreicher beeindruckt.

Aber auch abseits der gemeinsamen Vergangenheit gibt es ein positiv besetztes Ungarnbild. Was mögen die Österreicher eigentlich so an den Ungarn? "Die Ungarn sind auf sympathische Weise Großmäuler und Angeber", vermutet De¡k. "Das imponiert den Österreichern." Außerdem hätten die ungarische Sprache, die Tänze und die Gesänge auch etwas Exotisches, das anziehend wirkt. "Wenn schon anders, dann ungarisch", liest De¡k in der österreichischen Seele. "Wenn Sie bei einer Firma anrufen, sagen Sie, dass Sie Ungarin sind", empfahl eine AMS-Beraterin einer in Österreich lebenden Ungarin für die Jobsuche am Telefon, "denn die Österreicher mögen die Ungarn lieber als andere Nationalitäten."

Lesungen, ungarischer Jazz, kulinarische Spezialitäten, Folklore und Film: In den nächsten Wochen gibt es anlässlich des EU-Beitrittes von Ungarn etwas für jeden Geschmack. Das Filmarchiv Austria (Metro Kino) zeigt beim Filmfestival "Grenzenlos" 30 ungarische Filme. Wer bei der "Europameile" am Gürtel im Lichtenwerder Stüberl Halt macht, ist "mitten in Ungarn" und kann dort echte "Soml³i Galuska" - Somlauer Nockerln - essen. Zum Tanz fordert am 13. Mai das Porgy&Bess in der Riemergasse: Besh o droM aus Budapest bieten eine einzigartige Fusion aus Romabrass-Jazz, Gipsy-Swing und pannonischem Hiphop. Nu-Jazz mit elektronischen Klängen bietet das Wiener Stadtfest am 1. Mai: Tibor Barkoczy, Komponist und Arrangeur für Louis Austen, spielt mit einem der besten Live-Jazz-Musiker Wiens, Helmut Neugebauer, und der DJ-Größe Patrick Pulsinger am Neuen Markt auf.

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