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Interview

Über die Zukunft des Standorts Oberösterreich

Im „Presse“-Studio gingen Franz Gasselsberger und Hans Pleininger dringenden Wirtschaftsfragen nach. 
Im „Presse“-Studio gingen Franz Gasselsberger und Hans Pleininger dringenden Wirtschaftsfragen nach. (c) Roland RUDOLPH
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Inflation, hohe Zinsen, anstehende Lohnabschlüsse – wie geht die oberösterreichische Industrie mit den derzeit schwierigen Rahmenbedingungen um? Für „Die Presse“ spricht Hans Pleininger mit Oberbank-Generaldirektor Franz Gasselsberger.

Seit zwanzig Jahren leitet Franz Gasselsberger das Linzer Bankinstitut Oberbank, das über ein bedeutendes Industrie- und Unternehmenskundengeschäft und über Filialen in Österreich, Deutschland, Tschechien, der Slowakei und Ungarn verfügt. Damit hat der Generaldirektor tiefgreifende Einblicke in die aktuelle Situation der Wirtschaft und erkennt Trends frühzeitig. 

Viele Konjunkturforscher sprechen derzeit von sehr unruhigen Zeiten. Der Stagnation der österreichischen Wirtschaftsleistung im ersten Halbjahr könnte im zweiten Halbjahr ein Rückgang folgen. Wie beurteilen Sie, als Bankier, das konjunkturelle Umfeld? Wie schlimm wird es?

Franz Gasselsberger: Was öffentlich kommuniziert und kolportiert wird, ist schon richtig. Wir sehen eine Abschwächung, eine Abkühlung der Wirtschaft und die Auftragseingänge gehen quer über alle Branchen zurück. Die Ausnahme ist die, von der Entwicklung scheinbar unbeeindruckte, florierende Tourismusbranche. Die Frage bleibt offen, ob wir über das Jahr gerechnet mit einem kleinen Wirtschaftswachstum davonkommen, oder ob wir in eine Rezession schlittern. Für mich sind zwei Indikatoren als Bank sehr wichtig.

Zum einen ist das die Kreditrisikoentwicklung. Man erkennt an der Insolvenzstatistik bei den Unternehmen und auch bei den Privaten einen Anstieg, der allerdings nicht dramatisch ist. Was zum Teil in der Öffentlichkeit kommuniziert wird, stimmt nicht. Auch die oft zitierten Wohnbaukredite werden zu 99,2 Prozent bestens bedient. Bei den Unternehmen ist es ebenfalls noch nicht dramatisch.

Zum zweiten schwächt sich die Kreditnachfrage ab, aber wir haben ein Wachstum. Vor allem wird in drei Themenfelder investiert. Das sind die Digitalisierung, die Automatisierung und auch die Nachhaltigkeit ist ein Wachstumsfeld. Das wird auch von den Förderinstitutionen wie der AWS großzügig und großartig unterstützt. Die Anzahl der Förderkredite ist noch immer auf einem sehr guten Niveau. Es gibt zwar eine Abschwächung, aber ich bin positiv gestimmt, eine Rezession doch noch vermeiden zu können, da wir einen Abschwung in Zeiten der Vollbeschäftigung sehen. Wenn die Menschen Arbeit haben, dann konsumieren sie auch. Sobald die Menschen den kommenden Reallohnzuwachs spüren, werden sie bereit sein, Geld auszugeben. Der Konsum ist für Österreich ein sehr stabilisierender Faktor.

Ihre Halbjahresbilanz zeigt, dass es noch nicht klar ist, wohin die Entwicklung geht. Dennoch schreiben Sie in Ihrer Bilanz, dass es besorgniserregend sei, dass Österreich und Deutschland im europäischen Vergleich zurückgefallen sind. Weshalb stehen wir nun am Ende Europas?

Deutschland hängt sehr stark am Export – vor allem nach China. China schwächelt und das spürt nicht nur die europäische, sondern allen voran die deutsche Exportindustrie sehr stark. Ich verstehe den deutschen Finanzminister nicht, bei hohen Zinsen die Ausgaben der öffentlichen Hand zurückzufahren. Jetzt müsste eigentlich Stimulanz durch die öffentliche Hand geschehen. Daran hängt auch Österreich, denn wenn Deutschland schwächelt, spüren wir das auch aufgrund der ausgeprägten Automobilzulieferindustrie, des Maschinenbaus, etc. Ich hoffe doch, dass Deutschland durch entsprechende Maßnahmenpakete wieder Fahrt aufnehmen wird. Es wird etwa überlegt, den Kauf von Wohnungen steuerlich zu begünstigen, was in Österreich nicht diskutiert wird. Es ist so, dass die wirtschaftliche Stimmung in Deutschland und Österreich schlimmer ist als im Süden Europas.

Glauben Sie, dass die Situation in Deutschland, das immer die Konjunkturlokomotive Europas war, Auswirkungen auf den Euro-Raum haben wird?

Wenn eine so starke Volkswirtschaft schwächelt, wirkt sich das auf den gesamten Euro-Raum aus, das ist gar keine Frage.

Im Rahmen der Expertentalk-Reihe „Zukunft Standort Oberösterreich“ war Oberbank-Generaldirektor Franz Gasselsberger (rechts) bei der „Presse“ zu Gast. 
Im Rahmen der Expertentalk-Reihe „Zukunft Standort Oberösterreich“ war Oberbank-Generaldirektor Franz Gasselsberger (rechts) bei der „Presse“ zu Gast. (c) Roland RUDOLPH

Abseits der Hoffnung, dass das heurige Jahr noch halbwegs gut zu Ende geht – wann dürfen wir denn auf eine nachhaltige Erholung in Österreich hoffen? Sind die 1,4 Prozent plus an Wirtschaftswachstum, wie für 2024 prognostiziert, realistisch?

Ich kann nicht beurteilen, wie Wirtschaftsforscher auf diese Wachstumsraten kommen, außerdem haben sich die Wirtschaftsforscher in der Vergangenheit schon zu oft geirrt. Sie waren bei den Abschwüngen und Aufschwüngen zu spät. Ich glaube, dass so etwas wie Zuversicht oder eine Verbesserung der Stimmung zurückkehren muss. Wenn es eine Perspektive gibt, dass diese Hochzinsphase einem nachhaltigen Ende zugeht, sich die Inflation nachhaltig nach unten drehen wird und die Menschen das spüren, dann wird sich die Wirtschaft wieder drehen. Wir dürfen nur einen Fehler nicht begehen, die momentane Situation in die Zukunft zu projizieren. Ich schließe nicht aus, dass wir durch das derzeitige Abrutschen der Produzentenpreise im Jahr 2024 eine niedrigere Inflationsrate sehen werden, als derzeit in den Modellen abgebildet wird. Was die Inflation angeht, bin ich eher ein Optimist und wir könnten sogar positiv überrascht werden.

Die EZB war in den vergangenen Monaten relativ mutig und hat sich vor knapp einem Jahr von der Nullzinspolitik verabschiedet und den Leitzinssatz rasant erhöht. Ihre Meinung zur Zinspolitik?

Wir brauchen faktenbasierende Zinsentscheidungen und die sind in der Vergangenheit so nicht passiert. Man kann davon ausgehen, dass die EZB die besten Volkswirte hat, die sich mit nichts anderem beschäftigen, als mit Preisentwicklungen, Preisvorschau oder Geldmengenentwicklungen. Man hat zu lange zugeschaut und dann versucht, Versäumtes einfach in einem Tempo nachzuholen, das es noch nie gegeben hat. Jetzt müsste man die Wirkung der Maßnahmen abwarten, denn eine Zinserhöhung entfaltet ihre Wirkung erst nach sechs bis zwölf Monaten. Erst dann lässt sich sagen, wie das die Unternehmen und die privaten Haushalte verkraften.

Laut Wirtschaftsforschern soll die Inflationsrate im kommenden Jahr bei 3,8 bis 4 Prozent liegen. Oder werden die bevorstehenden Lohnabschlüsse das Thema befeuern?

In Österreich ist die Inflation höher als in anderen Ländern, hier ist sehr viel hausgemacht. Es ist die Politik, die sehr laut nach Zinserhöhungen gerufen hat und versucht, die dadurch entstehenden Wirkungen mit der Gießkanne zu entschärfen. Man ruft die Feuerwehr und setzt gleichzeitig das Haus in Brand. Das ist kontraproduktiv. Die Rechnung müssen wir jetzt bezahlen und das tut weh.

Oberösterreich ist ein führendes Industrieland im europäischen Raum und hat in den vergangenen Jahren sehr gut gewirtschaftet. Wie können die oberösterreichischen Industrieunternehmen die hohe Inflation, hohe Zinsen und zu erwartende hohe Lohnabschlüsse verkraften?

Das wird eine unglaublich große Herausforderung. Es gibt sinkende Auftragseingänge, sinkende Margen im Vertrieb kombiniert mit steigenden Lohnkosten und Energiekosten. Durch nationale Stützungsmaßnahmen in anderen europäischen Ländern sind diese deutlich attraktiver. Das verschärft die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Industrie.

Eingangs sagten Sie, dass viel mit falschen Zahlen operiert werde. Die oberösterreichische Industrie moniert, dass es in der Bevölkerung zu wenig Finanzwissen gibt, das auch in den Schulen nicht vermittelt wird. Was müsste seitens der Politik passieren, damit man hier mehr Wirtschaftswissen schafft?

Man sollte nicht dem Reflex verfallen, alles auf die Schule abzuladen. Finanzbildung beginnt im Elternhaus, das ist Erziehungsarbeit. Das beginnt mit dem Bargeld, das man physisch in der Hand hält und sieht, ob es weniger oder mehr wird. Der digitale Euro ist ein sehr abstrakter Begriff und als Erziehungsinstrument für den Umgang mit Geld nicht wirklich dienlich. Auf diesem Fundament sollte die Schule verstärkt aufbauen und sich mit Begriffen wie Inflation, Realwerten, Verzinsung und anderen beschäftigen.

Information

Das Gespräch fand auf Einladung der „Presse“ statt und wurde finanziell unterstützt von der Industriellenvereinigung OÖ.

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