Herzinfarkt

Den Umbau des Herzens verhindern

Medikamente sollen das Herz nach Infarkt vor weiteren Schäden schützen.
Medikamente sollen das Herz nach Infarkt vor weiteren Schäden schützen.Getty Images
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Auch wenn die Akutbehandlung erfolgreich war, kann das Herz nach einem Infarkt geschädigt sein. Medikamente sollen die Folgen lindern oder Vernarbungen sogar verhindern.

Kommt ein Patient mit einem Herzinfarkt rechtzeitig ins Spital, kann der Gefäßverschluss wieder beseitigt werden. Allerdings sind dann – in Abhängigkeit von der Art des Herzinfarkts und der verstrichenen Zeit bis zur Behandlung – möglicherweise schon Schäden entstanden. „Je mehr Herzmuskelgewebe zugrunde geht, desto größer ist die Gefahr von Dauerfolgen“, weiß Christian Hengstenberg, Leiter der Klinischen Abtei­lung für Kardiologie und der Uniklinik für Innere Medizin II der Med-Uni Wien. „Durch Vernarbung kommt es in dem Teil des Herzens zu einem Umbauprozess, einem Remodeling. Das Herz dehnt sich aus und kann nicht mehr gut pumpen“, erklärt Dirk von Lewinski von der Klinischen Abteilung für Kardiologie der Med-Uni Graz. Ausmaß und Fortschreiten der Herzinsuffizienz – und damit auch der Lebenserwartung und -qualität – hängen stark von der Schwere des Herzinfarkts ab, wobei laut von Lewinski auch individuelle Faktoren eine Rolle spielen.

„Die medikamentöse Behandlung nach dem Infarkt hat das Ziel, ein weiteres Ereignis zu verhindern und die aktuelle Situation möglichst gut zu gestalten“, sagt Hengstenberg. Das gelinge meist recht gut. Die dauerhaft verordneten Medikamente adressieren vor allem alle Risikofaktoren. Die Liste umfasst Blutplättchen-Hemmer sowie Blutdruck-, Cholesterin- und Blutzucker-Senker. „Wichtig ist, Last vom Herzen zu nehmen“, sagt Hengstenberg, der von „phänomenalen Weiterentwicklungen“ in den letzten zehn Jahren spricht. Neben Fortschritten bei Diabetesmedikamenten nennt er neue Lipid-Senker, die stärker und länger wirken, gut verträglich seien und als Tablette sowie Spritzen zur Verfügung stehen. Konkret gibt es nun Medikamente, die auf Basis von siRNA (small interfering RNA) gezielt in der Leber in Stoffwechselprozesse eingreifen, um den Cholesterinspiegel zu senken. „Die Wirkung hält sechs Monate an, das ist wie eine Impfung“, beschreibt Hengstenberg. Last but not least hat der Lebenswandel – beziehungsweise dessen Änderung – entscheidenden Einfluss auf den weiteren Verlauf, betont der Kardiologe.

Vernarbung verhindern

Darüber hinaus versucht man auch, das Remodeling durch die Gabe von Medikamenten unmittelbar nach dem Infarkt zu bremsen. Etabliert sind Betablocker, ACE-Hemmer und Mineralokortikoid-Rezeptorantagonisten (MRA). Von Lewinski weist auch auf Colchicin hin, das laut Studien den Verlauf nach einem Herzinfarkt positiv beeinflussen kann. Der aus der Herbstzeitlosen gewonnene, entzündungshemmende Wirkstoff, der etwa gegen Gicht angewendet wird, werde nach Herzinfarkten noch zu wenig eingesetzt, laut von Lewinski wegen mangelnden Engagements der Pharmaindustrie, aber auch wegen potenzieller Nebenwirkungen wie Übelkeit. Eine weitere Gruppe von Medikamenten, die von anderen Einsatzgebieten bekannt ist, hat von Lewinski gemeinsam mit dem Endokrinologen Harald Sourij untersucht. Die Rede ist von SGLT2-Inhibitoren, die bei Diabetes eingesetzt werden und dort positive Wirkung auf (chronische) Herzinsuffizienz gezeigt hätten. Eine von der Med-Uni Graz und elf weiteren österreichischen Zentren durchgeführte Studie mit 476 Patienten hat gezeigt, dass der Wirkstoff bei Behandlungsbeginn innerhalb von 72 Stunden nach dem Infarkt die Schädigung des Herzens, gemessen am Biomarker NT-proBNP und an der Pumpleistung, positiv beeinflusst. Größere Studien laufen. Noch im Forschungsstadium ist ein weiterer Ansatz, der ebenfalls an der Med-Uni Graz untersucht wurde. Er befasst sich mit dem Protein ECM1, das eine Schlüsselrolle im Entzündungsprozess und bei der anschließenden Vernarbung spielt.

Herzen wieder „verjüngen“?

Auch der Traum, bereits geschädigtes Gewebe wieder zu „reparieren“, wird verfolgt. Die Palette reicht vom Verjüngen des Narbengewebes mittels RNA (Duke University School of Medicine) oder mittels spezieller Proteine (University of Sydney) bis zum „Kuschelhormon“ Oxytocin, das laut Untersuchungen der Michigan State University zur Regeneration des Herzmuskels beitragen kann – alles vorerst nur im Tiermodell oder an Zellkulturen. Die befragten Experten erwähnen auch den Einsatz von Stammzellen. Auf diese hat man vor zehn bis 20 Jahren große Hoffnungen gesetzt. Da sie sich nicht erfüllt haben, sei es diesbezüglich ruhiger geworden – ohne dass die Idee gänzlich aufgegeben wurde.

Abschließend betonen beide Experten den Stellenwert der Vorsorge. „Die beste Behandlung ist die Vermeidung“, sagt Hengstenberg. Er plädiert dafür, ein Herz- und Gefäß-Screening im Alter von etwa 50 Jahren als Vorsorgeuntersuchung zu etablieren, analog zur Darmspiegelung.


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