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Interview

Gerecht § Intelligent § Arbeiten

Daniela Krömer, Partnerin CMS, und Jens Winter, Partner CMS, über die Risiken und Möglichkeiten auf dem Weg zu einer zukunftsfitten, intelligenten Arbeitswelt.
Daniela Krömer, Partnerin CMS, und Jens Winter, Partner CMS, über die Risiken und Möglichkeiten auf dem Weg zu einer zukunftsfitten, intelligenten Arbeitswelt.(c) Caio Kauffmann
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Für Stephen Hawking ist künstliche Intelligenz (KI) „wahrscheinlich das Beste oder das Schlimmste, was der Menschheit passieren kann“. Für Unternehmen und ihre Mitarbeiter ist KI vor allem auch eine rechtliche Herausforderung.

KI verändert die Arbeitswelt – aber verändert sie auch das Arbeitsrecht? Brauchen wir jetzt ein neues?

Jens Winter: Auf den ersten Blick scheinen technische Innovationen nicht in das bestehende Recht zu passen. Auf den zweiten Blick zeigt sich, dass der oft jahrhundertealte rechtliche Rahmen mehr kann als zunächst gedacht, und dass allenfalls nur kleine Änderungen notwendig sind. Das war zum Beispiel vor vielen Jahren der Fall, als E-Mails Einzug in den Geschäftsverkehr hielten. Eine technische Revolution? Auf jeden Fall. Aber rechtlich kommt man mit den Regelungen des ABGB aus dem Jahr 1811 gut durch. Für Geschäftsabschlüsse über Websites hat man dann bestimmte Fragen mit dem E-Commerce-Gesetz geregelt, um Rechtssicherheit zu schaffen. Man muss bei technischen Neuerungen also nicht immer das Rad neu erfinden, aber prüfen, wo es Nachjustierungen braucht.

Wie kann man also KI im bestehenden Arbeitsrecht einordnen?

Daniela Krömer: KI ist in erster Linie ein technisches Betriebsmittel. Es ist herausfordernd, weil es Ergebnisse liefert, die so wirken, als wären sie unmittelbar von Menschen produziert. Das können etwa Texte sein, die über Chat GPT generiert werden, Übersetzungen oder eine medizinische Diagnose beziehungsweise ein diagnostischer Hinweis, der beispielsweise nach der Analyse von Bilddaten zu den Veränderungen bei Muttermalen gegeben wird. In diesen Fällen leisten technische Betriebsmittel etwas, von dem man lang gemeint hat, dass es allein Menschen leisten können. Arbeitsrechtlich ist und bleibt KI aber ein technisches Betriebsmittel.

Was bedeutet das für Arbeitgeber?

Winter: Arbeitsrechtlich bedeutet dies zunächst, dass die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber darüber entscheidet, welche technischen Betriebsmittel im Unternehmen eingesetzt werden. Das ist rechtlich auch nachvollziehbar, weil die Arbeitgeber auch für Schäden haften, die durch den Einsatz von Betriebsmitteln verursacht werden. Bei KI, die auf Datenverarbeitung basiert, ist natürlich das datenschutzrechtliche Risiko offenkundig. Auch bei vermeintlich harmlosen Nutzungen, etwa bei der Unterstützung durch Chat GPT für eine Rede zum Firmenjubiläum eines langjährigen Mitarbeiters, werden unter Umständen personenbezogene Daten verarbeitet. Bei der Übersetzung einer E-Mail an einen Kunden könnten unternehmensinterne, teils auch vertrauliche Informationen an das Übersetzungstool übermittelt werden.

Können Arbeitnehmer frei entscheiden, ob sie KI bei der Arbeitserbringung verwenden?

Krömer: Nein. Die Tatsache, dass Arbeitgeber bestimmen, welche Betriebsmittel eingesetzt werden, bedeutet im Umkehrschluss auch, dass Arbeitnehmer nicht frei entscheiden können, welche Betriebsmittel sie für ihre Arbeitsleistung einsetzen können. Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber geben die Betriebsmittel vor, und es ist von dem Grundsatz auszugehen, dass alles, was nicht erlaubt ist, verboten ist. Im Einzelfall kann die Abgrenzung schwierig sein: Wenn Teile der Belegschaft frei zugängliche, datenschutzrechtlich bedenkliche KI nutzen, ohne dass die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber darauf reagiert, werden ab einem gewissen Zeitpunkt einzelne Arbeitnehmer davon ausgehen können, dass die Nutzung dieser KI im impliziten Einverständnis und im Interesse der Arbeitgeberin erfolgt.

Daher ist wichtig, dass sich Unternehmen proaktiv mit KI auseinandersetzen und entsprechende Regelungen treffen. Das kann ein klares Verbot bestimmter Programme sein, das Bereitstellen von KI-Programmen, die datenschutzrechtlich „compliant“ sind, ebenso wie Prozesse über die Nutzungsweise von KI, etwa die Vorgabe, welche Schritte zwingend von Menschen gesetzt werden müssen. Mit dieser Vorgangsweise minimieren Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber nicht nur das Risiko einer „unsachgemäßen“ Nutzung von KI. Sie können bei Verstößen gegen diese Vorgaben auch leichter arbeitsrechtliche Konsequenzen setzen.

Braucht KI betriebliche Mitbestimmung?

Winter: Ein weiterer Punkt, warum der Einsatz von KI durch Arbeitgeber bewusst und erst nach einer rechtlichen Prüfung erfolgen sollte, ist, dass bestimmte Formen von KI nur mit Zustimmung des Betriebsrats genutzt werden dürfen. Das ist immer dann der Fall, wenn der Einsatz von KI dazu führt, dass Persönlichkeitsrechte über das allgemein gesetzlich zulässige Ausmaß beeinträchtigt werden. Auch eine Beurteilung von Arbeitnehmern durch KI ist nicht ohne Einverständnis des Betriebsrats möglich. KI wäre allerdings ein guter Anlass, um die Regelungen der betrieblichen Mitbestimmung, die aus den 1970er-Jahren stammen, an die veränderten technischen Verhältnisse anzupassen. Mittlerweile haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch im Arbeitsverhältnis aufgrund der verwendeten digitalen Tools fast notwendigerweise eine digitale Identität. Eine Anpassung könnte darin bestehen, klarzustellen, dass die Mitarbeiterkontrolle mit Informationstechnologie verboten ist, und nur erlaubt ist, wenn es eine ausreichende Rechtsgrundlage – zum Beispiel eine Betriebsvereinbarung – gibt, ähnlich wie das im öffentlichen Dienst der Fall ist.

Wie sieht es mit Diskriminierung aus?

Krömer: Das ist ein häufig angesprochenes Problem: Ist der Algorithmus strukturell diskriminierend, sind es die Ergebnisse, die eine KI liefert, auch. Dies ist häufig der Fall, weil die Daten, auf denen KI basiert, auf der Grundlage einer strukturell diskriminierenden Welt generiert wurden. Es gibt immer wieder Beispiele dafür, dass Algorithmen Bewerberinnen strukturell schlechter bewerten als Bewerber. Hier verfestigen Algorithmen bestehende strukturelle Diskriminierungen, anstatt sie zu beseitigen. Auf EU-Ebene wird derzeit der AI Act verhandelt, der „algorithmische Diskriminierung“ verbieten soll. Klar ist bereits jetzt: Für Arbeitgeber, die gesetzlich zu einer diskriminierungsfreien Einstellungs- und Beförderungspolitik verpflichtet sind, ist KI in der HR-Arbeit eine besondere Herausforderung. Das Risko von Haftungen und damit verbundenen Schadenersatzforderungen ist hier besonders hoch. Und auch wenn hier ein möglicher Schadenersatz im Vergleich mit Strafzahlungen nach der DSGVO relativ gering ist, ist das Reputationsrisiko enorm. In einer Zeit, in der die verfügbaren Talente heftig umworben sind, kann strukturell diskriminierende Einstellungs- und Beförderungspolitik nachhaltig negative Auswirkungen auf das Unternehmen haben.

Was ist arbeitsrechtlich sonst noch zu beachten?

Winter: Gerade bei der Beurteilung und Bewertung von Arbeitnehmern durch KI ist rechtlich höchste Vorsicht geboten. Denn hier kommen auch die zwingenden Regelungen der DSGVO ins Spiel. Insbesondere Art. 22 DSGVO zieht hier zusätzlich eine klare Grenze: Niemand darf ausschließlich aufgrund einer automatisierten Verarbeitung – einschließlich Profiling – beruhenden Entscheidung erheblich beeinträchtigt werden. Das bedeutet, dass hier der unterstützende Einsatz von KI möglich ist, es aber immer eine möglichst unabhängige menschliche Entscheidung geben muss.

Ist KI arbeitsrechtlich Krise oder Chance – was ist Ihr Fazit?

Krömer: KI ist, was sie ist. Wie bei allen technischen Entwicklungen sind Unternehmen gut beraten, sich aktiv darauf einzustellen, und die Chancen zu nutzen, auch wenn es rechtliche Begleitmaßnahmen erfordert. Eine große praktische Herausforderung liegt in der Personalentwicklung: Unsere Generation hat das Wissen und die Erfahrung, um die „Arbeitsleistung“ von KI zu bewerten und gegebenfalls zu korrigieren. Eine wichtige Aufgabe wird es daher sein, die nächste Generation, die sich gemeinsam mit KI Wissen und Erfahrungen aneignet, so zu schulen, dass sie in der Lage ist, KI kritisch zu hinterfragen und zu kontrollieren.

Information

CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH
Gauermanngasse 2, 1010 Wien
Tel.: +43/(0)1 404 43-0
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