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Zukunft Standort Oberösterreich

Über die (grüne) Zukunft der Stahlindustrie

Im „Presse“-Expertentalk erörtert Herbert Eibensteiner die Herausforderungen für energieintensive Unternehmen in Hinblick auf die globale Wettbewerbsfähigkeit. 
Im „Presse“-Expertentalk erörtert Herbert Eibensteiner die Herausforderungen für energieintensive Unternehmen in Hinblick auf die globale Wettbewerbsfähigkeit. (c) Roland RUDOLPH
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Die Wirtschaft steht bei der Transformation zur CO2-Neutralität vor riesigen Aufgaben, besonders die energieintensiven Sektoren. Die Industrie ist startbereit, betont Herbert Eibensteiner, CEO der voestalpine AG und Vizepräsident der IV Oberösterreich, im „Presse“-Talk mit Hans Pleininger.

Die voestalpine – ein international tätiger Stahl- und Technologiekonzern – mit Sitz in Linz gilt seit Jahren weltweit in der Stahlindustrie als Umweltbenchmark. Wie läuft der „grüne“ Transformationsprozess in der Stahlindustrie und mit welchen Herausforderungen sind die heimischen Industriebetriebe in diesem Kontext konfrontiert? Darüber spricht der voestalpine-CEO Herbert Eibensteiner mit Hans Pleininger im Rahmen der Expertentalk-Reihe „Zukunft Standort Oberösterreich“.

Wo steht die voestalpine heute auf ihrem Weg zur Green Company?

Herbert Eibensteiner: Wir haben in den letzten Jahrzehnten massiv in den Umwelt- und Klimaschutz investiert und unsere Emissionen sowie den Energieverbrauch auf das technologische Minimum reduziert. Dennoch, bei der Stahlproduktion entsteht unvermeidlich CO2. Eine grüne Stahlproduktion ist daher das große Thema der Zukunft und es gibt bereits Möglichkeiten, CO2-reduzierten Stahl zu produzieren. Wir haben bereits damit begonnen. Dieser Markt ist noch relativ klein, wird sich aber im Laufe der kommenden Jahre entwickeln.

Wie sehen die konkreten Pläne für eine Stahlproduktion in der Zukunft aus?

Wir haben mit greentec steel einen sehr ambitionierten Stufenplan entwickelt. Im Wesentlichen geht es darum, Hochofen- durch Elektrolichtbogenofen-Technologie abzulösen. Konkret werden wir ab dem Jahr 2027 zwei Hochöfen, einen in Linz und einen in Donawitz, ersetzen. So können wir unseren CO2-Ausstoß bereits ab 2027 um 30 Prozent reduzieren. Der nächste Schritt folgt nach 2030, wenn wir wieder zwei Hochöfen durch Elektrolichtbogenöfen ablösen wollen. Danach ist nur noch einer übrig, der im Jahr 2050 abgelöst wird. Wir forschen bereits jetzt an Technologien für die Zukunft, um bis 2050 CO2-neutral zu sein.

Wie sieht das konkret aus?

Bei der klassischen Stahlerzeugung wird auf Koks und Kohle zurückgegriffen, um Eisenerz zu reduzieren. In einem Elektrolichtbogenofen kommt man ohne fossile Energieträger aus, denn hier wird grüner Strom verwendet, um etwa Schrott aufzuschmelzen und zu Stahl zu verarbeiten. Dazu müssen Anlagen aufgebaut und in Betrieb genommen werden. Das geschieht schrittweise. Wesentlich ist, dass all diese Technologien dazu dienen, die hochqualitativen Stähle, für welche die voestalpine steht, erzeugen zu können.

Kann man die Reduktion in Zahlen fassen?

Wir sprechen nach dem ersten Schritt von einer Reduktion unserer CO2-Emissionen von vier Millionen Tonnen CO2. Das sind etwa fünf Prozent der gesamten österreichischen CO2-Emissionen. greentec steel ist damit das größte Klimaschutzprogramm in Österreich.

Welche Rahmenbedingungen brauchen Sie global und in Österreich, um eine Green Company zu werden?

Wir investieren für diesen ersten Schritt 1,5 Milliarden Euro. Ein wesentlicher Punkt ist, dass die Transformation ausreichend grünen Strom braucht, um zu funktionieren. Wenn wir über grünen Strom sprechen, sprechen wir von erneuerbaren Energien, die nicht regelmäßig zur Verfügung stehen. Deshalb bedeutet das auch einen wesentlichen Ausbau der Übertragungsnetze und der Energiequellen zum Ausgleich, wenn die Sonne nicht scheint oder kein Wind weht. Das sind die großen Themen, die uns europaweit und natürlich auch in Österreich beschäftigen. Wir benötigen hier einen Schub beim Ausbau der erneuerbaren Energien und der Netze.

Wenn man über den Ausbau von erneuerbaren Energien spricht, geht es auch immer um Fördermaßnahmen und Fördertöpfe. Erwartet sich die voestalpine hier, dass man die Transformation fördert, oder können Sie das alleine stemmen?

Positiv ist, dass die österreichische Regierung einen Transformationsfond geschaffen hat, in dem bis 2030 drei Milliarden Euro vorgesehen sind, um die Transformation der Industrie zu begleiten. Wir haben dort das erste Projekt eingereicht und werden gegen Ende des Jahres erfahren, ob wir eine Förderung erhalten oder nicht. Wir erwarten aufgrund der Förderrichtlinien einen höheren, zweistelligen Millionenbetrag, um diese erste große Investition von 1,5 Milliarden auch tatsächlich umsetzen zu können.

Welche Rahmenbedingungen braucht es für die technologische Transformation?

Europa steht vor der größten Transformation seiner Nachkriegsgeschichte. Die europäische Industrie hat bereits Pläne entwickelt, wie der CO2-Fußabdruck gesenkt werden kann. Wir sind startbereit. Aber die Erreichung der Klimaziele ist eine gesamtgesellschaftliche Mammutaufgabe und wird nur mit Kooperationen auf globaler, europäischer und nationaler Ebene erreicht werden können. Die Transformation ist nicht nur eine technische, sie betrifft viele Bereiche wie etwa Finanzierungen, Energieerzeugung, Netze, Förderungen oder Beschäftigte.

Die voestalpine hat vier Sparten, eine davon ist die Stahlproduktion. Weshalb leisten Sie sich den Standort Österreich, denn Sie könnten die Hochöfen ja auch woanders aufstellen?

Ein Stahlwerk ist ein integriertes Werk, von dem man die Stahlproduktion trennen könnte. Aber es ist besser, man tut das nicht. Die Qualität der voestalpine-Produkte hängt aber nicht von der Schmelzung ab, sondern vor allem von der Verarbeitung in der nachfolgenden Produktion. Wenn man Topqualität erzeugen möchte, braucht man auch die Mitarbeiter und das Forschungsumfeld. Hier ist der österreichische und oberösterreichische Standort sehr gut.

Können Sie die Wettbewerbsfähigkeit, die sich vielleicht beim Stahl durch hohe Energiekosten verringert, anderswo kompensieren, da die voestalpine sehr breit aufgestellt ist?

Wir sind sehr robust aufgestellt, was die Strategie anbelangt, und auf allen Kontinenten in sehr unterschiedlichen Sektoren tätig. Manche sind konjunkturanfälliger, andere sind sehr stabil, wie die Energieindustrie oder die Eisenbahninfrastruktur und die Flugzeugindustrie.

Funktioniert Transformation ausschließlich mit finanziellen Anreizen, wie Zuschüssen, und soll die Strompreiskompensation verlängert werden, damit Industrien nicht abwandern?

Strompreiskompensation ist eine europäische Möglichkeit, um Carbon Leakage zu vermeiden und sie ist in 14 weiteren Ländern in Europa bis zum Jahr 2030 eingeführt. In Österreich gibt es sie allerdings nur ein Jahr lang. Deshalb ist es unsere Forderung, dass die Strompreiskompensation bis zum Jahr 2030 verlängert wird.

Wie rechnen sich diese Milliardeninvestitionen?

Wir sind einerseits getrieben durch Regeln und Gesetze, um uns zu transformieren. Das geschieht in ganz Europa. Es eröffnet aber auch „grüne“ Märkte für die voestalpine. So sind wir etwa auch im Energiemarkt tätig und in vielen anderen Bereichen, in denen hochqualitative Produkte notwendig sind. Ich denke, dass grüner Stahl in Zukunft relevant sein wird und ich bin davon überzeugt, dass wir mit greentec steel auch künftig unsere hohen Produktqualitäten, für die uns unsere Kunden weltweit schätzen, beibehalten werden können.

Information

Das Gespräch fand auf Einladung der „Presse“ statt und wurde finanziell unterstützt von der Industriellenvereinigung OÖ.

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