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Expertentalk

Schwierige Zeiten für Österreichs Wirtschaft

Wie wird sich die globale Wirtschaft 2024 entwickeln? Wann kommt ein Aufschwung und wie reagieren Unternehmen in ihrer Planung? – Darüber diskutierten (v. l. n. r.) Stephan Sielaff, Heinrich Schaller und Holger Bonin unter Moderation von Birgit Brunsteiner. 
Wie wird sich die globale Wirtschaft 2024 entwickeln? Wann kommt ein Aufschwung und wie reagieren Unternehmen in ihrer Planung? – Darüber diskutierten (v. l. n. r.) Stephan Sielaff, Heinrich Schaller und Holger Bonin unter Moderation von Birgit Brunsteiner. (c) Beigestellt
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Der einzige Hoffnungsschimmer sei, dass die Erwartungen für die Zukunft zumindest nicht weiter zurückgehen. Das Schlimmste habe Österreich bereits hinter sich, sind die Experten überzeugt.

Wurde die Konjunktur zu spät und zu stark gebremst? Dieser Frage gingen Wirtschaftsexperten im Rahmen der Diskussionsreihe „Talk@Raiffeisen“ von RLB OÖ und Industriellenvereinigung OÖ nach, denn die Rahmenbedingungen für Industrieunternehmen haben sich in den vergangenen zwölf Monaten dramatisch verändert. Steigende Inflationsraten und Zinserhöhungen ließen die Konjunkturprognosen in den Keller rutschen, Österreich befindet sich in einer Rezession. Wie sich die globale Wirtschaft im kommenden Jahr entwickeln wird, erörterte Moderatorin Birgit Brunsteiner mit Holger Bonin vom Institute for Advanced Studies Vienna (IHS), Stephan Sielaff, Vorstandsvorsitzender der Lenzing AG, und Heinrich Schaller, dem Generaldirektor der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich AG.

Österreich befinde sich bereits seit Mitte des vergangenen Jahres in einer Rezession, deren Auswirkungen sich erst jetzt deutlich zeigen. Diese düstere Wahrheit stellte Wirtschaftswissenschaftler Holger Bonin an den Beginn seiner Analyse. „Das IHS ist noch optimistischer als unsere Kollegen und wir erwarten einen Rückgang des BIP von 0,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr“, prognostiziert Bonin, „Aber wir sind deutlich pessimistischer geworden.“ Die Gemengelage an Inflation, schwierigen globalen Rahmenbedingungen, dem Energiepreisschock und steigenden Zinsen sei bei Prognosen nur schwer zu beurteilen, weshalb viele Vorhersagen nach unten korrigiert werden mussten.

Lagerbestände überraschten

Die Korrektur von einem Prozentpunkt nach unten lässt sich einfach erklären: „0,2 Prozent stammen aus einer Revision der Statistik Austria, da die Arbeit der Statistiker und Modellierer schwieriger wurde. Es gibt neue Phänomene zu berücksichtigen. Das reicht zum Teil bis in das Jahr 2022 zurück. Anhand neuer Informationen hat sich gezeigt, dass wir uns bei den Prognosen für das zweite Quartal geirrt haben, denn es ist viel schlechter gelaufen als erwartet. Das macht 0,4 Prozentpunkte aus“, analysiert Bonin, „Ein wesentlicher Grund, weshalb wir uns derart geirrt haben, ist die Bewertung von Lagerbeständen.“ Dieses neue Phänomen führt der Wissenschaftler auf die Unterbrechung von Lieferketten in der Vergangenheit zurück.

Heinrich Schaller, Generaldirektor der Raiffeisenlandesbank OÖ. 
Heinrich Schaller, Generaldirektor der Raiffeisenlandesbank OÖ. 

Die gefüllten Lager werden nun abgebaut. „Das dritte Quartal ist ebenfalls schlechter gelaufen, als wir das erwartet haben“, so Bonin weiter, „Das liegt am Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Produktion, was minus 0,6 Prozentpunkte ausmacht, und insbesondere an einem Nachfragerückgang bei privatem Konsum. Es gibt eine große Unsicherheit bei den Verbrauchern.“ Diese Unsicherheit führt er auf die recht deutlichen Reallohnverluste zurück, die den Besonderheiten der Lohnverhandlungen in Österreich geschuldet sind.

Hoffnungsschimmer besteht

Bonin erkennt zudem einen deutlichen Rückgang der Wertschöpfung in der Warenproduktion und in der Bauwirtschaft. Der Einbruch der Aufträge der Industrie in Österreich sei im europäischen Vergleich bemerkenswert und die aktuellen Zahlen seien beinahe so schlecht wie in der Coronapandemie. „Auch die neuesten Daten unserer Kollegen vom Wifo, die den Konjunkturtest betreffen, zeigen, dass die meisten Unternehmen pessimistisch sind“, führt Bonin weiter aus. Einen Hoffnungsschimmer erkennt der Wirtschaftswissenschaftler in der Bauindustrie und im Dienstleistungsbereich: „Hier gehen die Erwartungen zumindest nicht weiter nach unten und es gibt eine gewisse Stabilisierung.“ Insgesamt sind das „schlechte und schlimme Werte“, urteilt der Experte.

Die Gründe verortet Bonin in der allgemein schwachen Weltkonjunktur, die sich aber vor allem in den USA durch eine verbesserte Konsumlage bereits wieder aufhellt: „Auch in China sahen wir ein starkes Wachstum, nur im Euro-Raum nicht.“ Die aufgrund der Inflationsbekämpfung gestiegenen Zinsen belasten die Bauwirtschaft und die Investitionsbereitschaft der Industrie negativ, hinzu kommen die gestiegenen Energiepreise. „Daran hängt die Debatte der Wettbewerbsfähigkeit von Europa, denn wir sehen, dass Konkurrenten wie die USA von der Energiepreisentwicklung profitieren“, erläutert Bonin, „Doch das Schlimmste hat Österreich bereits hinter sich und wir erwarten, dass der Tiefpunkt im vierten Quartal erreicht ist und es 2024 wieder Wachstum geben wird.“

Turbulenzen am Textilmarkt

Die Lenzing AG bewegt sich international auf einem schwierigen Markt. „Der Textilmarkt ist ein globaler Markt, sehr fragmentiert und komplex“, so Stephan Sielaff,

Stephan Sielaff, Vorstandsvorsitzen-der der Lenzing AG.
Stephan Sielaff, Vorstandsvorsitzen-der der Lenzing AG.

„Die Nachfrage kommt oft aus den westlichen Ländern, denn die großen Marken sitzen in Europa und den USA. Sie gehen für den Herstellungsprozess im Wesentlichen nach Asien. Wir haben es also wirklich mit einer globalen Lieferkette zu tun.“ Der aktuelle Quartalsbericht der Lenzing AG zeigt deutlich die Turbulenzen am Markt auf, wobei in erster Linie die schwache Nachfrage dem Konzern zu schaffen macht. „Wir sehen in Asien und grundsätzlich in allen Ländern, dass die Inflation die Konsumlaune nach unten drückt. Die Menschen haben weniger Geld und das wird eher in Services investiert als in Güter. Das sorgt dafür, dass der Textilumsatz in Summe rückläufig ist, auch in China. Dort sehen wir kein gutes Wachstum, sondern im Gegenteil ein Minus von vier Prozent im dritten Quartal.“ Durch die Disruption im vergangenen Jahr existierten nach wie vor extrem hohe Lagerbestände, vor allem im Retail- und Marken-Bereich, so Sielaff, die positiven Signale vom Beginn des Jahres 2023 haben sich nicht bewahrheitet und die Preise sind auf einem Rekordtief. Die gesamte Textilbranche gehe nicht von einer Erholung vor dem dritten oder vierten Quartal 2024 aus: „Für diese Durststrecke bereiten wir uns vor.“

EZB reagierte zu zögerlich

Die internationale Geldpolitik und hohe Zinsen tragen nicht unmaßgeblich zur schwierigen Lage von global agierenden Industrieunternehmen bei. „Wenn ich an Refinanzierungen in der Zukunft denke, dann ist das eine massive Belastung, die uns bei Investitionsentscheidungen und unsere Strategie beeinflussen“, so der Vorstandsvorsitzende der Lenzing AG. Für Heinrich Schaller wurde die Niedrig- bzw. Nullzinspolitik zu spät beendet: „Die Raiffeisenlandesbank muss mit der Situation umgehen und die steigenden Zinsen dürfen nicht nur negativ gesehen werden. Als es niedrige und sogar negative Zinsen gab, waren einige Marktteilnehmer überhaupt nicht damit zufrieden, nämlich jene auf der Veranlagungsseite“, erinnert sich Schaller, „Natürlich ist es derzeit für jene Gruppe, die investieren soll oder muss, wesentlich schwieriger. Dass die Investitionen zurückgehen, ist aus meiner Sicht völlig klar.“ Vor allem beim privaten Wohnbau sei die Nachfrage extrem eingebrochen, so der Bankmanager und spart nicht mit Kritik an der EZB, die seiner Meinung nach zu zögerlich bei Zinsanhebungen reagiert habe.

Die Raiffeisenlandesbank ist an etwa 300 Unternehmen beteiligt, darunter finden sich zahlreiche namhafte Industriekonzerne. „Den Unternehmen geht es über alle Branchen hinweg ähnlich, sie merken die Zurückhaltung bei Konsumgütern und wir merken in der Lebensmittelindustrie, dass ein ganz klarer Trend zu Billigprodukten besteht. Markenware wird aufgrund der hohen Preissteigerungen selten nachgefragt“, weiß Schaller aus dem täglichen Geschäft, „Bei Industrieunternehmen sind die Aufträge deutlich zurückgegangen, allerdings nicht ganz so extrem wie zu Zeiten der Finanzkrise.“ Vermutlich sei man aber bereits am Tiefpunkt angelangt.

Holger Bonin, wissenschaftlicher Direktor am Institute for Advanced Studies Vienna (IHS).
Holger Bonin, wissenschaftlicher Direktor am Institute for Advanced Studies Vienna (IHS).

Das Schlusswort ließ zumindest auf ein wenig Optimismus schließen. „Wir sollten nicht in Sack und Asche gehen, denn es gibt Gründe, weshalb wir ein bisschen optimistisch sein können“, folgert Holger Bonin. Heinrich Schaller sieht bereits ein Licht am Ende des Tunnels, wobei sich Stephan Sielaff vorsichtiger zeigt: „Ich sehe 2024 als wirklich schwieriges Jahr, auf das wir uns sehr, sehr gut vorbereiten. Wenn ich Lügen gestraft werde, dann freue ich mich.“

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Die Seite beruht auf einer Medienkooperation mit der „Presse“ und ist mit finanzieller Unterstützung der RLB OÖ und der IV OÖ entstanden. 


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