Inklusionspreis

Halbes Land fährt zur Marien-Apotheke

Apotheker Sreco Dolanc und Apothekerin sowie Eigentümerin arbeiten schon seit zehn Jahren zusammen.
Apotheker Sreco Dolanc und Apothekerin sowie Eigentümerin arbeiten schon seit zehn Jahren zusammen.Wieland
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Sieger. Der ALC-Inklusionspreis geht an die Marien-Apotheke in Wien Mariahilf.

Gehörlose und gehörbeeinträchtigte Menschen aus halb Österreich kommen nach Wien in die Marien-Apotheke von Eigentümerin Karin Simonitsch, die Apothekerin in dritter Generation ist. Die Apotheke ist im sechsten Bezirk, in der Schmalzhofgasse.  „Das Besondere an meiner Apotheke ist, dass wir uns um Menschen mit besonderen Bedürfnissen bemühen, besonders um Menschen, die nicht hören.“

Bei Simonitsch arbeitet der gehörlose Apotheker Sreco Dolanc. „Er ist der Einzige in Europa, der in einer öffentlichen Apotheke arbeitet“, sagt die Chefin. „Daher kommen mittlerweile Gehörlose aus dem Burgenland, aus Niederösterreich, sogar aus der Steiermark und manche aus Oberösterreich zu mir nach Wien in die Marien-Apotheke.“ Viele Gehörlose aus ganz Wien sowieso. „Diese Menschen nehmen auch lange Zugfahrten in Kauf, um aufgeklärt zu werden, weil es schon passiert, dass gehörlose Familien Aspirin gegen Fußpilz nehmen, weil sie nicht besser aufgeklärt wurden. Man darf das nicht unterschätzen“, betont Simonitsch.

Zufallsstart

Die Idee, einen gehörlosen Mitarbeiter einzustellen, sei mehr zufällig gewesen – und ein simpler Freundschaftsdienst, erzählt Simonitsch. „Ein Freund hatte einen gehörlosen Sohn, und seine Sorge war, dass er ein Leben lang Wurstsemmeln holt. Und ich habe gesagt, wenn er sich für die Pharmazie interessiert, es gibt einen Lehrberuf in der Apotheke, das ist die Pharmazeutisch-kaufmännische Assistenz. Dann bilde ich dir deinen Sohn aus.“ So ist das passiert.

Im Jahr 2007 hat Karin Simonitsch die Entscheidung getroffen, einen gehörlosen Lehrling auszubilden. Er war der erste österreichische PKA, Pharmazeutisch-kaufmännische Assistent, der nicht hörend war. Sechs Jahre später – somit vor zehn Jahren – ist Herr Dolanc „zu mir in die Apotheke gekommen“. Damals war der gebürtige Slowene noch Pharmazie-Stu­dent. „Drei Prüfungen hat er damals noch gebraucht, nach seiner letzten Prüfung hat er bei mir begonnen.“ Und es hat sich schnell herumgesprochen, dass es in der Marien-Apotheke einen gehörlosen Apotheker gibt.

Integriertes Team

Heute hat die Apothekerin vier Gehörlose beschäftigt. Neben ihrem Apothekerkollegen Dolanc arbeiten noch zwei Pharmazeutisch-kaufmännische Assistenten bei ihr, außerdem eine Dame, die für die Hygiene zuständig ist. Sie selbst halte diese Menschen nicht für behindert. Sie hören halt nicht, geht Simonitsch unkompliziert mit dem Thema um.

Apotheke und Labor

Apotheker Dolanc berät und serviciert aber nicht nur Gehörlose und Gehörbeeinträchtigte via Gebärdensprache. 16 Stunden in der Woche arbeitet er hinter dem Ladentisch mit einem Gebärdendolmetscher zusammen und kann sich dadurch auch Menschen ohne Hörbehinderung annehmen. „Diese 16 Stunden bekommen wir vom ­Sozialministerium bezahlt, leider nicht mehr Stunden.“ Die übrige Arbeitszeit, also 24 Wochenstunden, ist Dolanc im Labor, das er auch leitet. „Ich habe noch nie ein so gutes Labor gehabt“, meint Simonitsch voller Freude und Stolz. „Er ist ein vollwertiger Apotheker. Jedoch hat er keine Nachtdienste. Das ist leider der Wermutstropfen. Wir haben nur ein Einzelbett und können ihm schwer einen Dolmetsch ins Bett legen.“

Keine Schreierei

Mit der Eingliederung von Gehörlosen ins Team der Marien-Apotheke habe sich das Betriebsklima verändert. „Die Beschäftigung von gehörlosen Menschen war für uns bereichernd“, sagt Simonitsch. „Es gibt keine Schreierei, und das Verständnis wächst für das Gegenüber.“ Man lerne auch etwas, nämlich, den anderen wegen der Gebärdensprache oder wegen der Verdolmetschung genau zu beobachten. Denn so bekomme man sehr viele Emotionen mit, auch wenn man sich nicht verstehen kann, erzählt Karin Simonitsch.


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