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Expertentalk

Im Wohnbau stehen wir vor einer Zeitenwende

Architekt Mark Neuner (Mostlikely Architecture) und Vorstandsdirektor Thomas Drozda (ARWAG Holding AG) diskutierten mit Eva Komarek (Styria Media Group), wie der leistbare Wohnbau in Wien wieder stärker angekurbelt werden kann.  
Architekt Mark Neuner (Mostlikely Architecture) und Vorstandsdirektor Thomas Drozda (ARWAG Holding AG) diskutierten mit Eva Komarek (Styria Media Group), wie der leistbare Wohnbau in Wien wieder stärker angekurbelt werden kann.  Guenther Peroutka
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Um trotz steigender Bau- und Grundstückspreise, wachsender Energiekosten und hoher Inflation leistbaren Wohnraum zu schaffen, bedarf es beschleunigter Bewilligungsverfahren und optimierter Förderungen.

International gilt Österreich, insbesondere Wien, als Musterbeispiel für leistbares Wohnen. Aber wie lange noch, denn auch hierzulande ist der geförderte Wohnbau rückläufig. Provokant lautete das Motto des Expertentalks daher: „Leistbares Wohnen als Problemkind?“ Eva Komarek, General Editor for Trend Topics der Styria Media Group, begrüßte als Gesprächsleiterin Thomas Drozda, Vorstandsdirektor der ARWAG Holding AG, ein Unternehmen der Wien Holding GmbH, und Mark Neuner, Architekt sowie Gründer von Mostlikely Architecture. „Die internationale Wahrnehmung hat ihre Berechtigung“, sagte Drozda. „In vielen anderen europäischen Städten ist sozialer Wohnbau kein positiv besetzter Begriff, sondern eher ein Synonym für Ghettobildung. Der Stadt Wien ist es hingegen gelungen, eine intelligente Form des sozialen Wohnbaus zu pflegen – mit einer guten sozialen Durchmischung.“ Allerdings gibt es aufgrund der hohen Inflation und Energiepreise für die Immobilienentwickler einen schmerzhaft spürbaren Anstieg in der Kosten- und Preisentwicklung. „Vor rund acht Jahren hatten wir im mehrgeschoßigen Wohnbau Quadratmeterdurchschnittskosten von 1300 bis 1500 Euro. Aktuell liegen wir bei 2500 bis über 3000 Euro pro Quadratmeter“, erklärte der ARWAG-Vorstand. Schon alleine aus Refinanzierungsperspektive ist nachvollziehbar, dass dieser Preisanstieg auch zu höheren Mieten führt, bzw. höherer Inanspruchnahme der Förderungen. Drozda hob lobend hervor, dass die Stadt Wien die Förderungen ausweitet. Es bedarf aber noch deutlich mehr und effektiverer Förderungen, um nachhaltige Projekte zu realisieren. So ist zum Beispiel die Integration einer klimafreundlichen Heizung um ein Vielfaches teurer als eine herkömmliche Gasheizung. „Unter Kostendruck kann man nur versuchen, Förderungen anzusprechen“, sagte Drozda. „Das ist der Weg, den man weitergehen muss, wenn man will, dass die Dekarbonisierung gelingt.“ Es braucht also effektivere Anreize.

Mark Neuner
Mark NeunerGuenther Peroutka

»„Die ökologische Zertifizierung gehört zu den wichtigsten Punkten im Wohnbau, damit wir das, was heute gebaut wird, auch wirklich für die Zukunft bauen.“«

Mark Neuner

Architekt und Gründer von Mostlikely Architecture

Gesamtkosten beachten

Mit dem Energiethema wird zunehmend die Frage der Leistbarkeit in Frage gestellt. Die Quadratmeterpreise steigen zwar an, dafür kann durch Energieeffizienz bei den Energiekosten deutlich eingespart werden. „Die Wohnkosten haben sich aufgrund der Energiekrise teilweise verdoppelt. Die Gesamtbelastung des Haushalts ist durch die Energiepreissituation nach oben gegangen. Das war auch der Grund, warum wir gesagt haben, wir wollen die Energie selbst produzieren und zu fairen Bedingungen, die mit Kosten und nicht mit Merit-Order zu tun haben“, meinte der ARWAG-Vorstand. „So kann man Leistbarkeit sicherstellen.“ Nicht nur der geförderte Wohnbau geht zurück – auch frei finanzierte Wohnbauprojekte sind rückläufig. Das spürt auch Architekt Neuner: „Viele Projekte, die heuer kurz vor dem Baustart standen, wurden aufgrund der stark angestiegenen Zinsen auf die lange Bank geschoben. Die Preise sind schwer zu kalkulieren. Wir stehen vor einer Zeitenwende im Bau“, ist der Experte überzeugt. „Die letzten 20 Jahre waren bei den Preissteigerungen sehr gemächlich. Auch Baumaterialien waren sehr preisstabil.“ Aber nun sorgen Inflation, Energiekrise und selbstverständlich auch der zunehmende Ressourcenmangel dafür, dass die Preise unaufhaltsam in die Höhe klettern. „Als Planer, Architekt, Bauträger usw. blickt man weit in die Zukunft und benötigt Sicherheit, um kostenintensive Projekte umzusetzen“, betonte Neuner. „Es findet im Wohnbau ein Umdenken statt und es zeigen sich erste Trends, in welche Richtung es beim Bauen gehen kann.“

Einer dieser Trends ist das Belassen der alten Bausubstanz. Es wird weniger abgerissen. „Wir haben ein enormes Potenzial im Sinne des Urban Mining“, so der Architekt. Die einzelnen Projekte beachten auch immer stärker die Folgekosten. Diesen Trend begrüßt auch Drozda. „Der Sektor Bauwirtschaft ist für rund 40 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. Da ist es vernünftig, dass man nicht mehr mit der großen Stahlkugel kommt, um etwas wegzureißen, sondern Gebäude weiterentwickelt und der Umgang mit Baumaterialien eine immer wichtigere Bedeutung einnimmt.“ Alle Player der Bauwirtschaft sind zu einem vernünftigen Umgang angehalten.

Thomas Drozda
Thomas DrozdaGuenther Peroutka

»„Ich wünsche mir schnellere Verfahren, etwa durch Verfahrenskonzentrationen und vor allem, und da ist die Politik stark gefordert, Zuschüsse, die auch wirklich den Namen verdienen.“«

Thomas Drozda

Vorstandsdirektor der ARWAG Holding-AG

Auch Wohnformen ändern sich. Der Wohnbau ist gut beraten, dieser Entwicklung gerecht zu werden. „Aktuell werden bevorzugt kleinere Wohneinheiten gebaut“, sagte Neuner. „Das ist kostenreduzierend, weil die Miete meist auf Quadratmeter berechnet wird.“ Entscheidend ist, dass man auch auf kleiner geschnittenen Wohnungen ein qualitativ hochwertiges Wohnerlebnis haben kann. „Es gibt mehr Gemeinschaftsräume und die Digitalisierung unterstützt bei der vereinfachten und schnelleren Organisation, wodurch diese Konzepte vermehrt angenommen werden.“

Im Planungsbereich hat sich die Digitalisierung gut etabliert. Umso überraschter ist Neuner, dass die Umsetzung von Bauprojekten noch immer zu einem Großteil sehr klassisch über die Bühne geht. „Da wird sich in den nächsten 15 Jahren noch einiges tun und wir werden anders bauen als heute“, ist der Architekt überzeugt. „Damit sinken auch die Kosten.“

Nachfrage bedienen

Neben dem Gebäude ist die Attraktivität des Umfeldes ausschlaggebend. Bei der ARWAG bezeichnet man die optimale Grätzel-Entwicklung als „15-Minuten-Stadt“, in der man alle Dinge des täglichen Bedarfs innerhalb einer Viertelstunde zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen kann. „Die Grätzel-Lebensqualität hängt nicht nur vom Wohnraum ab, sondern auch vom gesamten Umfeld, in dem man sich bewegt“, meinte Drozda und bezeichnete etwa die großzügigen und begrünten Gemeindebauhöfe als „Shining Examples“. Aber auch die optimale soziale Durchmischung ist ein Teil der Erfolgsstory. Um Ghettobildungen zu vermeiden, eignet sich die soziale Durchmischung. „Auf den richtigen Mix kommt’s an“, so Drozda.

Das große Problem ist, dass die Nachfrage nach Wohnraum deutlich höher ist als das Angebot. Die Nachfrage muss stärker bedient werden, aber das klappt nur, wenn die Budgets zur Verfügung stehen und es beschleunigte Verfahren gibt, die vom Ankauf eines Grundstücks, über die Bewilligung bis zur Fertigstellung des Gebäudes innerhalb von fünf Jahren abgeschlossen sind.

Wien Holding im Immobilienbereich

Im Immobilienbereich hat die Wien Holding aktuell rund 15 große Immobilienprojekte laufen oder in Planung. Vielfach werden diese Projekte gemeinsam mit Partnern außerhalb und innerhalb der Stadt-verwaltung realisiert. Dazu zählen z. B. die Offensive für die Bildungsbauten der WIP oder die Entwicklung des Areals Kurparkstraße in Oberlaa. Der Konzern ist aber auch an Projekten wie der Therme Wien beteiligt.

Eines ist für alle Immobilienprojekte ganz besonders entscheidend: Die Immobilienentwicklung durch die Wien Holding erfolgt immer unter dem Gesichtspunkt, das Umfeld und ganze Stadtteile aufzuwerten. Ein besonders gutes Beispiel für diese Strategie ist der Neubau der Messe Wien, durch den der ganze zweite Bezirk eine enorme Aufwertung erfahren hat. Nach demselben Muster geht der Konzern an alle seine Immobilienprojekte heran, egal, ob es sich um Büro- und Gewerbeimmobilien oder den Wohnbau mit der GESIBA und der ARWAG handelt. Beide Unternehmen zusammen errichten pro Jahr rund 1500 neue Wohnungen für ein lebenswertes Wien und zählen zu den großen und besonders dynamischen Wohnbauträgern in Wien.

Information

Der Expertentalk „Leistbares Wohnen als Problemkind?“ ist eine Kooperation von „Die Presse“ und Wien Holding. Mit finanzieller Unterstützung.


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