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Branchengespräch

Wien Energie: Aus für Gas. Und jetzt?

Michael Aumer, Abteilungsleiter für Energieeffizienz und Wärme im BMK, Agnes Zauner, Geschäftsführerin von Global 2000, Teresa Schubert vom AIT Austrian Institute of Technology und Michael Strebl, Vorsitzender der Wien-Energie-Geschäftsführung (v. l. n. r.) diskutierten über die Möglichkeiten für die Energiewende.
Michael Aumer, Abteilungsleiter für Energieeffizienz und Wärme im BMK, Agnes Zauner, Geschäftsführerin von Global 2000, Teresa Schubert vom AIT Austrian Institute of Technology und Michael Strebl, Vorsitzender der Wien-Energie-Geschäftsführung (v. l. n. r.) diskutierten über die Möglichkeiten für die Energiewende. Roland Rudolph
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Um die Energiewende zu schaffen, bedarf es vor allem einer Umstellung von hunderttausenden Heizungen im ganzen Land, viele davon in Wien. Wie das erreicht werden kann, erörterten Experten im „Die Presse“-Talk.

Das Jahr 2023 könnte das wärmste Jahr werden, seit es Temperaturaufzeichnungen gibt. Der Klimawandel ist weltweit spürbar, doch es gibt noch Möglichkeiten, diese Entwicklung zu bremsen. Um die Klimaneutralität zu erreichen, ist es unabdingbar, die CO2-Emissionen zu verringern und aus dem Verbrauch von Erdgas auszusteigen. Das stellt sowohl die Industrie, als auch private Haushalte besonders in den Ballungsräumen vor große Herausforderungen. Michael Köttritsch, „Die Presse“, diskutierte mit Teresa Schubert vom AIT Austrian Institute of Technology, Agnes Zauner, Geschäftsführerin von Global 2000, Michael Aumer, Abteilungsleiter für Energieeffizienz und Wärme im BMK, und Michael Strebl, Vorsitzender der Wien-Energie-Geschäftsführung, die brisante Thematik: „Aus für Gas. Und jetzt?“

Wege aus der Energiekrise

Michael Strebl, Vorsitzender der Wien-Energie-Geschäftsführung, ortet bloß zwei Wege aus der Energiekrise. „Kurzfristig geht es uns darum, die Kunden preislich zu entlasten, denn wir haben gesehen, welche Preissprünge bei fossilen Energieträgern möglich sind. Langfristig ist es wichtig, die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu beenden“, so Strebl.

Wien Energie hat ein Entlastungspaket geschnürt, um den Kunden bei den Kosten für Strom, Gas und Fernwärme preislich entgegenzukommen. Das entsprach einem Umfang von 460 Millionen Euro, wovon 194 Millionen Euro auf Strom- und Gaspreisreduktionen entfielen, 50 Millionen auf einen Grundkostenrabatt von Fernwärmekunden in der vergangenen, und nochmals 86 Millionen in der aktuellen Heizperiode. Vor wenigen Wochen wurde das dritte Entlastungspaket mit 120 Mio. präsentiert, das im Dezember in den zuständigen Gremien beschlossen werden soll.

Ein besonderes Augenmerkt bei der Entlastung wurde auf die Unterstützung von sozialen Härtefällen gelegt. Energiegutscheine im Wert von zehn Millionen Euro kommen Menschen in Notlagen zugute, so Strebl. Umgesetzt wurde das Entlastungspaket gemeinsam mit der Caritas, der Volkshilfe und dem Wiener Roten Kreuz. All jenen, die ihre Rechnungen derzeit nicht bezahlen können, verspricht Wien Energie einen Abschaltverzicht vom 1. Dezember bis zum 31. März 2024.

Senken des Energiebedarfs

Eine Frage, die weltweit Experten beschäftigt, ist, wie die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern beendet werden kann. Eine aktuelle Studie zeige, dass das möglich ist, erläutert der Wien-Energie-Manager: „Der Wärmebedarf in Wien beträgt 15 Terrawattstunden. Es muss der gesamte Energiebedarf sinken, denn es wird nicht gelingen, unser System auf erneuerbare Energieträger umzustellen, wenn wir bei dem heutigen Energieverbrauch bleiben. Reduktion und Energieeffizienz ist das Gebot der Stunde.“ Energieeffizienz sei vor allem im Wärmebereich möglich und bei der individuellen Mobilität. Hier ist die Antwort der Ausbau des öffentlichen Verkehrs und der Elektromobilität, so Strebl. Flankierende Maßnahmen seien jedoch genauso wichtig wie das Einsparen von Energie.

„Derzeit beträgt in Wien der Verbrauch etwa sechs Terrawattstunden an Fernwärme, sieben Terrawattstunden werden durch Erdgas und sonstige Energieträger wie Heizöl und Biomasse gedeckt, Stromheizungen verbrauchen rund 2,4 Terrawattstunden. Der große Block an verbrauchtem Erdgas wird sich bis zum Jahr 2030 auf fünf Terrawattstunden reduzieren und im Jahr 2040 gegen Null gehen“, rechnet Strebl vor.

Gelingen soll die Reduktion beim Verbrauch von Erdgas durch andere, umweltfreundliche und CO2-neutrale Energieträger: „Wir erwarten einen deutlichen Ausbau der Fernwärme von sechs auf 7,8 Terrawattstunden bis zum Jahr 2040. Derzeit beträgt der Marktanteil der Fernwärme in Wien etwa 43 Prozent. Er soll sich auf mehr als 60 Prozent erhöhen. Dabei spielt auch die Dekarbonisierung der Fernwärme eine wichtige Rolle.“ In Zukunft soll ein Viertel der Fernwärme aus Müllverbrennungsanlagen und Abwärme stammen, etwas mehr als 25 Prozent jeweils aus Großwärmepumpen, Geothermieanlagen und der verbleibende Rest aus Kraft-Wärme-Kopplung, die allerdings nicht mehr auf der Basis von Erdgas betrieben werden sollen, sondern mit Wasserstoff und anderen grünen Gasen. „Es ist eine Herkulesaufgabe für Wien Energie, die CO2-Neutralität bis 2040 herzustellen“, unterstreicht Strebl.

Dass die „Heizungswende“ vor allem Wien vor große Herausforderungen stellt, bekräftigt auch Michael Aumer, Abteilungsleiter für Energieeffizienz und Wärme im Bundesministerium für Klimaschutz: „Es gibt in Österreich etwa 1,9 Millionen fossile Heizungen. Die gilt es, bis zum Jahr 2040 umzustellen. Um das zu erreichen, müssen rund 100.000 Anlagen pro Jahr ausgetauscht werden. In Wien betrifft das zwischen 500.000 und 600.000 fossile Heizungsanlagen. Das zeigt die quantitative Bedeutung der Umstellung in Wien im Vergleich zu ganz Österreich.“ Im urbanen Ballungsraum, wo weniger Platz vorhanden ist als in den Flächenbundesländern, stellen sich besondere technologische Herausforderungen. „Die infrastrukturellen Voraussetzungen sind gänzlich anders“, attestiert Aumer. „Aufgrund der Anzahl der Heizungen ist deren Umstellung grundlegend für den Erfolg im ganzen Land.“

Technologien für die Stadt

Die Technologie für den Ausstieg aus fossilen Heizsystemen ist vorhanden, weiß Teresa Schubert vom AIT Austrian Institute of Technology. Durch die hohe Bevölkerungsdichte in der Großstadt kann man Lösungen, die am Land gut funktionieren, aber nicht 1:1 übernehmen: „Die Energiebedarfe sind sehr hoch, also brauchen wir Quellen, die große Leistungen und Energiemengen auf kleiner Fläche bereitstellen können. Zudem ist der Gebäudestandard in Wien sehr unterschiedlich. Es gibt viele Gründerzeithäuser mit Gasetagenheizungen bis hin zu modernen Wohnbauten in Passivhaus-Ausführungen wie in der Seestadt Aspern. Es braucht also unterschiedliche technologische Lösungen.“

Dafür existieren bereits Technologien und es dürfe nicht auf weitere Fortschritte gewartet werden, sondern die Umsetzung muss jetzt erfolgen, mahnt die Expertin vom AIT. „Im Einfamilienhaus sind Wärmepumpenlösungen und im Wohnbau zentralisierte Wärmepumpen gute Alternativen“, meint Schubert. „Es gibt aber noch Forschungsbedarf, vor allem im Bereich der Energiespeicher. Geothermie kann bei der Fernwärme große Wärmemengen bereitstellen. Es stellt sich aber die Frage, wie wir die Wärme vom Sommer in den Winter bekommen. Deshalb ist die saisonale Wärmespeicherung eine wesentliche Forschungsfrage.“

Das unterstreicht Agnes Zauner, Geschäftsführerin von Global 2000, doch sie bedauert, dass die Regierung bisher kein Erneuerbare-Wärme-Gesetz vorgelegt hat. Das liege daran, dass die politische Diskussion anders verlaufen ist als gedacht. „Die Regierungsvorlage sieht sehr viel Geld für den Kesseltausch bis 2027 vor. Diese beiden Milliarden könnten um eine weitere aufgestockt werden und es gibt zweihundert Millionen, die speziell für Sanierungen zur Verfügung stehen“, weiß Aumer. „Zusätzlich wird es für einkommensschwache Haushalte einen großen Betrag, nämlich 1,6 Milliarden bis 2030 geben.“  Von der COP28 in Dubai erwartet sich Zauner kaum internationalen Rückenwind, sondern bloß eine Menge Greenwashing: „Die Konferenz findet in einer Region statt, in der sehr viel Öl gefördert wird und auf der Konferenz sollen auch Öldeals abgeschlossen werden. Das ist ein herber Rückschlag in der internationalen Klimapolitik. Wir erwarten uns dennoch, dass die Staatsoberhäupter ihre Versprechen, so auch das Pariser Klimaabkommen, einhalten. Es soll dort auch eine Inventur der Klimapläne stattfinden, in denen es aber schlecht aussieht. Bis zum Jahr 2030 werden bereits 87 Prozent jenes CO2-Budgets aufgebraucht sein, das die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzen könnte. Wir dürfen also nicht bloß über die nächsten Klimapläne beraten, alle Regierungen, auch die österreichische, müssen viel stärkere und effektive Sofortmaßnahmen treffen.“

Information

Die Podiumsdiskussion zum Thema „Aus für Gas. Und jetzt?“ fand in Kooperation mit „Die Presse“ statt und wurde finanziell von der Wien Energie unterstützt.


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