Culture Clash

Bitterkeit, Wut, Zorn

Es ist besser, in Güte von jeder Hetze abzulassen, als sie gegen die zu richten, die man als Hetzer ausgemacht hat. (Könnte von Goethe sein, ist es aber nicht.)

Seit einigen Jahren ist es auf Facebook üblich geworden, mehr oder minder banale Merksätze zu posten und darunter recht beliebig den Namen einer bekannten Persönlichkeit zu setzen, um der Sache mehr Gewicht zu verleihen. Viele meiner Facebook-Freunde posten solcherlei unbekümmert weiter, offenbar ohne sich viel Gedanken zu machen, dass eine schlichte Unternehmenstrainerweisheit wie „Erfolg hat drei Buchstaben: Tun“ einfach nicht zu Goethe passt (und dass es zu dessen Zeit vier bis fünf Buchstaben gewesen wären).

Heute will ich hier auch so eine Sentenz posten, und auch ihre Zuschreibung ist unsicher. Ich halte sie allerdings keineswegs für banal (aber wer hält das schon von dem, was er so postuliert?), und der Grund ist aktuell: unsere mediale (und auch sozialmediale) Bezichtigungskultur am Beispiel der Journalistin Alexandra Föderl-Schmid. Wie sie nach Auftauchen von Plagiatsvorwürfen gehetzt wurde („Endlich hat es eine von den Hetzerinnen selbst erwischt!“), und wie jetzt manche gegen die Plagiatsjäger hetzen und daraufhin von anderen wieder aufs Schärfste verurteilt werden.

Über Letztere könnte ich jetzt herziehen und dann erleben, dass mir jemand schreibt, ich sei aus dem letzten Loch hervorgekrochen, um gegen die Hetzer der Hetzer zu hetzen. Und so weiter. Stattdessen will ich endlich meinen Satz anbringen, der im sogenannten Brief von Paulus an die Gemeinde von Ephesus steht: „Über eure Lippen komme kein böses Wort, sondern nur ein gutes, das den, der es braucht, auferbaut und denen, die es hören, Nutzen bringt! (…) Jede Art von Bitterkeit und Wut und Zorn und Geschrei und Lästerung mit allem Bösen verbannt aus eurer Mitte! Seid gütig zueinander, seid barmherzig, vergebt einander, wie auch Gott euch in Christus vergeben hat.“

Man muss an das zuletzt Genannte nicht glauben, um doch zu wissen, dass es immer einen braucht, der mit dem Guten anfängt (es eben einfach zu thuen, wie Goethe gesagt hätte), damit andere es auch können. Dass es daher auch für Journalisten und schon gar für den gemeinen Poster Sinn hat, mit Bitterkeit, Wut, Zorn und Geschrei aufzuhören – auch wenn das weder mediale Quotenheuler garantiert, noch virale Sensationserfolge, ja nicht einmal ein höheres Ansehen (auch den ersten Bischof von Ephesus hat es nicht vor dem Märtyrertod bewahrt). Ich halte es tatsächlich für wichtiger, von jeder Hetze abzulassen, statt sie gegen die Hetzer zu richten. Denn je mehr das, was wir normalen Leute tun, sich von dem unterscheidet, was ein Hetzer tut, desto mehr steht er im Abseits.

Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“ und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.

meinung@diepresse.com
www.diepresse.com/cultureclash

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