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12 Minutes Europe

Europa muss seine Hausaufgaben erledigen

Harald Mahrer, Präsident Wirtschaftskammer Österreich, forderte Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit.
Harald Mahrer, Präsident Wirtschaftskammer Österreich, forderte Maßnahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit.Mirjam Reither
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Symposium. Premiere für das WKÖ-Wirtschaftssymposium „12 Minutes Europe – Meeting Global Challenges“, bei dem hochkarätige Speaker aufzeigten, was Europa braucht, um im globalen Wettbewerb zu bestehen.

Auf der EU-Flagge strahlen zwölf Sterne für die Mitgliedstaaten. Davon ließ sich die Wirtschaftskammer Österreich inspirieren und lud zum ersten WKÖ-Wirtschaftssymposium „12 Minutes Europe – Meeting Global Challenges“. Dem Publikum wurde ein umfangreiches Programm präsentiert, das sich in drei große Themenblöcke teilte: Europäische Wettbewerbsfähigkeit, Energiezukunft & Finanzierung sowie Innovation & Arbeit. Im Mittelpunkt der Veranstaltung standen zwölfminütige Impulsreferate von hochrangigen Expertinnen und Experten. Abgerundet wurden die einzelnen Themenblöcke mit spannenden Diskussionspanels.

In seiner Begrüßungsrede betonte Harald Mahrer, Präsident Wirtschaftskammer Österreich, dass wir in Europa nicht auf einer Insel der Seligen wohnen, sondern eingebettet sind in einen Wettbewerb der besten Ideen und Köpfe rund um den Globus. „Wir dürfen uns nicht nur auf die Supermächte USA und China konzentrieren, sondern müssen auch die aufstrebenden Nationen im Blick behalten, die Europa den Platz streitig machen.“ Gleichzeitig zeigte Mahrer die Stärken von Europa auf. „Theoretisch ist Europa ein gigantisches ‚Powerhouse‘, aber in der Praxis gibt es zu viel Regulierung und eine Fokussierung auf zu viel Klein-Klein und zu viel Kontrolle. All das bremst den Wirtschaftsmotor in Europa.“ Die europäischen Länder müssen aktiv mitwirken, um die Zukunft des Kontinents positiv zu beeinflussen. Ganz nach dem Leitsatz: „Es muss zuerst erarbeitet werden, was nachher verteilt werden soll.“ „Wir wollen einen zukunftsorientierten Weg einschlagen – einen, der mehr Entlastung als Belastung bringt.“ Das Freisetzen neuer Innovationskraft habe Europa in der Vergangenheit immer ausgemacht und müsse auch jetzt stärker unterstützt werden, damit es nicht eines Tages statt Industriestandort Europa heißt: Industrie stand dort. 

Unterschiedliche Blickwinkel

Europa steht am Scheideweg und droht von anderen Kontinenten überholt zu werden. Nouriel Roubini ist einer der international renommiertesten Ökonomen und Professor an der NYU Stern (New York University Stern School of Business). In seiner Keynote stellte er die multiplen Krisen und deren wirtschaftliche Bedeutung für Europa vor. Sein Buch „Megathreats“ – zu deutsch „Megabedrohungen“ – avancierte zum Bestseller. Darin weist er darauf hin, dass wir nicht nur mit wirtschaftlichen, monetären und finanziellen Risiken konfrontiert sind. „Wir haben heute auch mit sozialen, politischen, geopolitischen, demografischen, technologischen, ökologischen und gesundheitlichen Risiken zu kämpfen und diese nicht-wirtschaftlichen Risiken stehen in komplexer Wechselwirkung mit den wirtschaftlichen Risiken, die wir dringend angehen müssen.“ Vor allem seit der Coronapandemie habe sich einiges verändert. Man denke nur an die niedrige Inflation vor Covid-19. „Heute besteht aufgrund einer Reihe negativer gesamtwirtschaftlicher Schocks die Gefahr einer Stagflation, wie wir sie in den 1970er Jahren mit geringem Wirtschaftswachstum, höheren Produktionskosten und hoher Inflation hatten“, so der Star-Ökonom.

Roubini, bekannt für seine düsteren Zukunftsprognosen, warnte vor einer Reihe von wirtschaftlichen Bedrohungen. Eine davon könnte von der US-Wahl ausgehen. „Je nachdem, ob Biden oder Trump gewählt wird, werden die Außenpolitik und die Wirtschaftspolitik gegenüber Europa und dem Rest der Welt anders aussehen.“ So habe Trump z. B. schon angekündigt, sollte er gewählt werden, dass er hohe Zölle auf alle Importe erheben werde.

Ein weitaus positiveres Bild von Europas Wettbewerbsfähigkeit zeichnete Kersti Kaljulaid, ehemalige Präsidentin der Republik Estland, in ihrem Vortrag zum Thema „Balancing Act: Europe’s Competitiveness in the Green Transition Era amidst Financial and Geopolitical Complexities“. „Europa war das erste Land, das die grüne Blase geschaffen hat. Trotz starkem Gegenwind haben wir nicht aufgegeben. Ich habe sogar den Eindruck, dass die Erzeugerländer weitaus besorgter über Veränderungen durch den Kampf gegen den Klimawandel sind als die Verbraucherländer.“ Sie ist überzeugt, dass in Europa eine echte Energiesicherheit nur mit der Green Transition möglich wird. „Bei einem solchen Wandel sind die Firstmover immer die Gewinner, während die Nachzügler zahlen.“ Weniger gut läuft es bei den digitalen Ausgaben – hier wäre die USA deutlich voraus und Europa müsse aufholen. Aber selbst hier zeigte sie sich optimistisch, dass Europa an Geschwindigkeit zulegen werde.

Raus aus Abhängigkeiten

Karl-Theodor zu Guttenberg, ehemaliger Bundesminister von Deutschland, fokussierte in seiner Keynote auf Europas Weg aus den globalen Abhängigkeiten. Es sind vor allem drei Abhängigkeiten, die an vorderster Front stehen: Energieabhängigkeit, Exportabhängigkeit und Sicherheitsabhängigkeit. Daneben sieht Guttenberg aber noch zahlreiche weitere Abhängigkeiten, die Beachtung benötigen. „Wie etwa die Rohstoffabhängigkeit. Wenn man von der Energiewende spricht, muss man auch über eine Rohstoffwende reden.“ Von großer Bedeutung ist für den ehemaligen Politiker auch die Technologieabghängigkeit. „Bei der Wettbewerbsfähigkeit kommt es auf zehn Spitzentechnologien an. Europa ist nur in zwei davon führend: Wertstoffe der nächsten Generation und saubere Technologien. Das ist hübsch, aber hübsch reicht nicht.“ Besonders groß zeige sich die Kluft bei der Investition in künstliche Intelligenz. 2023 investierte Europa 1,7 Milliarden Euro, die USA hingegen rund 23 Milliarden Euro. Eine regelrechte Veränderung der Mentalität forderte Guttenberg beim Thema Investitionen und Kapital. „Es wird eine Vervielfachung der Investitionen in Innovation benötigen. Vor allem in der vorkommerziellen Phase und hier müssen wir die Risikoscheue abgelegen.“

WKÖ-Generalsekretär Karlheinz Kopf leitete den Themenbereich „Energiezukunft & Finanzierung“ ein, in dem aufgezeigt wurde, woher in Zukunft unsere Energie kommt und wie wir einen effizienten Kapitalmarkt sicherstellen. „Wir sind mit vielen Unsicherheiten konfrontiert. Zum Beispiel bei der preislichen Entwicklung. Die Stromkosten sind in Europa ungleich höher als in China und den USA.“

Mehr Investitionen

Um die Ziele Versorgungssicherheit und Klimaneutralität zu erreichen, bedarf es großer Investitionen. Laut Rechnung der EU-Kommission beträgt das Investitionsvolumen der EU von 2031 bis 2050 jährlich rund 660 Milliarden Euro, das entspricht über drei Prozent des EU-BIP. Hinzu kommen finanzielle Herausforderungen, die sich aus dem Bereich der Forschung und Entwicklung in Bezug auf Energieversorgung ergeben. „Man kann nicht mit business as usual weitermachen. Es braucht neue Technologien, neue Formen der Energiegewinnung, -verteilung und -speicherung als auch bei steigendem Energiebedarf anwendungsadäquate Alternativen.“ 

Um all das finanzieren zu können, wird es ohne Mobilisierung privaten Kapitals nicht gehen. „Es braucht einen Kapitalmarkt, auf den Österreich derzeit leider nicht ausgerichtet und vorbereitet ist. Außerdem muss in Anbetracht des steigenden Bedarfs an Energie die Frage der Verhältnismäßigkeit in Bezug auf Geschwindigkeit, soziale Verträglichkeit und Standortattraktivität unserer klimapolitischen Pläne und Ziele gestellt werden“, so Kopf.

Information

Das WKÖ-Wirtschaftssymposium „12 Minutes Europe – Meeting Global Challenges“ ist eine Kooperation von der „Presse“ und der Wirtschaftskammer Österreich. Mit finanzieller Unterstützung.


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