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Diskussion

Der weite Weg zum leistbaren Wohneigentum

Erste-Bank-Vorstandsvorsitzender Willi Cernko und Bundesminister Martin Kocher unterhielten sich im Fernsehstudio der „Presse“ über die möglichen Wege, um in Österreich mehr Wohnungseigentum zu schaffen.
Erste-Bank-Vorstandsvorsitzender Willi Cernko und Bundesminister Martin Kocher unterhielten sich im Fernsehstudio der „Presse“ über die möglichen Wege, um in Österreich mehr Wohnungseigentum zu schaffen.Mirjam Reither
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Mieten oder kaufen. Wohnen ist ein Grundbedürfnis und Österreich ein Land der Mieter. Wie kann es dennoch gelingen, die Schaffung von Wohneigentum, wie vom Bundeskanzler angestrebt, zu fördern?

Die Mieten steigen ins Unermessliche, in Städten ist Wohnungseigentum kaum noch leistbar. Am Land veröden Dorfzentren, während an den Rändern neu gebaut und Boden versiegelt wird. Deshalb ist leistbares Wohnen aktuell ein soziales, politisches, gesellschaftliches und volkswirtschaftliches Thema. Welchen Beitrag können Politik und Banken zu erschwinglichem Wohnraum leisten? Es diskutierten Willi Cernko, Vorstandsvorsitzender der Erste Group, und Martin Kocher, Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft, mit Jeannine Hierländer, „Die Presse“.

Österreich ist ein Land der Mieter, etwa die Hälfte der Bevölkerung verfügt über keine eigenen vier Wände. Ein Blick über die Grenzen zeigt, dass es anders geht: In der Tschechischen Republik etwa leben 78 Prozent der Menschen in ihrer eigenen Wohnung oder im eigenen Haus, in der Slowakei, in Ungarn, Rumänien und Kroatien sind es jeweils mehr als 90 Prozent. Die im Vergleich niedrige Eigentumsquote in Österreich ist das Ergebnis der Entwicklung über viele, viele Jahre und Jahrzehnte, erläutert Willi Cernko. „Es ist das Ergebnis einer langen, historischen Entwicklung, wobei es natürlich auch um steuerliche Aspekte geht“, ergänzt Martin Kocher, „Es gab in Österreich immer leistbare Möglichkeiten zur Miete. Das hat alles Vor- und Nachteile. Allerdings verfügt Eigentum über einen Wert, es dient zur Vorsorge und hat einen Freiheitsaspekt.“

Eigentumsanteil steigern

Dabei wäre der Wunsch bei den Menschen nach Wohneigentum groß. Dem will auch Bundeskanzler Nehammer Rechnung tragen, so Kocher: „Wir verfügen über eine Eigenheimquote von nur 48 Prozent. Im Plan von Bundeskanzler Nehammer ist das Ziel festgeschrieben, bis zum Jahr 2030 einen Eigentumsanteil von 60 Prozent zu erreichen. Das ist ein gutes Ziel und wir müssen überlegen, wie wir Menschen dabei unterstützen können, leichter Eigentum zu erwerben. Das ist natürlich auch eine bessere Absicherung für das Alter. Das soll aber kein Programm gegen das Mieten oder gegen Mietverhältnisse sein.“

Um das angestrebte Ziel zu erreichen, muss die Politik an vielen Stellschrauben drehen, ist Cernko überzeugt, das derzeitige Wohnbaupaket, für das der Nationalrat Ende März grünes Licht gab, be­inhalte bereits sehr viele richtige Antworten und Initiativen. „Es geht darum, jungen, aber auch älteren Menschen eine ihnen gerechte Wohnsituation zu ermöglichen. Wenn es darum geht, schrittweise Eigentum aufzubauen, müssen Möglichkeiten gefunden werden, das zu unterstützen. Das kann in vielfältiger Weise geschehen“, meint Cernko. Dazu gehöre das Drehen an der Gebührenschraube, die Gewährung von Bar-Zuschüssen, um Fremdfinanzierungen leistbarer zu gestalten und es könne steuerliche Anreize beinhalten. Cernko: „Der Staat hat es in der Hand, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es jungen Menschen ermöglichen, diesen Traum zu verwirklichen. Viele Menschen haben heute den Eindruck, dass Wohneigentum nicht leistbar ist. Wir müssen den Menschen eine positive Perspektive bieten, dass das zu schaffen ist. Hier gibt es keine falschen Antworten, sondern nur richtige. Wir müssen lernen, welche Maßnahmen gut funktionieren. Es geht darum, Initiativen zu setzen.“

Banker Cernko ortet bei jungen Menschen keinen Unwillen zum Aufbau eines Eigenheims und dem dafür meist nötigen Verzicht, wie auf Urlaube oder ein neues Auto. Es fehlen eher die Anreize. „Es geht darum, junge Menschen zu motivieren, dass sie versuchen, über ihr gesamtes Leben hinweg zu blicken. Es geht darum, für später Reserven zu haben. Wenn wir heute aus dem aktiven Berufsleben aussteigen, reduzieren sich die Bezüge um bis zu zwei Drittel. Wenn jemand nicht auf ein Vermögen zurückgreifen kann, das ihn im weiteren Leben unterstützt, sollte man ihn zu einem möglichst frühen Vermögensaufbau motivieren. Eine Wohnimmobilie ist so eine Möglichkeit“, unterstreicht Cernko.

»Viele Menschen haben heute den Eindruck, dass Wohneigentum nicht leistbar ist. Wir müssen den Menschen eine positive Perspektive bieten, dass das zu schaffen ist. «

Willi Cernko

Vorstandsvorsitzender der Erste Group

Weniger Gebühren beim Kauf

Minister Kocher ortet vor allem beim Wegfall oder der Senkung von Gebühren eine Möglichkeit, die Anschaffung einer Wohnimmobilie attraktiver zu machen: „Einiges davon ist in dem Bau- und Wohnpaket bereits angelegt. Heute sind junge Menschen mobiler. Da in Österreich die Kosten beim Verkauf eines Eigenheims bei einem Umzug sehr hoch sind, entscheiden sich viele für eine Mietimmobilie. Deshalb ist es wichtig, bei den Transaktionen anzusetzen. Ein Beispiel aus dem neuen Paket ist die Abschaffung der Grundbucheintragungs- und Pfandrechtseintragungsgebühr. Man muss bei den Ansparmöglichkeiten ansetzen und sie vergünstigen.“ Allerdings ist die Befreiung von den Gebühren derzeit auf den Immobilienwert von einer halben Million Euro und zeitlich befristet. Sollten sie nicht besser dauerhaft gestrichen werden? Darauf will sich Kocher nicht festlegen und meint, dass es gut sei, Dinge auszuprobieren. Erst anhand der Wirkung solle entschieden werden, ob sich die Maßnahmen bewährt haben, verlängert werden oder gar unbefristet gelten sollen.

Mehr Sanierung statt Neubau

Auch Cernko sieht im Wohnbaupaket eine erste, sinnvolle Maßnahme. Doch das Thema Wohnimmobilie sei derart facettenreich, dass man auch auf Mietmodelle und Sanierungen nicht vergessen darf. Er unterstreicht, dass innerstädtisch noch immer viele Objekte nicht thermisch saniert wurden und in ländlichen Gebieten Ortskerne veröden, dafür aber an den Rändern neu gebaut und damit auch Boden versiegelt wird. „Die Immobilie ist der größte Beitragsbringer bei CO2-Einsparungen und wir sollten darauf achten, dass der Bestand saniert wird“, so Cernko, „Wenn wir die Sanierung zügig, umfassend und wirksam in Angriff nehmen wollen, werden wir privates Kapital ansprechen müssen. Wenn wir wollen, dass wir grüne Projekte mit privatem Kapital finanzieren, muss das incentiviert werden.“

»Es gab in Österreich immer leistbare Möglichkeiten zur Miete. Allerdings verfügt Eigentum über einen Wert, es dient zur Vorsorge und hat einen Freiheitsaspekt.«

Martin Kocher

Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft

Eine Alternative zum Immobilienkauf sieht Kocher etwa in Miet-Kauf-Modellen: „Wir sollten jungen Menschen nicht den Eindruck vermitteln, dass es unmöglich ist, Eigentum aufzubauen. Ja, es ist teurer und schwieriger geworden, aber es ist nicht unmöglich.“ Allerdings gelte es vor allem beim Mietrechtsgesetz die unterschiedlichen Interessenslagen in eine Balance zu bringen, führt Cernko ins Treffen. Das betrifft vor allem die umstrittene Leerstandsabgabe. „Wenn wir uns von dem Gedanken und dem planwirtschaftlichen Modell verabschieden, dass der Staat leistbaren Wohnraum zu kategorisierten Preisen zur Verfügung stellt, dann sind gemeinnützige Strukturen und privatwirtschaftliches Kapital gefragt. Hier müssen wir auch die Interessen der Investoren berücksichtigen“, weiß Cernko aus der Praxis und hat für diese Maßnahme kein Verständnis: „Hier hat jemand sein eigenes Geld investiert und eventuell ein Risiko genommen. Es gibt ein Mietrecht, das bereits ein Korsett und einen Rahmen vorgibt. Obendrauf noch in die Eigentumsrechte einzugreifen halte ich einfach für zu viel. Das steht auch im Widerspruch dazu, jemanden zu motivieren, Eigentum zu erwerben.“

Einen deutlichen Effekt in Richtung mehr Erwerb von Immobilieneigentum erwartet sich Kocher von dem allgemeinen positiven Ausblick auf die Wirtschaft in den kommenden Monaten: „2024 wird konjunkturell besser sein als 2023. Allerdings wird die Erholung länger dauern, als es die Wirtschaftsforscher noch im vergangenen Dezember erwartet haben.“ Könnte deshalb, nach dem Baupaket, ein weiteres Konjunkturpaket folgen? „Mit dem Bau- und Wohnpaket im Rahmen von zwei Milliarden haben wir ein großes Paket geschnürt. Wo es besondere Probleme gibt, wie beim Eigenheimbau und bei Sanierungen, gilt es etwa bei Handwerkerleistungen einen Impuls zu geben und nicht die gesamte Bauwirtschaft zu fördern. Denn etwa im Tiefbau gibt es nach wie vor eine gute Konjunktur“, meint Kocher und hofft, dass es keine weiteren Pakete braucht. Einige Erwartungen setzt Cernko in die Senkung der Zinsen: „Wir sollten nicht unterschätzen, was die zu erwartenden Zinsschritte bringen werden. Wir gehen davon aus, dass das Kreditwachstum im laufenden Jahr etwa fünf Prozent betragen wird.“

Die Diskussion zum Nachsehen: www.diepresse.com/erstegroup

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Die Diskussion entstand in Kooperation mit der „Presse“ und mit finanzieller Unterstützung der Erste Group.

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