"Wir können kommen, wann wir wollen"

Studentenkindergarten. In der Berggasse betreuen Studenten seit drei Jahrzehnten ihren Kindergarten. Jetzt erhält er ein neues Domizil im Uni-Campus.

WIEN. Die dreijährige Valerie steht vom gemeinsamen Spieltisch auf, besteigt ein Spielzeugauto und macht sich auf Erkundungstour durch den Kindergarten. Immer wieder führt sie ihr Weg vorbei an ihrer Mutter Verica. Erst seit Mitte September besucht Valerie den Studentenkindergarten der ÖH der Uni Wien. Ihre Mutter zeigt sich begeistert: "Ich bin froh, daß es hier keine Grenzen zwischen den Eltern und den Kindern gibt."

Die Medizinstudentin weiß, wovon sie spricht: Ihr älterer Sohn besuchte einen Kindergarten der Gemeinde Wien, in dem es für die Eltern keinerlei Möglichkeit gab, am Kindergartenbetrieb teilzuhaben. Die Entscheidung für den ÖH- Kindergarten ist ganz bewußt gefallen: "Manchmal dauern Praktika eben bis 17 oder 18 Uhr, und dann ist längere Betreuung notwendig." Daß der monatliche Beitrag höher ausfällt als in den Gemeindekindergärten, ist durchaus akzeptabel, sagt Verica mit Hinweis auf die Öffnungszeiten.

Auch Georg, Student der Internationalen Betriebswirtschaft und Vater des ebenfalls dreijährigen Jakob, sieht die langen Öffnungszeiten als Hauptvorteil: "Das Wichtigste für uns ist, daß wir kommen können, wann wir wollen. Das paßt einfach besser mit dem Studium zusammen."

Verica und Georg geht es besser als vielen studierenden Eltern, die mit diesem Studienjahr ihre Kinder aus dem Studentenkindergarten nehmen mußten. Sie konnten sich die Studiengebühren nicht leisten und mußten so ihre Kinder aus dem gewohnten Umfeld reißen, denn ist man kein Student der Universität Wien, hat man keinen Anspruch auf einen Kindergartenplatz.

Noch einige Plätze frei

Derzeit sind sechs bis acht Plätze frei - vor einigen Jahren noch unvorstellbar. Der Grund: Wegen der Studiengebühr haben mehrere Eltern ihr Studium an den Nagel gehängt, heißt es. Billig ist ein Platz im Kindergarten des Vereins Studentenkinder freilich nicht: 2450 Schilling/178,05 € müssen die Eltern monatlich aufbringen. In den städtischen Kindergärten (Tageskindergarten 2520 S/183,14 €) ist sogar eine komplette Beitragsbefreiung möglich - wenn man die Voraussetzungen der sozialen Bedürftigkeit erfüllt. Die im ÖH-Kindergarten geforderte Zeit für Spiel- und Jausendienste erbringen die Eltern gerne, wenn dies auch in vielen Fällen nicht leicht ist. "Da viele Eltern parallel zum Studium auch noch arbeiten müssen, wird das für sie immer schwieriger", sagt Karin Wilfingseder, langjährige Betreuerin. Die momentane Situation für studierenden Eltern sieht sie nicht sehr positiv.

Ursprünglich war der 1972 von Studenten ins Leben gerufene Verein Studentenkinder lediglich der Versuch, in Studienzeiten den Eltern die Möglichkeit zu geben, ihre Kleinkinder betreuen zu lassen. Im Laufe der Zeit entstand der Bedarf nach einem Kindergarten und nach einem Hort, sodaß sich jetzt in der Berggasse der Kindergarten mit zwei Gruppen und ein Hort für Volksschulkinder befindet, um die Ecke, in der Liechtensteinstraße, gibt es eine Krabbelgruppe. Die Öffnungszeiten wurden erweitert (von 7.30 bis 18 Uhr), auch in den Sommer- und Semesterferien gibt es einen eingeschränkten Betrieb.

Die bereits vor zwölf Jahren geplante Übersiedelung des Kindergartens aus den engen Räumlichkeiten in den Uni-Campus im Alten AKH soll in den Weihnachtsferien stattfinden. Es war ein langer Weg, der über viele architektonischen und inhaltlichen Hürden führte. Im Alten AKH stehen zwar größere Räumlichkeiten zur Verfügung, aber von dem 1989 vorgesehenen 5-Gruppen-Kindergarten ist längst keine Rede mehr. Gemeinsam mit dem Hort hätte man aber Aussicht auf die Mitbenutzung des Hofes, hoffen die Betreuer.

Freinet-Pädagogik

Das Team des Kindergartens sieht die lang ersehnte Übersiedelung auch als Neustart. Obwohl der Großteil des pädagogischen Konzepts bereits vor 30 Jahren entwickelt wurde, so der Betreuer Werner Weber, ist es immer noch aktuell und kann mit den neuen Entwicklungen in der Pädagogik Schritt halten. So versucht man Ansätze der Freinet-Pädagogik einfließen zu lassen, auch das Prinzip der männlichen und weiblichen Betreuer wird konsequent durchgehalten. Stolz ist man auch darauf, einer der Kindergärten in Wien zu sein, der die meisten Außenaktivitäten aufweisen kann. Ausflüge in den Park, ins Schwimmbad, aber auch in Museen und Theater stehen an der Tagesordnung.

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