Für die einen ist er eine Lichtgestalt, ein tatkräftiger Macher, der die Türkei in den vergangenen Jahren zu neuen Höhen geführt hat. Für die anderen ist er ein islamistischer Wolf im demokratischen Schafspelz, der das Land herrisch und arrogant regiert und für die wahren Werte der Republik nichts übrig hat. Recep Tayyip Erdogan scheidet auch nach Jahren als türkischer Ministerpräsident die Geister.Doch allen Unkenrufen zum Trotz, der Ministerpräsident und seine umstrittene konservativ-islamische AKP haben die letzte Parlamentswahl klar gewonnen - und auch ein Verbotsverfahren überstanden.
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Erdogan wuchs in bescheidenen Verhältnissen als Sohn landflüchtiger Schwarzmeer-Türken im Istanbuler Viertel Kasimpasa auf. Seinem eigentlichen Berufswunsch – Profi-Fußballer – erteilte sein Vater eine Absage. Auf Drängen seines Vaters hin absolvierte Erdogan zuerst eine Imam-Schule, dann ein Wirtschaftsstudium an der Istanbuler Mermara-Universität. Es zog ihn also eher in die Politik, als auf den Fußballplatz. Unter seinen Freunden hielt sich der Spitzname „Imam Beckenbauer“ für den begeisterten Hobby-Fußballer und Fan des Istanbuler Fußballvereins „Fenerbahçe“ dennoch.Im Bild: Erdogan und Wolfgang Schüssel bei einem freundschaftlichen Fußballspiel.
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Im Kielwasser seines politischen Ziehvaters Necmettin Erbakan (Im Bild) und dessen islamistischen Parteien stieg Recep Tayyip Erdogan in den 70er und 80er Jahren immer weiter auf. 1995 wurde er – gerade 41-jährig – zum Oberbürgermeister von Istanbul gewählt. An der Spitze der größten türkischen Stadt klopfte Erdogan zwar so manch islamistischen Spruch - er bezeichnete sich selbst als oberster "Imam" der Stadt und schimpfte auf die laizistische Ordnung der Republik -, seine Politik war jedoch pragmatisch und mehr am Funktionieren der Müllabfuhr und der Wasserversorgung ausgerichtet als an der Ideologie. Damit macht sich Erdogan auch landesweit einen Namen.
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Bevor er allerdings die Bühne der nationalen Politik betreten durfte, musste er erst einmal ins Gefängnis. In einer Rede hatte er ein Gedicht zitiert, in dem die Moscheen als Kasernen der Gläubigen beschrieben werden - das wurde als Volksverhetzung ausgelegt. Er musste sein Amt aufgeben und verbrachte einige Monate im Gefängnis. In seiner Haftzeit kam er nach eigenen Angaben zu dem Schluss, dass der radikale Islamismus eine Sackgasse sei, und richtete sich neu aus: Als konservativer Demokrat - und weg von den Alt-Islamisten um Necmettin Erbakan.
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Nicht nur Erdogan, auch andere Politiker wie Abdullah Gül und Bülent Arinc suchten nach einer pragmatischen Alternative. Im August 2001 gründete Erdogan mit seinen Freunden die "Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung" (AKP). Nur ein Jahr später räumte die AKP bei den Parlamentswahlen ab und fegte die bis dahin regierenden Parteien aus der Volksvertretung. Nach der Aufhebung des mit seiner Gefängnisstrafe einhergehenden Politikverbotes wurde Erdogan im März 2003 türkischer Ministerpräsident.
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In den Jahren darauf trieb Erdogan viele politische Reformen voran und setzte den Beginn von Beitrittsverhandlungen zwischen der EU und der Türkei durch. Die Wirtschaft wächst seither kräftig. Bei den Kommunalwahlen 2004 konnte die AKP ihr Ergebnis von 2002 noch einmal verbessern. Allerdings wird Erdogan vorgeworfen, selbstherrlich zu agieren und keine Kritik vertragen zu können. Karikaturisten, Journalisten und politische Gegner überzog er mit einer Unzahl von Beleidigungsprozessen, von denen er die meisten allerdings verlor.
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Zusammen mit seiner Frau Emine, die das als "türban" bezeichnete streng konservative Kopftuch trägt, hat Erdogan zu einem neuen Selbstbewusstsein des anatolischen Kleinbürgertums beigetragen. Seine Anhänger schätzen an ihm, dass er persönliche Frömmigkeit, wirtschaftliche Erfolge und pragmatische Politik miteinander verbindet. Für seine Gegner ist Erdogan dagegen ein ungehobelter Flegel, der in den heiligen Hallen der türkischen Regierungsspitze eigentlich nichts verloren hat. Im Bild: Erdogan mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel (links) und seiner Frau Emine (rechts).
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