Steuerpolitik: Wenn der Konzernchef gleich viel Steuer zahlt wie sein Chauffeur

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Österreichs Politiker wehren sich mit Händen und Füßen gegen die „unsoziale“ Flat Tax. Dabei haben sie diese längst eingeführt.

Der sicherste Weg, hierzulande als Eiskasten dazustehen, führt vermutlich über folgende Worte: „Ich halte die Flat Tax eigentlich für eine tolle Sache“. Ein Sturm der Entrüstung wird über den offensichtlich Verwirrten hereinbrechen. Wer kann schon ein Steuersystem wollen, in dem das Millionenschwere Einkommen des Herrn Vorstandsdirektors mit demselben Steuersatz belegt wird wie die paar Netsch seines Fahrers? In Österreich will so etwas fast niemand.

Ablehnung von liberaler Seite

Das ist nicht weiter verwunderlich. Selbst der sich mit liberalen Ideen schmückende Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser lehnte die Flat Tax kategorisch ab. Mit der Begründung, sie sei unsozial, weil sie jene entlasten würde, die ohnehin genug hätten: die Reichen. Wer auch immer zur ominösen Gruppe der Reichen zählen mag, schöner hätte es Grasser aus Sicht der Linken nicht formulieren können: „Die Flat Tax ist in einem westeuropäischen Industriestaat aufgrund der ungerechten Verteilungswirkung nicht möglich.“

Ein interessanter Standpunkt. Nicht nur, weil halb Osteuropa die Einheitssteuer mit Erfolg eingeführt hat. Sondern vor allem deshalb, weil diese angeblich unsoziale und ungerechte Art der Besteuerung längst zur wichtigsten Einnahmequelle der Republik Österreich geworden ist. Körperschaftsteuer, Umsatzsteuer, Mineralölsteuer, Kapitalertragssteuer, Verbrauchs- und Verkehrssteuern: All diese Abgaben sind für den bestens verdienenden Vorstandschef gleich hoch wie für dessen Fahrer.

Was dazu führt, dass von den knapp 58 Mrd. Euro, die der Finanzminister den Bürgern im Vorjahr abgenommen hat, mehr als 60 Prozent über Flat Taxes eingehoben wurden. Nicht schlecht für eine Steuer, die in einem westeuropäischen Industriestaat eigentlich gar nicht möglich sein sollte. Undenkbar ist die Einheitssteuer aus Sicht der Politik jedenfalls noch für die Lohn- und Einkommensteuer, den letzten beiden wichtigen Steuern mit progressiver Wirkung.
Wer mehr verdient, zahlt nicht nur in absoluten Zahlen mehr Steuern, sondern auch im Verhältnis zu seinem Einkommen. Derartiges gilt als „gerecht“. Wer sich für so ein Steuersystem stark macht, adelt sich auch gleich selbst zum moralisch überlegenen Mitbürger. Jene, die bis zu 50 Prozent ihrer Spitzeneinkommen an den umverteilenden Staat abtreten müssen, haben es im wahrsten Sinne nicht besser verdient. Sie werden sozusagen ihrer gerechten Strafe zugeführt: für unbotmäßige Gier, unsolidarische Mehrleistung oder marktfähiges Unternehmertum.

Die davon Betroffenen werden das wohl anders sehen. Und jede zusätzliche Stunde Arbeit gegen einen ausgiebigen Spaziergang eintauschen, in die Schattenwirtschaft abtauchen oder sich einen ausgefuchsten Steuerberater zulegen, der die drückende Last des Fiskus mit einfachen Mitteln zu lindern weiß.

Womit sich die Frage aufdrängt, wie gerecht eine Einkommensbesteuerung eigentlich sein kann, die nur eine eigens dafür ausgebildete Berufskaste durchschaut? Von Steuerberatern und Finanzbeamten einmal abgesehen kann sich nämlich so gut wie niemand selbst ausrechnen, wie viel von seinem Bruttoverdienst nach dem Zugriff des Staates übrig bleibt. Obwohl sich alle im selben Dschungel wiederfinden, ist das mit Ausnahmen gespickte Lohn- und Einkommensteuersystem dennoch nicht für alle gleich. Weil es sich eben nur gut Verdienende leisten können, einen eigenen „Scout“ zu engagieren.

Weniger Spitzensteuer?

Die Politiker wissen das. Weshalb es seit Jahren kaum eine Regierung gab, die nicht versprochen hätte, mit der Machete in den Steuerdschungel einzudringen. Es darf gelacht werden. Je komplizierter ein Steuersystem ist, desto einfacher ist es für jede Regierung, es noch komplizierter zu machen. Genau das passiert in Österreich.

Dazu passt, dass sich SPÖ und ÖVP einig sind, Besserverdiener zu entlasten. Freilich eher später als früher. Einig sind sich die Großparteien aber auch darin, das Steuersystem nicht vereinfachen zu wollen. Andernfalls könnte es nämlich jeder verstehen. Und das wäre wohl nicht sonderlich sozial.


franz.schellhorn@diepresse.com("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.07.2007)


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