„Man wird uns das Welterbe wieder aberkennen“

Stadt Wien forciert Dachausbauten. Experte Werner Winterstein: Das könnte Wien das Welterbe kosten.

WIEN (stu). Die Stadt hat ein klares Bekenntnis zu Dachboden-Ausbauten abgelegt. Wohnbaustadtrat Michael Ludwig sieht es als Instrument zur Schaffung von attraktivem Wohnraum in dicht verbauten Gebieten. Und als Möglichkeit zur sozialen Durchmischung in Grätzeln durch den Zuzug kaufkräftiger Klientel. Zuletzt wurde ein Höchstgericht-Urteil, das Dachausbauten in Wien bremst, durch ein Landesgesetz ausgebremst.

Doch am Horizont ziehen dunkle Wolken auf. Im Bereich des Weltkulturerbes muss man sensibler vorgehen“, erklärt der Architekt Werner Winterstein. Der Experte ist Weltkulturerbe-Beauftragter der Wiener City, hat sich aber in seiner Funktion als freier Architekt für die „Presse“ die Entwicklungen in Wien genau angesehen. „Die Stadt Wien hält sich nicht an jene Verpflichtungen, die sie mit dem Titel ,Unesco-Weltkulturerbe‘ eingegangen ist.“ Nachsatz: „Wenn kein Umdenken stattfindet, wird man uns den Titel Weltkulturerbe wieder aberkennen.“ Dafür gebe es bereits konkrete Hinweise. Die Unesco sei bereits sehr skeptisch bezüglich der Entwicklungen in Wien: „Die lassen sich nicht auf Dauer pflanzen“, erklärt Winterstein: „Wir laufen Gefahr, das Weltkulturerbe zu verlieren.“

Zentrale Kritikpunkte laut Winterstein: Die Gebäudehöhen im Weltkulturerbe-Gebiet werden nicht zufriedenstellend beachtet. „Es geht darum, diese Aufstockungen nicht zu machen – es ist Methode, um bis zu vier Geschoße aufzustocken.“



„Das hat mit dem

Weltkulturerbe nichts zu tun, sondern nur mit Weltkultur-Erbschleicherei.“

Welterbe-Experte Werner Winterstein

Außerdem hätte sich die Stadt verpflichtet, bei Weltkulturerbe-Angelegenheiten immer das Denkmalamt zu konsultieren. „Das geschieht nicht“, so Winterstein: „Beispielsweise ist es haarsträubend was im Rathaus-Viertel passiert ist“, erklärt der Experte, der vor Jahren die historischen Otto Wagner-Stationen am Karlsplatz vor dem Abbruch gerettet hat.

Die Unesco sei sowieso bereits skeptisch, weil in Wien „in den letzen zehn Jahren heftige Dinge passiert sind, die dem Stadtbild und der Dachlandschaft einen irreparablen Schaden zugefügt haben“, erklärt der Architekt, der sich nicht als Feind von Dachausbauten sieht: „Sie sind die einzige Baulandreserve, die wir in der City haben. Es ist im Interesse des Bezirkes, die Wohnbevölkerung zu erhalten.“ Nur: „Man muss eine Demut entwickeln gegenüber dem historischen Bestand der Stadt.“ Die Innere Stadt sei keine Spielwiese für Immo-Spekulation. „Denn das hat mit dem Weltkulturerbe nichts zu tun, sondern nur mit Weltkultur-Erbschleicherei.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.08.2007)


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