Familie Zogaj
Chronologie eines Flüchtlingsdramas

Im Mai 2001 flüchtet Arigonas Vater Dzevat Zogaj aus dem im Krieg zerstörten Kosovo und reist illegal nach Österreich ein. Obwohl sein Asylantrag im Mai 2002 abgelehnt wird, bleibt er weiter in Österreich. Im September 2002 wandern Dzevat Zogajs Frau Nurie und die fünf gemeinsamen Kinder - ebenfalls ohne gültige Aufenthaltsgenehmigung - nach Österreich ein. Auch sie stellen einen Asylantrag, der allerdings im November 2002 abgelehnt wird.
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Der Asylantrag des Vaters wird abgelehnt, er erhält den Ausweisungsbescheid. Frau Zogaj stellt für sich und die Kinder einen zweiten Asylantrag. Im Dezember 2003 lehnt der Verfassungsgerichtshof eine Asylbeschwerde ab.
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Die Sicherheitsdirektion Oberösterreich bestätigt die Ausweisung. Familie Zogaj legt beim Verwaltungsgerichtshof Beschwerde gegen die Entscheidung ein. Im März 2005 wird die Beschwerde abgelehnt, die Bezirkshauptmannschaft (BH) Vöcklabruck fordert die Familie ultimativ zur Ausreise bis zum 10. Mai 2005 auf.
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Anfang Mai 2005 stellt die Familie Zogaj bei der Bezirkshauptmannschaft einen Antrag auf Erstniederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen. Das Innenministerium lehnt diese im September 2005 und die Berufung der Familie im Mai 2007 ab.
(c) Die Presse (Alois Huemer)

Um auf das Schicksal der Familie Zogaj aufmerksam zu machen, starten die Schulkollegen von Arigona Zogaj gemeinsam mit der Gemeinde Frankenburg eine Unterschriftenaktion. Der Gemeinderat Frankenburg beschließt einstimmig, sich dafür einzusetzen, dass die Familie bleiben kann.
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Im Juli 2007 bringt die siebenköpfige Familie beim Verfassungsgerichtshof eine Beschwerde gegen ihre Abschiebung ein. Die UNO-Übergangsverwaltung im Kosovo (UNMIK) stimmt der Rückführung der Familie in den Kosovo zu.
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Am 26. September handeln Innenminister Günther Platter und der oberösterreichische Landeshauptmann Josef Pühringer (beide ÖVP) einen Kriterienkatalog zur Gewährung eines humanitären Aufenthaltstitels aus. Am selben Tag wird die Familie Zogaj von der Polizei abgeholt, um abgeschoben zu werden. Die 15-jährige Arigona ist aber spurlos verschwunden.
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Während Vater Dzevat und die anderen vier Kinder in den Kosovo geflogen werden, darf Arigonas Mutter Nurie in Österreich bleiben, um nach ihrer Tochter zu suchen.
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Am 30. September taucht ein Brief von Arigona auf. Sie schreibt, dass sie sich nicht lebend der Polizei stellen werde, wenn ihre Familie nicht nach Österreich zurückkommen darf.
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Am 1. Oktober versammelt sich die oberösterreichische Landesregierung und appelliert einstimmig an Innenminister Platter, den Fall Zogaj wieder aufzunehmen. Im Hinblick auf die jüngst präsentierten Bleiberechtskriterien soll der Fall neu beurteilt werden. VP-Vizekanzler Wilhelm Molterer vereinbart mit Platter, das Urteil des Verfassungsgerichtshofes abzuwarten. Arigona und ihre Mutter dürfen vorerst bleiben.
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Am 5. Oktober wird dem ORF eine Videobotschaft von Arigona Zogaj zugespielt. Darin sagt die 15-Jährige, sie wolle erst aus ihrem Versteck kommen, wenn ihre Geschwister zurückkehren dürfen. Auch ihre Selbstmorddrohung bekräftigt Arigona. Ein Leben im Kosovo sei für sie unvorstellbar, weil sämtliche Perspektiven fehlen würden.
(c) ORF / Im Bild die 15-jaehrige Arigona Zogaj, die seit fast zwei Wochen verschwunden ist. Heute wurde dem ORF-Landesstudio Oberoesterreich ein Amateurvideo zugespielt, in dem das Maedchen in ihrem Versteck darum bittet, dass ihre Familie wieder zusammen in Oesterreich leben darf. - Zusammenfassungen des Videos gibt es heute in allen Ausgaben der ãZIBÒ sowie in ãHeute in ÖsterreichÒ um 17.10 Uhr in ORF 2.

Am 6. Oktober findet in Frankenburg eine Demonstration für die Familie Zogaj statt. Nach Angaben der Polizei nehmen rund 500 Menschen daran teil, die Veranstalter sprechen von mehr als 1500 Teilnehmern - allen voran Prominente wie der Entertainer Alfons Haider und der Schriftsteller Franzobel sowie Politiker von SPÖ, ÖVP und den Grünen.
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Der oberösterreichische Landeshauptmann Josef Pühringer spricht sich am 7. Oktober für eine menschliche Lösung aus und bietet Arigona ein Gespräch unter vier Augen an. Das Innenministerium rechtfertigt sein bisheriges Vorgehen in einer Pressekonferenz und pocht unter anderem erneut darauf, dass "mehrere Familienmitglieder mit dem Gesetz in Konflikt" geraten seien.
(c) APA (Rudi Brandstätter)

Der oberösterreichische Landeshauptmann Josef Pühringer gibt bekannt, dass er am Vorabend ein persönliches Gespräch mit Arigona Zogaj geführt hat. Das Mädchen befinde sich in der Obhut von Josef Friedl, dem Pfarrer der Gemeinde Ungenach. Friedl sagt, Arigona habe "sehr schnell Vertrauen" zu ihm gefunden. Er habe sie in Wien abgeholt und ins Pfarrheim von Ungenach gebracht. Körperlich gehe es Arigona gut, berichtete Friedl, psychisch sei sie Schwankungen unterworfen.
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Am 16. Oktober kehrt Arigona unter großem Medienandrang in die Schule zurück: "Ich bin voll froh, dass ich wieder da bin", sagt die 15-Jährige.
EPA (Helmut Fohringer)

Nachdem Pfarrer Friedl Arigona zwei Wochen lang betreut hat, spricht er von "Folter": Dass das Mädchen noch immer von seinen Geschwistern und dem Vater getrennt ist, sei "menschliche Grausamkeit", betonte der Geistliche aus Ungenach. Das Mädchen werde durch den Alltag zwar abgelenkt, die Angst vor der Abschiebung sei aber nicht weg, erklärte Friedl. Die Telefonate mit ihren kleinen Geschwistern im Kosovo seien für Arigona sehr bedrückend: "Man wartet darauf, dass sie zusammenbricht und wieder in den Kosovo geht."
EPA (Rubra)

Der Verfassungsgerichtshof legt neue Kriterien für das Bleiberecht fest. Außerdem leitet er ein Gesetzesprüfungsverfahren betreffend Erteilung von Niederlassungsbewilligungen aus humanitären Gründen. In den meisten Fällen ist bei solchen Verfahren eine Aufhebung der Gesetzespassagen die Folge. Die Verfassungsrichter sind der Meinung, dass es im Hinblick auf die Menschenrechtskonvention verfassungswidrig sei, dass Betroffene kein Antragsrecht auf Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen haben, sondern davon abhängig sind, ob die Behörde von sich aus tätig wird oder nicht.
APA (Robert Jäger)

Vorwürfe werden laut, dass das Innenministerium - u.a. mit Besuchen durch Rückkehrberater und Geldangeboten - Druck auf Arigona und ihre Mutter ausübt, in den Kosovo zurückzukehren. Das Innenministerium dementiert. Diakonie-Chef Michael Chalupka übt Kritik und meint: "Barbarei darf nicht zur Normalität werden." Die Grünen sprechen von "psychologischer Kriegsführung".
EPA (Robert Jaeger)

Der Verfassungsgerichtshof weist die Beschwerde der Familie Zogaj gegen die Verweigerung der Erstniederlassungsbewilligung ab - stellt aber klar, dass dies nicht bedeute, dass Arigona und ihre Mutter abgeschoben werden müssen. Denn die Entscheidung über das humanitäre Aufenthaltsrecht habe Platter zu treffen. Dieser entscheidet gegen die Verhängung eines humanitären Aufenthaltsrechts für Arigona.
AP (Ronald Zak)

Arigona und Nurie Zogaj werden schriftlich dazu aufgefordert, zu Ferienbeginn Anfang Juli das Land zu verlassen. Maria Fekter (ÖVP) ist mittlerweile neue Innenministerin. Ein medizinisches Gutachten sagt, dass Nurie Zogaj medizinische Hilfe braucht. Erik Buxbaum, Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, glaubt, dass die Abschiebung frühestens nach einem halben Jahr erfolgen kann.
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Mit diesem Tag - der letzte Schultag Arigonas im Polytechnikum - läuft die ursprüngliche Gnadenfrist für die Familie Zogaj ab.Seither wurden das 16-jährige Mädchen und seine Mutter wegen des schlechten Gesundheitszustandes von Nurie Zogaj in Österreich geduldet.
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Der Antrag auf Schülervisa für die jüngeren Geschwister Albin und Albona Zogaj wird abgelehnt.
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Arigonas Geschwister wollen illegal nach Österreich reisen. In Ungarn werden sie an der EU-Außengrenze zu Serbien aufgegriffen. Grund für die Flucht sei ihre ausweglose Situation und die Trennung von der Mutter gewesen.Sie verbringen Weihnachten im Erstaufnahmelager Békéscsaba, knapp 100 Kilometer von der südostungarischen Stadt Szeged entfernt.

Alle Geschwister von Arigona Zogaj befinden sich wieder in Österreich. Alfred (18) ist mit den beiden jüngeren Geschwister Albin und Albona am 11. Jänner aus Ungarn nach Österreich gekommen (Im Bild: Arigona, Mutter Nurie, Alfred, Albin und Albona). Sein Bruder Alban (19), der mit einer in Österreich als Flüchtling anerkannten gebürtigen Kosovarin verheiratet ist, folgte in der Nacht auf 13. Jänner. Alle haben mittlerweile Asylanträge gestellt, die älteren Brüder wurden bereits von Beamten des Innenministeriums einvernommen.
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Die beiden älteren Brüder von Arigona, der 18-jährige Alfred und der 20-jährige Alban (Bild), haben sich entschlossen, Österreich zu verlassen. Es habe keinen Druck der Behörden gegeben, sagt Anwalt Helmut Blum. Im September versuchen sie erneut, nach Österreich zu gelangen, verlassen das Land aber wieder.
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Das Innenministerium gibt bekannt, dass die Asylanträge von Arigona, ihrer Mutter und ihren beiden jüngeren Geschwistern abgelehnt worden sind und sie in den Kosovo abgeschoben werden sollen. Als letzte Instanz prüft der Asylgerichtshof den Fall. Im März 2010 lehnt auch die zweite Instanz die Beschwerde ab. Nun kann nur noch der Verfassungsgerichtshof einer Beschwerde aufschiebende Wirkung zugestehen.
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Anfang 2010 wird Arigona Zogaj 18 Jahre alt und damit volljährig. Das heißt, dass sie nun allein in den Kosovo abgeschoben werden kann.
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Der Asylgerichtshof lehnt die Beschwerden gegen den abgelehnten Asylantrag ab; Anwalt Blum kündigt einen Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) an.
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Der VfGH gibt dem Antrag auf aufschiebende Wirkung statt. Die Ausweisung Arigonas, ihrer Mutter und ihrer beiden Geschwister wird bis zum Ende des Verfahrens ausgesetzt.
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Der Verfassungsgerichtshof urteilt, dass die Ausweisung von Arigona Zogaj verfassungskonform ist. Damit endet der Aufschub der Abschiebung. Wenig später erhalten sie ein Schreiben der zuständigen Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck mit der Aufforderung, das Land zu verlassen.
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Die Entscheidung löst eine Welle der Proteste aus, die in einer Kundgebung auf dem Heldenplatz gipfeln. Zwischen 7000 (Polizei) und 20.000 (Veranstalter) Personen haben sich vor dem Bundeskanzler- und Präsidentenamt versammelt, um für die Familie zu demonstrieren. (Mehr ...)

An diesem Tag endet das Schuljahr in Oberösterreich - der Termin wurde als Ende der Gnadenfrist für Arigona, ihrer Mutter Nurie sowie der Geschwister Albin und Albona vereinbart.
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Die Familie reist in den Kosovo aus. Um den am Flughafen Wien erwarteten Medienrummel zu umgehen, beginnen die Zogajs ihren Rückflug in Salzburg. Über Wien fliegt Arigona mit ihrer Mutter und ihren beiden jüngeren Geschwistern nach Pristina.
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Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck bescheidet die Visum-Anträge der mittlerweile geschiedenen Mutter Nurie, Arigonas und der jüngeren Geschwistern Albin und Albona positiv. Zwei Tage später kehrt die Familie wieder nach Österreich zurück.
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Arigona, Albin und Albona erhalten Visa mit Niederlassungsbewilligung. Ihre Mutter hat den Bescheid bereits Ende 2011 bekommen.
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