Krämerseelen oder wirtschaftliche Überlegungen

Ein fulminanter Fortschritt„Krämerseelen gegen EM-Sonntagsöffnung“, Meinung, von Rainer Nowak, 9. Jan.
Sehr geehrter Herr Nowak, sehen Sie die Sache doch positiv: Die Kaufleute hatten die Wahl, und wenn sie sich auf Grund ihrer Einschätzung, ob falsch oder richtig sei dahingestellt, dazu entschließen, nicht zu öffnen, dann ist das doch ein fulminanter Fortschritt gegenüber den amtlich verhängten Schließzeiten. Und vor allem, es beweist, dass es der amtlichen Regelung nicht bedarf, denn die Kaufleute sperren, entgegen stets vorgebrachter kämmerlicher Argumente, ja doch nur auf, wenn sie es für richtig erachten. Also, volle Freiheit und kein verordneter Ladenschluss mehr, der Beweis, dass es funktioniert, ist er erbracht!

DI Helmut Biely

3411 Weidling

Amerikanische VerhältnisseBei den geschlossenen Geschäften zur Fußball-EM kann es aber auch um ein Prinzip gehen: Schluss mit dem andauernden Konsumzwang – deshalb lebe der freie Sonntag! Ich bin kein Anhänger des Spruchs „Wien ist anders“, aber hier bin ich es: Keine amerikanischen Verhältnisse in Europa! Wir haben genug von diesem US-Mist hier überall. Schauen Sie doch nur in jede Geschäftsauslage. Denken Sie z.B. an die Berieselung von US-Weihnachtsliedern in allen Geschäften zur Adventzeit – als ob wir keine Weihnachtslieder hätten! Immerhin ist Amerika von Europa aus besiedelt worden und nicht umgekehrt. Deshalb contra!

Kurt Heidenreich
2325 Himberg bei Wien

Selbst entscheidenDie „Gilde der Krämer und Händler“ ist es leid, immer wieder als Krämerseele dargestellt zu werden. Es steht hinter den Überlegungen zum Ja oder Nein zu einer EM-Sonntagsöffnung keine „(Fehl-)Einschätzung“, sondern nüchterne betriebswirtschaftliche Überlegungen. Der Handel ist eine Dienstleistungsbranche, die in einem extrem starken Wettbewerb mit anderen Wirtschaftszweigen steht, Dienstgeber von 550.000 Mitarbeitern und wird nicht durch öffentliche Förderungen – im Gegensatz zur Medienlandschaft – subventioniert. Das Für und Wider sollen die 1000 Klein- und Großbetriebe selbst entscheiden können, und sie sollen nicht durch einseitige, mediale, dogmatische Meinungen beeinflusst werden.

Fritz Aichinger
Selbstständiger Kaufmann und Obmann der Sparte Handel der WKW

Die Taktgeber der GesellschaftDer freie Sonntag ist durch zahlreiche gesetzliche Bestimmungen als soziale Institution geregelt und gesichert. Und das ist gut so. Es ist enttäuschend, dass bestimmte Personen immer wieder auf den Vergleich mit Diktaturen zurückgreifen. Bekanntlich entzieht sich in einer Diktatur die Auseinandersetzung über gesellschaftliche Fragen einer öffentlichen Meinungsbildung, und der Souverän hat nichts mitzubestimmen. Das kann wohl für Österreich so nicht behauptet werden. Das Wirtschaftsleben ist voll von Regelungen, die häufig zum Ziel haben, ArbeitnehmerInnen oder die Schwächsten zu schützen, oft auch die Mitbewerber vor einander.

Bedenklich muss vielmehr stimmen, wenn es in der Ökonomie zu Konzentrationsprozessen kommt und damit verbunden häufig zu einem Machtungleichgewicht. So erscheint es fragwürdig, wenn Shopping-Center-Betreiber die Macht haben, ihren Mietern vorzuschreiben bzw. zu diktieren, bis wann die Geschäfte geöffnet haben müssen. Zusätzliche Kosten und das Risiko werden wesentlich von den MieterInnen getragen. Wie den Medien in jüngster Zeit zu entnehmen war, sind Center-Betreiber und Geschäftsleute nicht einer Meinung. Die mächtigsten Wirtschaftsakteure fungieren als Taktgeber für den Rest der Gesellschaft. Wie weit – das hängt letztlich auch von den KonsumentInnen und WählerInnen ab.

Mag.a Christine Riegler
Koordinatorin der Allianz für den freien Sonntag Österreich

Wichtige ErrungenschaftWas tun, wenn sich die Wirtschaftstreibenden weigern, sonntags ihre Geschäfte zu öffnen? Man spricht von einem „Fiasko“, und der Kommentator auf der vorletzten Seite zeigt sich irritiert. Dass es aber eine wichtige Errungenschaft ist, einen Tag in der Woche für Freizeit, Erholung und Familie zu reservieren, dass viele Österreicherinnen und Österreicher stolz darauf sind, nicht 24/7 arbeiten und konsumieren zu müssen, und sich keine schleichende Aushöhlung dieser Werte wünschen, geht aus dem Bericht leider nicht hervor!

Die Geschäftsleute werden lediglich als untüchtig dargestellt und Österreich als unmodern. „Um ausländische Gäste nicht zu verärgern und Wien als weltoffene Stadt zu präsentieren... dürfen die Geschäfte an Sonntagen öffnen.“ Die Stadt Wien und die österreichische Gastfreundschaft sind auch ohne Sonntagsöffnung weltweit geschätzt und bekannt! In dieser Hinsicht ist ihre Berichterstattung sehr einseitig ausgefallen.

Paula Aschauer

8010 Graz

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.01.2008)

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