Bankgeheimnis: "Klarstellung durch Gesetzgeber wäre wünschenswert"

(c) Clemens Fabry
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Das OLG Wien befasste sich jüngst zweimal mit dem Widerspruchsrecht von Banken bei Hausdurchsuchungen - und kam dabei zu unterschiedlichen Ergebnissen.

Wien. Entscheidungen von Oberlandesgerichten (OLG) werden im Rechtsinformationssystem des Bundes (RIS) praktisch nicht publiziert. Der Rechtsanwender hat daher keine Möglichkeit, auf Entwicklungen der Judikatur Bedacht zu nehmen, weil er von diesen Entscheidungen nicht – oder nur zufällig – erfährt. So wie im folgenden Fall: Welche Rechte haben Banken, wenn bei ihnen eine Hausdurchsuchung durchgeführt wird und Unterlagen sichergestellt werden?

Mit dieser Frage beschäftigte sich die „Presse“ schon am 21. Mai. Anlass war der Beschluss 22 Bs 99/13i des OLG Wien von Juni 2013, der bei Banken zu großer Verunsicherung führte. Der 22. Senat des OLG Wien vertrat nämlich darin folgende Auffassung: Die Bank, die selbst nach dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz beschuldigt war, habe bei einer Sicherstellung oder einer Hausdurchsuchung kein Recht auf Widerspruch und Versiegelung, weil das Bankgeheimnis nach §112 Strafprozessordnung (StPO) nicht „bei sonstiger Nichtigkeit geschützt“ ist.

„Rechtsstaatlich inakzeptabel“

Nun hat sich dasselbe Gericht – jedoch ein anderer Senat – wieder mit dem Thema Hausdurchsuchungen bei Banken befasst, wobei die Bank in diesem Fall nicht Beschuldigte war. Der neue Beschluss 18 Bs 28/14w lässt Banken aufhorchen. Denn das OLG Wien kommt nun zu dem Ergebnis, dass der Bank sehr wohl ein Widerspruchsrecht bei der Hausdurchsuchung zusteht. Rechtsanwalt Gerald Ruhri ist verärgert: „Es ist in einem rechtsstaatlichen System unerträglich, dass bei ähnlich gelagerten Sachverhalten ein und dasselbe Gericht völlig konträre Rechtsauffassungen vertritt. Damit wird die Inanspruchnahme von Rechtschutz zum juristischen Lotteriespiel. Hat der 18. Senat über eine eingebrachte Beschwerde zu entscheiden, so steht der Bank ein Widerspruchsrecht zu. Trifft die Entscheidung jedoch der 22. Senat, so kann der Sicherstellung nicht widersprochen werden. Ein solcher Zustand ist rechtsstaatlich inakzeptabel!“

Doch wieso herrscht überhaupt Rechtsunsicherheit darüber, ob sich Banken bei Hausdurchsuchungen auf das Bankgeheimnis berufen dürfen?

Zur Erklärung ein Rückblick: Bis 31. Mai 2012 konnten sich Banken bei Hausdurchsuchungen auf das Bankgeheimnis berufen und Widerspruch gegen die Sicherstellung der Unterlagen erheben. In der Folge wurden die Dokumente versiegelt und dem OLG zur Sichtung vorgelegt. Jene Dokumente, die dem Bankgeheimnis unterlagen, also Informationen über Geschäfte mit Dritten enthielten und in keinem Zusammenhang mit dem Ermittlungsverfahren standen, wurden nach der Prüfung durch das Gericht wieder an die Bank ausgefolgt – ohne dass sie Staatsanwaltschaft und Polizei zur Kenntnis gelangten. Mit der StPO-Novelle 2012 wurde jedoch der § 112 enger gefasst. Nur mehr „gesetzlich anerkannte Verschwiegenheitspflichten, die bei sonstiger Nichtigkeit nicht umgangen werden dürfen“, berechtigen nun zu einem Widerspruch und zur Versiegelung. Konkret haben das Recht nur mehr jene Personen, die in §157 StPO aufgezählt sind: etwa Rechtsanwälte, Notare, Wirtschaftstreuhänder, Journalisten, Psychiater und einige Berufsgruppen aus dem Sozialbereich. Nicht genannt sind hingegen die Banken. „Die Banken sind in der Eile vom Gesetzgeber schlichtweg übersehen worden“, ist Ruhri überzeugt, „was aber die Rechtsmeinung des 22. Senats nicht rechtfertigt.“

Beschluss lässt Banken aufhorchen

Nun aber zu dem Beschluss 18 Bs 28/14 des OLG Wien: „Auch in unserem Fall war die Staatsanwaltschaft der Meinung, dass der Bank im Zuge der Hausdurchsuchung kein Widerspruchsrecht und damit kein Recht auf Versiegelung zustehe“, sagen die Rechtsanwälte David Christian Bauer und Matthias Baritsch. Sie erwirkten die neue Entscheidung. „Die Staatsanwaltschaft Wien berief sich dabei auf den erwähnten Beschluss 22 Bs 99/13i.“ Die Anwälte hielten dem OLG Wien jedoch entgegen, dass der §112 StPO dem Wortlaut nach zwar kein Widerspruchsrecht mehr für Banken bei Hausdurchsuchungen vorsehe, jedoch §116 Abs 6 StPO regle, dass im Falle der Weigerung der Bank, bestimmte Unterlagen herauszugeben, dennoch nach § 112 StPO vorzugehen sei. „Auf die Nichtigkeitssanktion, die im § 112 grundsätzlich gefordert wird, könne es daher nicht ankommen, weil sonst der Verweis in § 116 StPO auf § 112 StPO völlig ins Leere liefe“, sagt Baritsch. Der im Zuge der Novelle neu gestaltete § 116 StPO bestimmt nämlich, wie im Fall der Versiegelung von Unterlagen, die dem Bankgeheimnis unterliegen, vorzugehen ist.

Das OLG Wien folgte den Argumenten der beiden Anwälte und kam zu der Auffassung: „Im Rahmen der in § 116 StPO angeführten Zwangsmaßnahmen (Anordnung der Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte; Anordnung der Durchsuchung des Kredit- oder Finanzinstituts im Zusammenhang mit Bankkonten und Bankgeschäften) kommt dem Kredit- oder Finanzinstitut daher sehr wohl ein Widerspruchsrecht zu. Und zwar ungeachtet des Umstandes, dass die Umgehung des Rechts der Bank auf Verschwiegenheit nach der StPO nicht mit Nichtigkeit bedroht ist.

Es sei zu unterscheiden, so das Gericht, welche Auskünfte, Unterlagen oder Daten mit der Ermittlungsmaßnahme gewonnen werden sollen. Geht es darum, in einem Kredit- oder Finanzinstitut solche Unterlagen und Informationen sicherzustellen, die Bankgeschäfte betreffen (und daher dem Bankgeheimnis unterliegen), so kommt der betroffenen Bank ein Widerspruchsrecht zu. Werden in der Bank hingegen Gegenstände und Urkunden aufbewahrt, die keine Bankkonten und -geschäfte betreffen, kann nach ihnen in einer Hausdurchsuchung gefahndet werden, wobei diesfalls der Bank kein Widerspruchsrecht zukommt. Bauer: „Die Klarstellungen, die dieser OLG-Beschluss gebracht hat, sind für Banken sehr erfreulich. Aber es kann nicht ausgeschlossen werden, dass andere Senate weiterhin anders entscheiden. Eine Klarstellung durch den Gesetzgeber wäre jedenfalls wünschenswert.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2014)


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