Obama will das US-Verhältnis zu Europa neu gestalten

(c) REUTERS (Tobias Schwarz)
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Der demokratische Präsidentschafts-Kandidat wird in Berlin bejubelt. Einen Zwischenfall gab es in Obamas Hotel Adlon - ein verdächtiges Päckchen wurde gefunden.

Barack Obama ist am Donnerstagvormittag in Berlin gelandet. Die Sondermaschine des US-Präsidentschaftsbewerbers traf am Berliner Flughafen Tegel ein. Gegen 10.30 Uhr kam es dort zu einer Bombendrohung, die sich aber rasch als "schlechter Scherz" herausgestellt habe, wie Polizeisprecher Michael Bengsch erklärte. Sie sei nicht als relevant eingestuft worden: "Aufgrund der Gesamtumstände konnten wir das schnell entkräften."Berlin wartete schon sehnsüchtig auf die Ankunft: Am Vormittag haben sich bereits tausende Menschen auf den Weg zur Siegessäule gemacht, wo Obama am Abend eine Rede halten wird. Die deutsche Polizei bietet am Donnerstag bis zu 1.000 Beamte auf, um den Besuch zu sichern.

"Offen und in die Tiefe gehend"

Der Präsidentschaftskandidat selbst ist am Vormittag mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammengetroffen. Die Kanzlerin und der Senator von Illinois zogen sich zu einem rund einstündigen Gespräch zurück. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm teilte danach mit, dass die beiden eingehend über außenpolitische Themen, aber auch über Wirtschafts- und Klimafragen gesprochen hätten: „Es war ein sehr offenes und in die Tiefe gehendes Gespräch in sehr guter Atmosphäre."

Die Kanzlerin und Senator Obama hoben dabei die große Bedeutung von engen und freundschaftlichen deutsch-amerikanischen Beziehungen hervor. Das Gespräch sei bezüglich der Themen breit angelegt gewesen, betonte Wilhelm. Im Mittelpunkt stand nach seinen Angaben die intensive Erörterung außenpolitischer Themen von Iran, Afghanistan, Pakistan, dem Nahost-Friedensprozess bis hin zum NATO-Gipfel 2009.

Beide hatten sich zuvor noch nicht getroffen. Nach dem Treffen mit Merkel waren für den Nachmittag Begegnungen mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier und dem Regierenden Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit geplant.

Steinmeier: Translantische Zusammenarbeit

Außenminister Frank-Walter Steinmeier warb bei seinem Gespräch mit Obama um eine verstärkte transatlantische Zusammenarbeit vor allem in den Bereichen Umwelt, Klima sowie Abrüstung und Rüstungskontrolle. Auch diese Unterredung habe in einer "offenen und vertrauensvollen Atmosphäre" stattgefunden, erklärte Steinmeier.

Verdächtiges Päckchen im Hotel Adlon

Das Hotel Adlon, in dem Obama logiert, wurde am frühen Nachmittag wegen eines verdächtigen Päckchens gesperrt. Polizeisprecher Bernhard Schodrowski erklärte, Spezialisten der deutschen Polizei hätten das Paket untersucht - es stellte sich als harmlos heraus. Bei dem Inhalt habe es sich um eine harmlose Büchersendung gehandelt, sagte der Polizeisprecher. Das Päckchen war von einem Taxifahrer im Hotel abgegeben worden.

Später stellte sich heraus, dass der Absender ein Anhänger Barack Obamas war, der auf der Biographie Obamas ein Autogramm haben wollte. Er ließ das Buch ins Hotel senden - Obama sollte es signieren und zurücksenden, sogar das Rückporto lag bei. Ein Polizeisprecher sagte: "Von dieser Art der Kontaktaufnahme können wir nur abraten."

Gang durchs Brandenburger Tor geplant

Obama soll einem "ARD"-Bericht zufolge außerdem das Holocaust-Mahnmal und den Checkpoint Charlie, den früheren Übergang vom amerikanischen zum sowjetischen Sektor, besuchen. Auch ein symbolträchtiger Gang durch das Brandenburger Tor ist angeblich geplant.

Mehr Europäer für den Anti-Terror-Kampf

Höhepunkt des Besuchs ist die für den Abend geplante Rede vor der Siegessäule. Dazu wurden mehr als 100.000 Zuhörer erwartet. Angaben seines Stabs zufolge will Obama in dieser Rede die Europäer zu mehr Einsatz im Anti-Terror-Kampf drängen. Obama hat bereits angekündigt, im Fall seiner Wahl mehr US-Soldaten nach Afghanistan zu schicken. Er erwartet auch einen größeren Beitrag der Verbündeten dazu. Die deutsche Regierung hatte bereits in den vergangenen Tagen klar gemacht, dass sie solchen Forderungen Obamas distanziert gegenüber steht.

Verhältnis zu Europa neu gestalten

Über seine Rede sagte Obama im voraus: "Ich hoffe, sie wirkt als Leitbild für das Verhältnis, das ich zwischen den USA und Europa sehen möchte." Er betonte, er hoffe ebenso, dass die Rede über den Atlantik hinweg den Wert dieses Verhältnisses erklärt ung zudem verdeutlicht, "wie dringend wir dies herstellen müssen". Vergleiche mit den Reden der Ex-Präsidenten Kennedy, Reagan oder Clinton spielte Obama herunter: "Sie waren Präsidenten, ich bin Bürger."

Am Donnerstagabend wurde bekannt, dass Barack Obama länger in Berlin bleiben will als geplant. Agenturinformationen zufolge hat der US- Präsidentschaftsbewerber seinen Abflug nach Paris um gut zwei Stunden auf kurz nach 12.00 Uhr verschoben. Die Pläne könnten sich aber jederzeit wieder ändern, hieß es am Donnerstag. Demnach ist auch ein Besuch auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz noch möglich.

Die politische Diskussion in Deutschland um die Rede hielt unterdessen an. Der CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, Peter Ramsauer, kritisierte den Auftritt mit den Worten: "Wenn ein noch nicht einmal nominierter Präsidentschaftskandidat auftritt wie ein gewählter Präsident, dann stellt sich doch die Frage: Was passiert, wenn ein wirklich gewählter Präsident (...) das Gleiche will?" Ramsauer fragte in der "Schwäbischen Zeitung": "Lassen wir große deutsche Plätze zu amerikanischen Wahlkampfbühnen verkommen?" Er hätte sich "etwas mehr Instinkt gewünscht von Obamas Kampagnenführung".

Keine Gegendemonstrationen

Politische Beobachter mokierten sich, dass Obama noch keine Regierungsverantwortung trägt, jedoch bereits wie ein Staatsgast erster Güte behandet wird. Die fehlende Verantwortung ließ sich auch an den Gegendemonstrationen ablesen: Es gab so gut wie keine.

(Ag./Red.)

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