Lehman-Pleite trifft Österreich mit einer Milliarde Euro

(c) Reuters (Alex Grimm)
  • Drucken

Banken und Versicherungen halten Lehman-Anleihen. Am stärksten ist die Raiffeisen Zentralbank (RZB) engagiert.

Wien. (höll). Der Kollaps von Lehman Brothers geht an Österreichs Banken und Versicherungen nicht spurlos vorüber. Dem Vernehmen nach ist die Finanzbranche mit einer Milliarde Euro betroffen. Davon entfallen 600 Mio. Euro auf die Banken. Bei den Versicherungen geht es um 200 bis 300 Mio. Euro. Hinzu kommen noch Fondsgesellschaften und Pensionskassen.

Am stärksten ist die Raiffeisen Zentralbank (RZB) engagiert. Um die Spekulationen zu beenden, räumte das Institut am Mittwoch ein, Lehman-Positionen von 252 Mio. Euro in den Büchern zu haben. In diesem Betrag ist auch das Lehman-Exposure der Osteuropa-Tochter Raiffeisen International enthalten. Dabei geht es meist um Anleihen.

Abschläge von 60 Prozent

Lehman-Bonds sind zwar nicht wertlos, doch sie werden derzeit mit einem Abschlag von rund 60 Prozent bewertet. Optimisten in den Banken hoffen, dass unter dem Strich nur ein Abschreibungsbedarf von 40 Prozent anfällt.

Auf Platz zwei unter den Kreditinstituten liegt die Österreichische Volksbanken AG, die das „maximale Ausfallsrisiko“ mit 50 Mio. Euro beziffert. Bei der Bank Austria liegt das Lehman-Exposure „unter 50 Mio. Euro“, was nicht verwundert. Denn innerhalb der UniCredit-Gruppe gab es zuletzt Umstrukturierungen. Die Bank Austria musste Investment-Aktivitäten nach München und nach Mailand transferieren.

Die Erste Bank gibt ihr Lehman-Engagement mit „rund 40 Mio. Euro“ an. Dabei handelt es sich um Anleihen, syndizierte Kredite und Derivate. „Das Ausmaß ist gering. Unser gesamtes Kreditportfolio hat einen Umfang von 122 Mrd. Euro“, beruhigt ein Banksprecher. Die Bawag-PSK versichert, dass sie „weder über Bonds oder Kredite bei Lehman Brothers“ investiert sei. Die Constantia Privatbank hat Garantiezertifikate in der Höhe von 35 Mio. Euro verkauft. „Wir halten keines der Zertifikate im Eigenvermögen und tragen daher kein Abwertungsrisiko“, sagt ein Banksprecher. Die Meinl Bank erklärte auf Anfrage, vom Lehman-Desaster komplett unberührt zu sein.

Die Wiener Städtische besitzt Insidern zufolge Lehman-Anleihen von 60 bis 70 Mio. Euro. Ein Teil davon stammt von der kürzlich übernommenen Erste-Bank-Tochter S-Versicherung. Bei der Uniqa geht es um 40 bis 50 Mio. Euro. Nicht zu unterschätzen sind die Auswirkungen auf die Fondsgesellschaften. Die Raiffeisen Capital Management (RCM), die größte Fondsgesellschaft des Landes, hält Lehman-Anleihen von 30 Mio. Euro. Die RCM kommt auf einen Marktanteil von 20 Prozent.

Wäre der US-Versicherungsriese AIG in die Pleite geschlittert, hätten sich für manche Versicherungen dramatische Auswirkungen ergeben. So gab die Wüstenrot-Versicherung gestern zu, dass AIG ihr Garantiegeber bei allen prämienbegünstigten Zukunftsvorsorge-Produkten ist. Laut Wüstenrot-Chef Helmut Geier werde es bei den Pensionskassen noch „böse Überraschungen“ geben.

Auf einen Blick

Viele heimische Finanzinstitutehaben Anleihen der in die Pleite geschlitterten US-Investmentbank Lehman Brothers in den Büchern. Dem Vernehmen nach geht es um eine Mrd. Euro. Die Anleihen sind nicht wertlos, doch sie werden aktuell mit einem Abschlag von rund 60 Prozent gehandelt. Optimisten in den Banken hoffen, dass unterm Strich nur ein Abschreibungsbedarf von 40 Prozent übrig bleibt. Am stärksten hat es die Raiffeisen Zentralbank erwischt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.09.2008)


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.