Was tut sich in der heimischen Szene? Wer sind die Künstler, die (noch) nicht in der ersten Reihe stehen? Das Essl Museum gibt ihnen eine Plattform. Das Schaufenster stellt sechs davon vor. Text: Johanna HofleitnerFotos: Julia Stix, beigestellt
Aus der Silberschmiede Markus „Damark“ Bacher malt, wie er sagt, immer: „Sogar jetzt, wenn wir reden, malt ein Teil von mir, weil mich die malerische Umsetzung des Gesprächs interessiert.“ Diese Obsession ist wohl mit ein Grund dafür, dass seine Bilder selten kleiner als wandfüllend ausfallen. „Ja, ich bin schon großformatig am Weg, aber ich kann nicht anders“, sagt der Attersee-Schüler mit Leipziger Intermezzo. Dabei fallen die Riesenleinwände des 25-jährigen Kitzbühlers, dessen Lieblingsfarbe Weiß ist, durchaus luftig und leicht aus.
Halb figürlich, halb abstrakt erzählen sie von Schwebezuständen – eine Fragilität, die auch die Ausführung sichtbar machen soll. Nicht selten greift er dafür zu einem „Nullerpinsel“, der am Ende einer Malsession oft nur mehr aus einem einzigen Haar besteht. Ein wiederkehrendes Thema seiner Bilder sind „gesellschaftliche Sachen“, ein Lieblingsmotiv ist etwa die Schreibmaschine, die ursprünglich gar keine Schreibmaschine war, sondern nach einem alten, im Atelier herumstehenden Ofen gemalt wurde. „Das Figurative ist mir in den Maschinenbildern wichtig, deshalb sind die Maschinen bei mir beseelt“, sagt er.
„Die Schreibmaschine ist wie eine Mutter, die Buchstaben sind ihre Kinder. Was sie schreibt, ist die Liebe.“ Um Kommunikation geht es Bacher aber nicht nur mit seiner Malerei. Auch als Künstler ist er an Netzwerken interessiert. Dafür hat er vor kurzem in der Kaiserstraße 83 eine alte Silberschmiede zum offenen Atelier umgebaut – als Knotenpunkt, Offspace und Zentrum, in dem Malerei so praktiziert werden soll, wie sich Markus Bacher das vorstellt, im Kunstbetrieb aber kaum vorfindet. www.damark.org
Eigentlich hatte Michael Goldgruber vor, sein Geld als semiprofessioneller Sportkletterer zu verdienen, entschied sich letztlich aber doch für eine solide Ausbildung als Fotograf. Parallel dazu absolvierte der gebürtige Leobener (Jahrgang 1965), dessen künstlerisches Thema der Mensch, sein Verhältnis zur Natur und die dafür geschaffenen Räume von der Seilbahnstation bis zur Aussichtsplattform sind, ein Kunststudium an der Angewandten in den Klassen von Maria Lassnig und Ernst Caramelle. Dass die Biografie des sportbegeisterten Jugendlichen am Ende in der Kunst münden würde, war so absehbar nicht.
Doch die Fragen, die Michael Goldgruber heute als Künstler stellt, haben ihn schon damals beschäftigt. „Ich bin mit Alpinismus und Bergsport aufgewachsen. Da fällt einem schon einiges auf, was politisch problematisch ist: der Heimatbegriff etwa, die Bilder der Berglandschaften, die Gesten der Territorial-Besetzung, wenn wieder ein Gipfel von Extrembergsteigern wie Thomas Bubendorfer, Reinhold Messner oder Hans Kammerlander erobert wurde.“ Oder die Räume und Architekturen, die der Mensch dafür herstellt und bisweilen buchstäblich in Felsen meißelt.
Heute, so ist sich Michael Goldgruber sicher, ist „eine authentische Erfahrung von Natur und Landschaft nicht möglich. Umso mehr interessiert mich die Wahrnehmung der Natur und die Wahnsinnsapparaturen und -architekturen, die dafür geschaffen werden.“ In Videos, Fotografien und Installationen, die nur auf den ersten Blick nüchtern und dokumentarisch wirken, spürt der Künstler dieser Wahrnehmung nach. www.goldgruber.at
Viehwirtschaft & Datenaustausch, Handarbeit & Netzkultur, modernes Nomadentum mit den Stationen Feldkirch, Amsterdam, Wien, New York und der Halbinsel Sinai – in diesen heterogenen Gefilden hat sich Barbara Husar mit ihrer Kunst angesiedelt. Vor einem Jahr kaufte sie dafür in der Wüste eine eigene Herde, am Horizont steht eine „Astralskulptur“: eine Hängematte, geknüpft aus den Nabelschnüren kleiner Ziegen. „Ich beschäftige mich schon lange mit dem Fließen von Informationen und habe dafür unterschiedlichste Verbindungen recherchiert – von Nerven und Synapsen bis hin zu Schuhschnallen, die ich in der Wüste fand, um Schnittstellen zu dieser Welt zu schaffen.
Doch die Nabelschnur, die in der Mythologie als Sitz der Seele gilt, ist für mich der Datenstrang par excellence“, sagt die 1975 geborene Vorarlbergerin. Seit 13 Jahren reist sie für ihre Recherchen in den Nahen Osten, erst als Touristin, mittlerweile als Gleichgestellte mit den tarabeischen Beduininnen. Durch die eigene Herde ist Barbara Husar mit ihnen in ein Austauschverhältnis getreten und tauscht Wolle und Papier, Goldringe, Plastikplanen und Fördergelder gegen Nabelschnüre.
Sieben hat sie schon, zwei fehlen noch, um an eine Realisierung der „Astralskulptur“ zu denken. Den Austausch dokumentiert sie in Zeichnungen, Videos und Objekten. Von ihrer jüngsten Reise erzählt jetzt im Essl Museum die Arbeit „Data Exchange – Phase 8“, – eine Videoinstallation, die sie in ein nomadisches Basislager aus orientalischen Decken, weißen Saatgutsäcken und feine Zeichnungen eingebettet hat. www.husar.tk
Ins Schema des jungen Shootingstars lässt sich Virgilius Moldovan nicht leicht pressen. Der 53-Jährige denkt seit gut dreißig Jahren über eine Erneuerung des traditionellen Skulpturenbegriffs nach, die letzten neun Jahre beschäftigt er sich zunehmend mit dem aus der römischen Antike herrührenden Konzept des „Kolosses“. Das alles klammheimlich, denn sein Geld verdient er als Steinrestaurator. Begriffe wie Akt, Standbein, Spielbein, die Darstellung von Schönheit stehen hier wie da an der Tagesordnung – auch wenn er in seiner Kunst Päpste miteinander raufen lässt.
Der Schlüssel zu diesem ungewöhnlichen Werdegang liegt in Moldovans Biografie. Die Kunstausbildung absolvierte er in Rumänien, wo er bis 1985 lebte. „Der sozialistische Realismus hat viel auf die menschliche Figur gesetzt“, sagt er, „das versuche ich in meiner Arbeit zu erneuern.“ Obwohl er seinen paradoxen, klassizistisch anmutenden Hyperrealismus durch den Einsatz modernster Materialien erzielte, blieb sein Werk lange unentdeckt, weil nicht en vogue.
(c) Schleinzer Christian
Mit dem Comeback der Skulptur und dem Revival von Farbigkeit, Plastizität und Figuration ist sein Schaffen allerdings schlagartig im Zentrum des zeitgenössischen Diskurses gelandet. Dass er zuerst in Schanghai erfolgreich war, bevor er nun auch hierzulande neu entdeckt wird, überrascht nicht. Dabei ist sich Virgilius Moldovan eigentlich nur selbst treu geblieben. Sein Credo:„Der Witz ist, intelligent gegen die Regeln zu verstoßen.“ (virgilius.moldovan@gmx.net).
Miriam Bajtala sieht sich selbst als „verkappte Bildhauerin“, die in erster Linie zeichnet und filmt. „Mich interessiert die Systematisierung von Raum“, sagt sie. „Ich erarbeite das an einer Zeichnung, die immer größer wird. Oder ich versuche, den Raum in ein Buch zu pressen. Das exemplifiziere ich jeweils an meiner Wohnung.“ Für ihren Ausstellungsbeitrag im Essl Museum hat sich Bajtala, die 1970 in Bratislava geboren wurde und an der Wiener Akademie bei Eva Schlegel studierte, ihren Kleiderschrank vorgenommen.
Zusammengesetzt aus 200 Din-A4-Blättern, die sie eine nach der anderen mit feinem Architektenstift bezeichnet und erst vor Ort zum großen Ganzen zusammengesetzt hat, untersucht sie die Anschlussfähigkeit von Systemen. „Ich versuche, möglichst genau zu sein in dem, was ich mache, aber es fällt mir schwer, ein einzelnes Bild zu machen. Ich habe Angst vor einem Bild“, sagt sie. Durch leichte Vergrößerung entsteht ein Verfremdungseffekt. „Es geht in meiner Arbeit ganz stark um Blickkonstruktion, Multiperspektivität und die Umsetzung von Dreidimensionalität in die Ebene, was immer auch etwas Filmisches hat.“
Logisch, dass Miriam Bajtala vis-à-vis der über 200-teiligen, vier Meter hohen und drei Meter breiten Zeichnung ein Video laufen lässt. Auf insgesamt 13 Minuten Länge ist zu sehen, wie sie sich mit der Kamera durch 23 Kleiderkästen unterschiedlicher Besitzerinnen arbeitet. „Ich bin immer an Konzepten interessiert und denke mir gern Systeme aus. Es geht darum, wie man Porträts ins Allgemeine überträgt.“
Ein sieben Meter langes Holzgerüst aus zierlichen Streben, dessen Konstruktion von der Grundform her an Strichmännchen erinnert. Es sind Holzleisten, wie sie auch für Keilrahmen Verwendung finden. Dort, wo normalerweise die Köpfe sitzen sollten, stehen schräg aneinandergelehnt zwölf quadratische Leinwände – düstere Formationen, aus denen sich bei genauer Betrachtung Gesichter herausschälen. Die Holzkonstruktion fungiert zugleich als Regal, sodass auf Verbindungsbrettern auch noch handgeformte weiße Keramiken Platz finden.
Für Daniel Domig, 1983 geborener Wiener kalifornischer Herkunft und Absolvent der Malereiklasse von Gunter Damisch an der Akademie am Schillerplatz, hört Malerei nicht an den Rändern der Leinwand auf. „Nach meinem Verständnis ist es nicht so klar, wo die Grenzen der Malerei konkret sein sollten“, sagt er. „Schon das Bauen der Leinwand ist für mich eine extrem anstrengende Arbeit – insofern, als es einen installativen Prozess auslöst. Ebenso muss ich in der Ausstellung auf das Rohmaterial ,Raum‘ eingehen, sodass das Bild, statt im Atelier zu enden, auch dort weitergeht.“ Aus diesen Überlegungen heraus hat Domig seine Installationen entwickelt.
Trotzdem sieht er sich nicht als Installationskünstler, sondern als Maler. Zur Untermauerung hat er vis-à-vis der großen Installation auch zwei klassische Tafelbilder aufgehängt. „Ich bin mir der Tradition bewusst und denke, es gibt keine Abkürzungen“, sagt er. „In meiner Malerei bleibe ich dem Prozess treu. Daher ist das Material von hinten zu sehen, und teilweise sieht man in den Bildern auch bis auf die Leinwand durch.“ www.currentlynowhere.com
„AUSTRIA conTEMPORARY“ im Essl Museum, weitere Künstler:Andrea Danner, Wolfgang Lehrner, Michail Michailov, Barbara Musil, Karin Maria Pfeifer, Ingrid Pröller, Patricia Reinhart, Johanna Tinzl/Stefan Flunger, Barbara Vögel, Clemens Wolf. Bis 8. 2. 2009 www.sammlung-essl.at
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