Einen Joint und eine Homo-Ehe kann niemand verwehren - oder?

Die Neos versuchen politischen Selbstmord, und die Bischofssynode gab sich liberal - in engen Grenzen freilich.

Sie sei eine „öffentliche Intellektuelle“ gewesen, schrieb der „Standard“ in seinem Huldigungsnachruf über Erika Weinzierl, die langjährige Ordinaria des Instituts für Zeitgeschichte der Universität Wien. Der Tod der auch international zu Recht gerühmten 89-jährigen Historikerin, die sich vor allem um die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit ihres (und unseres) Landes verdient gemacht hat, der Tod Erika Weinzierls also, dieser laut „Standard“ öffentlichen Intellektuellen, lässt die Frage offen, ob es auch nicht öffentliche Intellektuelle gibt.

Das Blatt wird es wissen. Ich weiß es nicht, gebe demnach eine eklatante Bildungslücke zu und suche nach Beispielen. Nicht öffentliche Intellektuelle könnten, meine ich, etwa Menschen sein, die sich zwar für gescheit halten, aber unerkannt sind und bleiben wollen. Da fallen mir etwa die Neos ein. Ihre Jungen verlangen die Freigabe des Rauschgifts Cannabis, und Parteiobmann Strolz hat sich nach einigem Überlegen entschieden, diesen Beschluss zu unterstützen.

Einen Joint zu ehren, kann niemand verwehren, am wenigsten die jungen Neos mitsamt ihrem Chef. Die getrockneten Blätter der weiblichen Cannabispflanze werden laut Wikipedia „Marihuana oder umgangssprachlich Gras genannt und nach dem Trocknen konsumiert. Das extrahierte Harz wird auch zu Haschisch oder Haschischöl weiterverarbeitet.“ Und weil die Junos, die Parteijugend, laut Bundesbüro „steil“ sind, wollen sie gleich auch Kokain und die anderen Drogen gesetzlich freigeben.


Was ist das? Versuchter politischer Selbstmord einer Partei, die angeblich sogar über eine Handvoll nicht öffentlicher Intellektueller verfügt? Strolz könnte einer davon sein. Wahrscheinlich will er auch „steil“ sein, was er nach dem mäßigen Abschneiden bei den letzten Wahlen braucht. Und vielleicht wollen sich die jungen Neos ein Beispiel an der römischen Bischofssynode nehmen, die, freilich in einem ganz anderen Bereich und auf weitaus höherem Niveau, offenbar auch gewisse Probleme mit der „Steilheit“ hat.

Sie hat sich uneins gezeigt über Probleme und Fragen, von denen man meinte, dass sie in diesen Kreisen unumstritten sind: etwa die Bedeutung des Ehesakraments und in diesem Zusammenhang vor allem die Frage, ob „gleichgeschlechtliche Partnerschaften“ von der Kirche gewürdigt werden sollen. „Ja“, sagte Kardinal Schönborn – wenn sie „auf lebenslanger Treue und gegenseitiger Sorge beruhen“. In einem auch in Wien viel diskutierten Interview für eine italienische Zeitung meinte er, Jesus habe gesagt, dass auch Zöllner und Prostituierte ins Himmelreich aufgenommen würden, und diese Botschaft richte sich auch an Bischöfe und Priester: „Oft könnten diese sich vor dem vorbildlichen menschlichen Verhalten Homosexueller verneigen“, auch wenn sie diese Form der Sexualität nicht absegnen könnten.

Nicht nur einen Joint, sondern auch eine von Liebe getragene Homo-Ehe in Ehren kann offenbar niemand verwehren. Niemand? Strolz und die Seinen werden ehebaldig draufzahlen. Und was den Zwist in der Bischofssynode betrifft, so wurden die heikelsten Probleme bis zum nächsten Jahr vertagt. Bei der Begrenzung der Wahlkampfkosten, einem ganz anderen Problem, war es leichter. Weil sie vielfach nicht eingehalten wird, ändert man sie – aus, Punktum.

Bleibt noch die Frage, was der Unterschied ist zwischen Gesetzen, Gebräuchen und dem „G'hört sich“. Die Antwort ist offen.

Der Autor war langjähriger Chefredakteur und Herausgeber der „Presse“.
E-Mails an: thomas.chorherr@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.11.2014)

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