St. Pölten
Affenzirkus vor laufenden Kameras
Hunderte Reporter und eine Handvoll Schaulustiger vor dem Landesgericht St. Pölten: Eine willkommene Bühne für allerlei Aktivisten und Selbstdarsteller. Ein Lokalaugenschein.

Montagvormittag vor dem Landesgericht St. Pölten: Hunderte Reporter warten auf den Beginn des Prozesses gegen Josef F. Nur eine Handvoll ortsansässiger Schaulustiger hat sich eingefunden, dafür aber umso mehr Personen, die den Medienrummel für ihren Affenzirkus nutzen.Text und Bilder: Bernhard Lichtenberger, DiePresse.com
(c) Die Presse (Bernhard Lichtenberger)

Dieser Mann mit Affen-Dämonen-Maske zieht mit seinem lauten Gebrüll "Österreich ist geil!" und der einen oder anderen Obszönität die Aufmerksamkeit der Fotografen auf sich, ...
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... doch geht in dem Lärm seine "Botschaft" verloren.
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Dieser Che-Guevara-Verschnitt hingegen hat seine Botschaft angebracht: "Zuerst hat man den Jesus gekreuzigt. Und heute kreuzigt man die Kinder!"
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Mit "man" meint er die Jugendbehörden, die ihn nach der Trennung von seiner Partnerin kontrolliert hätten. "Aber asoziale Familien kontrolliert man nicht!"
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Kinder scheinen den Aktivisten vor dem St. Pöltner Landesgericht ein großes Anliegen zu sein, etwa der "Resistance for Peace", die im Fall des mit 17 Monaten verstorbenen Luca Anzeige gegen die Behörden erhoben hat. Zerbrochene Puppenkörper säumen ihren Weg.
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Am anderen Ende des Platzes vor dem Landesgericht hat sich der Verein "L.U.C.A." postiert - auch sie erinnern an den gewaltsamen Tod des Kleinkindes.
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Unter den Aktivisten ist Bernhard Haaser, der leibliche Vater von Luca. Seine Mitstreiter diskutieren intensiv über das Versagen der Behörden und die "Rabenmutter", die ihr Kind nicht beschützt habe.
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Dieses Versagen wird mediengerecht als Sensenmann dargestellt. Der Verein "L.U.C.A." ist nicht der einzige, der die Behörden kritisiert ...
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... mit rot-weißen Fahnen beziehen fünf Mann der Nationalen Volkspartei (NVP) vor dem Gericht Stellung. "Die Gemeinde hätte den Wasser- und Stromverbrauch kontrollieren sollen. Das muss doch auffallen, wenn er bei einem Haushalt von drei Personen für sieben oder acht einkauft."
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Von Überwachung und Bespitzelung will man nicht sprechen. "Die Behörden sollen nur ihre Pflicht tun und verdächtige Dinge melden." Die NVP ist jene Gruppe, die zu einer Demonstration am 18. April 2009 in Braunau zum Gedenken an die 100 Millionen Opfer des "Staatskapitalismus" (Kommunismus) aufgerufen hat. Und auf ihrer Homepage dazu anmerkt: "Wir feiern keine Geburtstage, wie uns von böswilligen Linken und Gutmenschen unterstellt wird."
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Sind die Kameras abgestellt, lehnen die Transparente nur mehr lasch an der Außenmauer des Landesgerichts.
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Um 9:30 Uhr leert sich der Platz vor dem Gericht, fast alle Journalisten drängen ins Medienzelt, das auf einem nahen Parkplatz aufgebaut ist.
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Alle Augen sind auf einen einzigen Fernseher (geschätzte 90 Zentimeter Diagonale) gerichtet, auf dem zu sehen ist, wie mehrere ORF-Kameraleute vergeblich versuchen, das Gesicht von Josef F. zu filmen, während ein Reporter ebenso vergeblich versucht, ihm eine Antwort zu entlocken.
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Nichtsdestotrotz starren alle Anwesenden auf den Bildschirm. In den hinteren Reihen werden Plastiksessel zu Tribünen umfunktioniert.
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Im Gerichtssaal sind nur APA-Fotografen und ORF-Kamerateams erlaubt, die ihre Aufnahmen den anderen Medien zur Verfügung stellen müssen. Nach zehn Minuten schickt sie die Richterin aus dem Verhandlungsraum.
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Draußen warten deutsche, italienische, englische, französische, japanische und russische TV-Teams auf das Material, um einen Second-Hand-Einblick in den Gerichtssaal zu bekommen.
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Die Hoffnung, einen Blick auf das Gesicht von Josef F. erhaschen zu können, wird nicht erfüllt ...
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... umso unruhiger wird es in den Reihen der Journalisten, als der Pressesprecher des Gerichts, Franz Cutka, vor das Gebäude tritt.
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Innerhalb kürzester Zeit ist er von Kameras umringt und wird mit Fragen bombardiert. "Herr Cutka, können Sie sich vor die Übertragungswagen stellen?" Irgendwann reißt ihm der Geduldsfaden ...
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... und er blockt alle weiteren Fragen ab: "Wollt ihr nicht bis zur Pressekonferenz um 16 Uhr warten?"
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Jeden Tag um diese Zeit findet im Pressezelt eine Konferenz mit der Zusammenfassung des Prozesstages statt. Mit einem Urteil wird am Freitag gerechnet.
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Für die Pressebetreuung ist Peter Bylica, der Sprecher der Stadt St. Pölten, zuständig. Die Pressemappe sei in 14 Sprachen übersetzt worden, erzählt er. Stress sei für ihn nichts Neues, "nur in dieser geballten Form ist er neu".
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Auf seine Initiative stehen vor dem Pressezelt zwei mobile Verkaufsstände mit Lebensmitteln, einer mit "süssen (sic!) Früchten" ...
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... und einer mit Gebäck und dem Herzstück der österreichischen Küche, dem warmen Leberkässemmerl. Allerdings ist der Verkaufshit ein anderer, wie Frau Schneck erzählt: Kaffee.
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"Manche Journalisten sind schon seit 4 Uhr da. Wie wir um 8 Uhr aufgesperrt haben, sind die gleich her und haben um Kaffee gefragt", berichtet Frau Schneck.
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Stromkabel, ein mobiler Handysendemast, WLAN, ein mobiles Klo der Feuerwehr St. Pölten, ein Journalistenempfang, Stadtführungen - die Stadt versucht, den Medien ein möglichst professionelles Bild zu vermitteln. Mit Erfolg, wie Sprecher Bylica meint: "Wir erhalten durchwegs positives Feedback."
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Wichtig war dem Pressesprecher, dass "nicht 50 Kamerateams vor dem Gericht lagern und den Schießstattring - eine Hauptverkehrsroute - blockieren", sondern dass der Tagesablauf für die St. Pöltner möglichst normal ablaufe.
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Es scheint ihm gelungen zu sein: Schon in der Seitengasse neben dem Gericht ist keine Kamera mehr zu sehen, einige Vögel verkünden an dem kalten Märztag trotzig den Frühling.
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Renate Karner, die bei ihrem Spaziergang eher zufällig am Gericht vorbeigekommen ist, bestätigt: "Vom Medienrummel merkt man in der Stadt nichts, außer dass einem Leute entgegen kommen, die man nicht kennt."
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In der St. Pöltner Innenstadt, etwa in der Einkaufsstraße Kremser Gasse, herrscht Normalbetrieb. Nur gelegentlich verirrt sich ein Kamerateam hierher.
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Eine Kellnerin des Cafe Central stellt die Stühle auf den Rathausplatz, obwohl, wie eine Frau meint, es "draußen noch recht frisch" ist. Ein Mann setzt sich verspätet zu ihr an den Tisch. "Ich hab einen Parkplatz gesucht. Wahnsinn, was ist denn da los heute?"
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