G20: Der Glanz der großen Zahl

(c) Reuters (Kevin Coombs)
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Was bedeuten die Beschlüsse des Treffens der 20 größten Industrie-Nationen der Welt in London? Manches ist substanziell, vieles nur Kosmetik.

London. Wenn das Wort „historisch“ inflationär gebraucht wird, ist üblicherweise Vorsicht angebracht. Für die Ergebnisse des G20-Gipfels spendeten sich die Teilnehmer erwartungsgemäß üppiges Selbstlob, aber auch Beobachter und Kommentatoren waren in ihren Einschätzungen überwiegend positiv: „Keine schlechte Sache“, schrieb der „Independent“. Die „Financial Times“ sprach sogar von einem „substanziellen Erfolg“. Was aber wurde in London tatsächlich vereinbart?

Der Gipfel hatte drei große Themenschwerpunkte:
•ein globales Konjunkturprogramm mit frischem Geld;
•Verschärfungen der Regulierung der Finanzmärkte;
•Stärkung der internationalen Finanzinstitutionen wie Weltwährungsfonds (IWF) und Weltbank, die sich in den vergangenen Monaten als letzte Zuflucht für viele Staaten erwiesen haben.

Die Tatsache, dass es bei den ersten beiden Punkten wenig Übereinstimmung und daher auch nur bescheidene Resultate gab, wurde am Ende des Gipfels geschickt mit der Megazahl von 1,1 Billionen Dollar verdeckt. Doch diese Zahl bedeutet nicht, dass auch nur annähernd so viel Geld lockergemacht werden wird.

„Sieger“ des Gipfels, da waren sich alle einig, ist der IWF. Der Fonds soll 750 Milliarden Dollar erhalten. Der IWF hatte bisher einen Kapitalstock von 250 Milliarden Dollar, davon sind mehr als 100 in den letzten Monaten an Länder wie die Ukraine, Rumänien oder Lettland geflossen (oder ihnen zumindest zugesagt worden). Nun soll das Kapital um 500 Milliarden Dollar aufgestockt werden. Das macht den IWF zwar zu einer echten Größe auf den Kapitalmärkten, wann das Geld fließen soll und wie die 186 Mitgliedstaaten dafür aufkommen sollen, sagt das Schlusskommuniqué jedoch nicht.

Von diesen 500 Milliarden hat schon früher Japan 100 zugesagt, die EU 85, und andere Staaten haben ebenfalls mehr Mittel versprochen. China hat nach Angaben des britischen Premiers Gordon Brown in London 40 Milliarden versprochen, von Peking wurde das bisher aber nicht bestätigt.

Zu den 500 Milliarden Dollar kommen noch 250 Milliarden an sogenannten „Sonderziehungsrechten“. Das ist eine Art Ersatzwährung des IWF, die von Mitgliedern entsprechend ihrer Quote zu Geld gemacht werden kann. Dieser Betrag ist die bedeutendste reale Mittelzuwendung des Gipfels. Auf 44 Prozent davon haben aber die G7-Staaten Anspruch. Eine Neuverteilung der Quoten und Stimmrechte im IWF wurde vertagt.

Dagegen sind die ebenfalls in der Schlusserklärung der G20 genannten 250 Milliarden Dollar für den Welthandel wenig mehr als eine Addition bestehender Exportgarantien/-kredite und von Absichtserklärungen. Liest man den Anhang des Kommuniqués, erfährt man, dass ganze drei Milliarden Dollar am Donnerstag neu versprochen wurden. Die restlichen 100 Milliarden Dollar für internationale Finanzorganisationen wie Weltbank, Afrikabank oder Asienbank sind ebenfalls eine Wiederholung bereits getroffener Beschlüsse.

Bei der Regulierung verkündeten vor allem Frankreich und Deutschland einen großen Erfolg. Tatsächlich wurden Verschärfungen beschlossen: „systemisch wichtige Hedgefonds“, aber auch Ratingagenturen sollen unter Kontrolle gestellt und Bonuszahlungen an Manager reguliert werden. Gescheitert aber sind alle Bestrebungen nach internationaler Aufsicht.

Eine glatte Abfuhr erhielten die USA und Großbritannien bei ihrer Hauptforderung nach einem neuen Konjunkturprogramm, das reales Geld in die Weltwirtschaft pumpt. Stattdessen addierte man bestehende Programme und kam zu der Fabelziffer fünf Billionen Dollar.

Bankgeheimnis und graue Liste

Deutlich die Erklärung der G20 zu den Steueroasen: „Die Zeit des Bankgeheimnisses ist vorbei.“ Parallel zu dem Kommuniqué veröffentlichte die OECD eine schwarze Liste von Steueroasen, auf der vier Staaten stehen: Costa Rica, Malaysia, die Philippinen, Uruguay). Österreich ist laut OECD keine Steueroase, steht aber auf einer „grauen Liste“ (mit insgesamt 37 anderen Staaten; Österreich ist in einer Untergruppe mit, unter anderem, der Schweiz): Darauf finden sich Staaten, die sich zu den international vereinbarten Steuerstandards bekannt haben, aber diese „noch nicht wesentlich“ umgesetzt haben.

Finanzminister Josef Pröll (VP) übte deswegen Kritik an der OECD. Man sei in der Frage nicht konsultiert worden. Außerdem sei nicht klar, was damit überhaupt gemeint sei. Befragt, was der Sinn der Liste also sei, meinte ein Sprecher des Finanzministers: „Das fragen wir uns auch.“

MILLIARDE UND BILLION.

Sprechen die Amerikaner von „one trillion Dollars“, die die G20 in die Wirtschaft pumpen, meinen sie damit eine Billion Dollar. Die USA verwenden das kurze Zahlensystem: In diesem ist die „billion“ die Milliarde, die „trillion“ die Billion und die „quadrillion“ die Billiarde. Die Milliarde gibt es nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.04.2009)


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