Gesundheit: Die Selbsttests kommen

Bianca Gfrei, Alexander Just und Silvia Hecher.
Bianca Gfrei, Alexander Just und Silvia Hecher.(c) Stanislav Jenis
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Das Start-up Kiweno hat einen Selbsttest für Nahrungsmittelunverträglichkeiten entwickelt. Juno bietet einen Fruchtbarkeitstest an, mit dem sich vorhersagen lässt, wie lang eine Frau noch schwanger werden kann.

Ein kleiner Pieks in den Finger und einige Tropfen Blut in ein Röhrchen fallen lassen. Viel mehr muss man nicht tun, wenn man bei Kiweno oder Juno einen Selbsttest macht. Beide Start-ups bedienen mit ihren Produkten eine stetig wachsende Zielgruppe. Kiweno hat sich auf die derzeit allgegenwärtigen Nahrungsmittelunverträglichkeiten spezialisiert. Und Juno auf einen Fruchtbarkeitstest, mit dem man in die Zukunft schauen kann. Der Test ermöglicht eine längerfristige Prognose über den Zeitraum, in dem eine Frau noch schwanger werden kann.

Sowohl Kiweno als auch Juno bieten die Möglichkeit an, online ein Testkit zu bestellen, den Bluttest selbst zuhause durchzuführen und dann einzuschicken. Die Testauswertung erfolgt jeweils in einem Labor, mit dem die Start-ups kooperieren. Die Aufbereitung der Ergebnisse wird von einem Algorithmus digital vorgenommen und visualisiert. Bei Bedarf können die Kunden dann weitere Beratungsleistungen zukaufen.

Wie so oft steckt auch hinter der Geschäftsidee von Kiweno die persönliche Betroffenheit: „Ich hatte sehr oft Bauchschmerzen und den Verdacht, dass ich eine Unverträglichkeit haben könnte“, sagt Kiweno-Gründerin Bianca Gfrei. „Was dann folgte, war ein wahrer Ärztemarathon. Begonnen habe ich beim praktischen Arzt, ich bin dann zu fünf weiteren Ärzten geschickt worden. Das war alles sehr mühsam, zeit- und kostenintensiv.“ Nach der Odyssee wurde bei Gfrei eine Unverträglichkeit gegen Gluten und Kasein (Letzteres gehört zu den häufigsten Auslösern einer Kuhmilchunverträglichkeit, ist aber nicht mit Laktose gleichzusetzen). Das Bauchweh verschwand. Und Gfrei hatte eine Mission. Mit einem befreundeten Internisten, dem späteren Mitgründer von Kiweno, Roland Fuschelberger, entstand die Idee, den Test und den Prozess der Auswertung zu vereinfachen – und dadurch günstiger und schneller anzubieten als derzeit bei Ärzten.

Zweieinhalb Jahre seien in die Vereinfachung des Tests und in die digitale Auswertung und Darstellung des Ergebnisses geflossen. Der Test selbst wurde insofern vereinfacht, als jetzt weniger Blut – nur zwei Tropfen – nötig ist als bei den marktüblichen Tests. Das Testergebnis und alle dazugehörigen Daten und Ernährungsempfehlungen sind für Kunden auf der Homepage von Kiweno abrufbar.

70 Nahrungsmittel getestet. Ein Jahr lang wurde das Produkt mit Ärzten, Apotheken und Therapeuten getestet. Auf den Endkunden „losgelassen“ wurde es im Juni dieses Jahres. Seither haben mehrere Tausend das Testkit bestellt, mit dem die Reaktion auf 70 Nahrungsmittel getestet werden kann. Damit seien die am häufigsten vorkommenden Unverträglichkeiten (Gluten, Kasein, Hühnerei, Obst, Nüsse) abgedeckt, sagt Gfrei. Für einen vergleichbaren Test müsse man beim Arzt zwischen 300 und 400 Euro hinblättern. Krankenkassen würden einen derart umfassenden Test beim Arzt nicht bezahlen, höchstens vereinzelte Tests von Laktose- oder Fruktoseintoleranz (die im Kiweno-Test nicht enthalten sind).

„Die ursprüngliche Idee war, die Testkits Ärzten anzubieten und ihnen damit ein Tool zur Diagnose zur Verfügung zu stellen, aber wir haben schnell gemerkt, dass die Kunden lieber selbst Einsicht in die Testergebnisse haben möchten“, sagt Gfrei.

„Wer eine Nahrungsmittelunverträglichkeit hat, braucht Hilfestellungen, wie er damit im Alltag umgehen kann.“ Deshalb mache Kiweno jetzt genau das, was bei vielen praktischen Ärzten zu kurz komme: Ernährungs- und Lebensberatung. „Wir fokussieren stark darauf, dem Kunden zu zeigen, wie er selbst seine Ernährung optimieren kann“, sagt Gfrei. „Wenn jemand zum Beispiel eine Unverträglichkeit von Dinkel hat, kann er mit weiteren Klicks erfahren, wie lange er Dinkel meiden sollte und welche gut verträglichen Lebensmittel eine Alternative sein könnten.“ Das Onlineprofil ist im Preis für das Testkit – 99 Euro – inbegriffen.

An weiteren Tests arbeitet Kiweno bereits – an einem zu Histaminunverträglichkeit etwa. Ein weiterer Schritt sei es, die Tests zu individualisieren. „Generell können wir alles testen, was über Speichel, Blut oder Urin messbar ist“, sagt Gfrei. Rund 400 Nahrungsmittel seien testbar.

Viel Unwissen. Über Unverträglichkeiten gebe es noch viel Unwissen. Zum Beispiel sei wenig bekannt, dass es Abstufungen gebe – je nachdem, ob man gegen ein Nahrungsmittel nur eine leichte Sensitivität aufweist oder eine schwere Unverträglichkeit, seien die Konsequenzen für die Ernährung anders. Nicht immer müsse ein Lebensmittel komplett vom Speiseplan gestrichen werden, manchmal reiche es, den Konsum einzuschränken. Manche Unverträglichkeiten könnten nach einiger Zeit auch wieder verschwinden.

Auch Juno – der Name der römischen Göttin der Geburt ist Programm – will seinen Kundinnen zu mehr Selbstbestimmtheit und Wissen über den eigenen Körper verhelfen. Der von dem Start-up ab Mitte Oktober als Selbsttest-Kit angebotene Fruchtbarkeitstest (Kosten: 189 Euro) basiert auf der Messung des Anti-Müller-Hormons. Damit kann die Eizellenreserve einer Frau eingeschätzt und anhand dieser vorhergesagt werden, wie lange die Frau noch fruchtbar ist. „Das Hormon kann man seit etwa zehn Jahren messen, aber erst seit einem Jahr gibt es einen Test, der stabile Ergebnisse liefert, auch wenn das abgenommene Blut nicht sofort analysiert wird“, sagt Juno-Gründerin und Kinderwunsch-Coach Silvia Hecher. Was wesentlich ist, wenn das Blut nach dem Selbsttest erst einmal mit der Post verschickt wird.

Noch sei wenigen Frauen bekannt, dass es diese Möglichkeit überhaupt gebe, sagt Hecher. „Viele künstliche Befruchtungen könnten damit vermieden werden, weil die Frauen früher herausfinden, wann sich ihre Fruchtbarkeit dem Ende zu bewegt.“ Der Zeitpunkt, wann das passiere, variiere von Frau zu Frau stark und hänge auch vom Lebensstil ab, sagt der Gynäkologe und Juno-Mitgründer Alexander Just. Bei der einen Frau sei das mit 35 der Fall, bei der anderen erst Mitte 40. Frauen würden generell dazu neigen, ihre eigene Fruchtbarkeit und die Möglichkeiten, die ihnen ein Arzt anbieten kann, zu überschätzen. „Nur weil eine Freundin oder Halle Berry mit 45 noch ein Kind bekommen hat, gilt das nicht für jede Frau“, sagt Just.

Leben besser planen. „Ich habe in meiner Arbeit als Kinderwunsch-Coach viele Frauen getroffen, die falsch beraten waren und mit Ende 30 mit sich gehadert haben, weil sie nicht schon früher erfahren haben, dass man die Fruchtbarkeitsdauer vorhersagen kann“, sagt Hecher. „Wir wollen, dass auch eine 26-jährige Frau weiß, wie lange sie noch Zeit hat, damit sie ihr Leben besser planen kann.“

Auch bei Juno passiert die Auswertung der Testergebnisse zunächst elektronisch. Das Selbsttest-Prinzip ist das gleiche wie bei Kiweno: Einige Tropfen Blut kommen in ein Röhrchen und werden per Post eingeschickt und in einem Labor analysiert. Die Ergebnisse bekommt die Kundin auf einigen Din-A4-Seiten zusammengefasst.

Kurze Verständnisfragen zum Test seien im Preis inbegriffen, dafür gibt es im Institut von Juno eine Hotline. Wenn eine Kundin eine umfangreichere zusätzliche Beratung wünsche, sei das kostenpflichtig. Wichtig sei bei dem Ergebnis, zu wissen, dass es eine Prognose sei, die sich durch bestimmte Faktoren ändern könne. „Zwar fällt die Eizellenreserve bei gleich bleibenden Bedingungen kontinuierlich ab, was eine Vorhersage möglich macht. Bestimmte Ereignisse – Erkrankungen etwa oder eine Änderung des Lebensstils – können die Prognose aber verändern“, sagt Just.

Datensicherheit. Bei Juno wie auch bei Kiweno ist das Herzstück die digitalisierte Auswertung der Daten. Womit die Frage der Datensicherheit – und etwaiger Verwendung der Daten für geschäftliche Zwecke – aufkommt. Beide Start-ups versichern, dass das – obwohl von Seiten der Pharmabranche bereits Interesse bekundet worden sei – nicht in Frage komme. Datenschutz sei zudem oberste Priorität, weshalb Daten von Kundinnen bei Juno etwa sofort von der Web-Oberfläche „heruntergesaugt“ und auf einen internen Server verlagert würden. Bei derart sensiblen Daten müssen die Kundinnen die Gewissheit haben, dass die Informationen nicht in falsche Hände geraten.

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Juno. Der Test von Juno gibt Frauen eine Einschätzung, wie viele Jahre sie noch fruchtbar sind und wie sich die Fruchtbarkeit bis zu den Wechseljahren entwickeln wird. Der Test ist ab Mitte Oktober auch für zuhause erhältlich. Juno betreibt ein auf Kinderwunsch-Coaching und Pränataldiagnostik spezialisiertes Institut. www.fruchtbarkeitstest.at

Kiweno. Mit dem Testkit von Kiweno können die Unverträglichkeiten von 70 Nahrungsmitteln festgestellt werden. Mit dem Test erhält jeder Kunde ein Online-Profil, das die Unverträglichkeiten auflistet und Hilfestellungen gibt, wie man damit im Alltag umgehen kann. www.kiweno.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.10.2015)


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