Gender, Gendie, Gendas

Eine Provinz Kanadas erklärt das Konzept der zwei Geschlechter für obsolet. Ich finde das vertrottelt, aber ich bin eben nur ein Dings – wie hieß das früher? Ah ja: ein Mann.

Die Provinzregierung von Alberta verlangt nun von allen Schulen – von der Volksschule bis zur Highschool –, dass Geschlechterunterscheidungen immer weniger von Bedeutung sind. Die Schüler sollen nicht nach ihrem biologischen Geschlecht eingeteilt werden, sondern danach, wie sie selbst ihre „Gender Identity“ und ihre „Gender Expression“ definieren. Das heißt: Wer auf das Bubenklo geht und den Mädchenumkleideraum benutzt, wer bei der Schuluniform Rock oder Hose trägt und in der Mädchenmannschaft mitspielt – dafür gibt es keine objektiven Kriterien mehr, nur noch subjektive.

Eltern sollen nicht darüber informiert werden, welche Gender-Rollen sich ihre Kinder dabei zulegen. Die Schulen haben jegliche Gender-Wahl zu ermuntern und gute Beziehungen zu Lobbying-Gruppen sexueller Minderheiten aufzubauen. Wenn Schüler das wollen, sollen sie nicht mit „he“, „she“, „his“ oder „her“ angesprochen werden, sondern mit „ze“, „zir“ oder „hir“. Auch in der Ansprache der Eltern sollen neutrale Begriffe verwendet werden, etwa „caregiver“ statt „father“, „mother“ oder „Mr.“ und „Mrs.“

Von Ärzten und Psychotherapeuten höre ich, dass Menschen, die in ihrem biologischen Geschlecht nicht zu Hause sind, zumeist wirklich ganz besonders arm sind. Ihr Leid verlangt Mitgefühl – nicht den oft zu hörenden Spott. Aber es ist widersinnig, deswegen genau jenes Ziel der eindeutigen Geschlechtszugehörigkeit, für das so viele Transsexuelle quälende Hormontherapien und Operationen in Kauf nehmen, für irrelevant zu erklären. Die tief sitzende Angst vor der geschlechtlichen Uneindeutigkeit ist nicht irrational – sondern entspricht der großen Bedeutung, die die Natur dem Geschlecht verleiht. Den Drang zum Ausgrenzen, der aus dieser Angst entsteht, muss eine Schule mit Charakterbildung und klaren Sanktionen bekämpfen – nicht damit, dass sie die Uneindeutigkeit zur Norm erhebt.

Außerdem kann die behauptete Irrelevanz der Geschlechter zulasten der Mädchen und Frauen gehen. Nicht nur, weil sich Mädchen eher genieren, wenn Burschen in ihrem Umkleideraum erscheinen, als umgekehrt. Sondern auch, weil immer noch das Männliche die attraktivere Wahl zu sein scheint. Seit Kurzem heißt es, dass genderneutrale Vornamen auf dem Vormarsch seien – moderne Eltern wollten ihre Kinder nicht zu sehr prägen. Die meisten der Unisex-Namen klingen aber nach Bubennamen für Mädchen: Karter, Phoenix, Quinn, Rory, Rowan, Sawyer, Taylor. Besonders für seine Neutralität gelobt wird ein (kanadischer) Schauspieler. Er hat seine Tochter James genannt.
Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“ und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.

meinung@diepresse.com

diepresse.com/cultureclash

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2016)

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