Mein ist die Rache

Er liebt es, die Nachbarn anzuzeigen – und wird eines Abends prompt verprügelt. Wer hat ihm eine Abreibung verpasst?

Lösen Sie den Fall
Wer war der Täter?

Mayr streckte den Kopf bei der Tür herein. „Hast du kurz Zeit für mich, Kurt?“ Denk forderte seinen Kollegen mit einer einladenden Geste auf einzutreten. „Was hast du auf dem Herzen?“

„Nun“, druckste dieser herum, „ich wollte dich fragen, ob du einen Fall für mich übernehmen kannst.“

Denk warf ihm einen erstaunten Blick zu. „Worum geht es?“

„Ein gewisser Udo Mack ist gestern Abend krankenhausreif geprügelt worden. Ich habe den Auftrag erhalten herauszufinden, wer das getan hat.“

„Und darf man wissen, warum du den Fall abgeben willst?“

Mayr verzog wütend das Gesicht und reichte Denk ein Blatt Papier. „Dieser Mack ist ein renitenter Unruhestifter. Das sind die Vergehen, die er allein in den vergangenen zwei Monaten zur Anzeige gebracht hat.“

„Verbot gegen die Mülltrennungsverordnung, Ruhestörung, unerlaubtes Glücksspiel“, las Denk vor und stieß einen leisen Pfiff aus. „Alle angezeigten Personen wohnen im gleichen Haus.“

„Weil es sich dabei ausschließlich um Macks Nachbarn handelt.“

„Und was hat das mit dir zu tun?“

„Vor zwei Wochen hat er die Putzfrau wegen Mordversuchs anzeigen wollen, nur, weil sie im Stiegenhaus eine Wasserlache übersehen hat. Ich habe ihn hochkant hinausgeworfen, worauf er sich beim Polizeipräsidenten über mich beschwert hat.“

„Verstehe! Und wo finde ich den Knaben?“

„Er liegt im Unfallkrankenhaus.“

„Der Mann ist übel zugerichtet worden“, gab ihm der behandelnde Arzt Auskunft. „Er hat am ganzen Körper Hämatome. Die linke Augenbraue musste genäht werden. Ein paar Rippen sind angeknackst. Außerdem hat er eine mittelschwere Gehirnerschütterung erlitten, weshalb wir ihn zu unserem Leidwesen noch ein paar Tage zur Beobachtung hierbehalten müssen.“

„Ist Herr Mack vernehmungsfähig?“

„Und ob! Er erwartet Sie bereits.“

Mack saß aufrecht im Bett und warf ihm einen missbilligenden Blick zu. „Polizei?“, bellte er in seine Richtung. „Wurde auch Zeit! Ich hoffe, Sie sind nicht so unfähig wie Ihr Kollege.“
Denk schluckte seinen Ärger hinunter und bat den Mann zu berichten, was passiert war.

„Ich war im Wirtshaus. Gegen 23Uhr bin ich heimgegangen. Als ich die Haustür aufsperren will, wirft mir jemand von hinten eine Decke über den Kopf und beginnt, auf mich einzuschlagen. Ich denke schon, mein letztes Stündlein hat geschlagen, da lässt der Verbrecher wieder von mir ab und macht sich aus dem Staub. Aus Angst bin ich auf allen vieren zur Gaststätte zurückgekrochen. Der Wirt hat den Notarzt alarmiert.“

„Haben Sie eine Ahnung, wer diesen Anschlag verübt haben könnte?“

„Das war sicher jemand von dem Gesindel, das in meinem Haus wohnt“, schnaubte Mack verächtlich. „Die sind nämlich nicht gut auf mich zu sprechen, weil ich dort für Recht und Ordnung sorge. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie den Täter ausforschen und in Gewahrsam nehmen.“

Widerwillig versprach Denk, sein Bestes zu geben, und verließ fluchtartig das Krankenzimmer.

Der Erste, den er zu befragen gedachte, war ein Student, den Mack schon mehrmals wegen Ruhestörung angezeigt hatte. „Schickt Sie wieder dieser Idiot aus dem Erdgeschoß, weil ich angeblich zu laut war?“, erkundigte er sich, als Denk den Dienstausweis zückte. „Ich sage Ihnen gleich, ich habe mir nichts zu Schulden kommen lassen.“ Er wies auf das Saxofon in der Ecke. „Wie vereinbart ist um 22 Uhr Schluss mit dem Üben.“

„Und wo waren Sie danach? Mack ist nämlich gestern gegen 23 Uhr zusammengeschlagen worden.“

„Recht geschieht ihm! Aber das ist nicht mein Stil, ich habe eine andere Methode, um mich für seine Unverschämtheiten zu revanchieren.“ Der Student legte eine CD ein, aber anstelle der Musik ertönte ein tiefes Brummen aus dem riesigen Lautsprecher, der auf dem Boden stand. „Mack wohnt genau unter mir“, erklärte er. „Nur er bekommt das dumpfe Dröhnen mit. Ich hoffe, das ist nicht strafbar.“

Denk konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen und ging einen Stock höher. Dort wohnte Frau Stumpf, die von Mack bereits fünf Mal wegen unerlaubten Glückspiels angezeigt worden war. Zu seinem Erstaunen öffnete ihm eine betagte Dame. „Sie können sich ruhig vergewissern, dass hier nichts Illegales stattfindet“, erwiderte sie, nachdem sich Denk vorgestellt hatte, und führte ihn ins Wohnzimmer, wo ihr Enkel gerade ein Schachspiel wegräumte. „Seit der jüngsten Anzeige weigern sich die Freundinnen meiner Großmutter, sie zu besuchen, um mit ihr Bridge zu spielen“, empörte sich dieser. „Jetzt springe ich in die Bresche, um ihr ein wenig die Zeit zu vertreiben. Wenn Sie mich fragen, hat sich dieser Mack schon lang eine Tracht Prügel verdient.“

Da er sich nicht vorstellen konnte, dass die alte Dame etwas mit dem Überfall zu tun hatte, läutete er bei der letzten Person auf seiner Liste. Ein Mann etwa in seinem Alter öffnete die Tür. „Ich sage Ihnen gleich, ich habe nichts getan, und den Müll trenne ich selbstverständlich aus Prinzip“, sprudelte es aus ihm hervor, ehe Denk überhaupt eine Frage gestellt hatte.

„Und wie erklären Sie es sich dann, dass Mack Sie angezeigt hat?“

„Weil er sich in alles einmischt und beim Durchsuchen des Mülls eine leere Batterie entdeckt hat, die ich versehentlich weggeschmissen habe.“

Als Denk ihm mitteilte, warum er eigentlich gekommen war, grinste der Mann und rieb sich vergnügt die Hände. „Das vergönne ich ihm von Herzen. Ich hoffe, man behält ihn noch eine Weile im Krankenhaus, damit wir Ruhe vor ihm haben.“

Im Stiegenhaus lief der Inspektor der Putzfrau über den Weg. Als er ihr den Grund seines Kommens nannte, begann sie lautstark zu schimpfen. „Böses Mann! Soll sich brechen Genick und verrecken!“

Er verzichtete auf eine weitere Befragung, weil ihm längst klar war, wer Mack die Abreibung verabreicht hatte. Ob er das Wissen auch preisgeben würde, war allerdings eine andere Frage.


Wer hat Mack verprügelt?

Der Autor

Ernst Schmid
ist Hauptschullehrer in Linz und hat bereits zahlreiche Gedichtbände und Kriminalromane veröffentlicht. Anfang September erscheint mit „Denks Fälle“ ein neuer Rätselkrimiband im Federfrei-Verlag.


Beigestellt


Lösung der vergangenen Woche:

Der Mann bestreitet, die „Tatort“-Folge im Fernsehen gesehen zu haben, weiß aber, dass der Krimi etwas mit dem Mord zu tun hat. Außerdem hat er Rosé-Champagner getrunken, der viel Histamin enthält, was er angeblich nicht verträgt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.08.2016)

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