Reaktionen auf Herta Müllers Nobelpreis
Reich-Ranicki enttäuscht, Günter Grass zufrieden

Die in Rumänien geborene deutsche Schriftstellerin Herta Müller wird mit dem Literatur-Nobelpreis ausgezeichnet. Günter Grass zeigtsich "sehr zufrieden" mit der Wahl. Müller sei eine sehr gute Romanautorin, sagte Grass am Donnerstag der Nachrichtenagentur AFP in Danzig (Gdansk), wo er eine Ausstellung seiner Grafiken eröffnete. Sein persönlicher Favorit in diesem Jahr sei der israelische Autor Amos Oz gewesen, sagte Grass. Er wolle jedoch unterstreichen, dass das Nobelpreis-Komitee mit Müller eine sehr gute Entscheidung gefällt habe.
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Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki hat jeden Kommentar zum Literaturnobelpreis für Herta Müller abgelehnt. "Ich will nicht über die Herta Müller reden", sagte er der Deutschen Presse-Agentur dpa. Reich- Ranicki gilt als großer Fan von Philip Roth, der wieder leer ausgegangen ist. "Ich habe es seit vielen Jahren erlebt, dass er jedes Jahr den Preis nicht bekommt", so der Literaturkitiker. "Und ich habe damit gerechnet, dass diesmal eine Frau ihn bekommen wird."
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Staatsopern-Direktor Ioan Holender befindet sich gerade in seiner Geburtsstadt Temesvar in Rumänien: "Ich sitze im Temesvar am Hauptplatz, und plötzlich rotieren hier alle", sagt er. Müller wurde in der Nähe von Temesvar als Angehörige der deutschsprachigen Minderheit geboren. Sie wurde als Übersetzerin in einer Maschinenbaufabrik entlassen, als sie sich weigerte, für den rumänischen Geheimdienst Securitate tätig zu werden. "In Temesvar freuen sich alle mit ihr, und auch ich bin sehr froh für diese Stadt", schildert Holender. "Aber Temesvar ist nicht Rumänien, und in Bukarest wird das, glaube ich, niemanden freuen."
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Die deutsche Buchbranche hat mit "uneingeschränkter und riesiger Freude" auf den Nobelpreis für Müller reagiert. "Es mag überraschend sein. Aber das geht vollkommen auf", sagte der Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Gottfried Honnefelder. "Sie ist eine der größten Stimmen, die wir haben. Kräftig und fein." "Wenn jetzt eine schreibende und noch recht junge Frau den Nobelpreis bekommt, dann hat das eine starke Aussagekraft", meint der Verleger.
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"Bei unserem Anruf war Herta Müller überglücklich", sagte Peter Englund, Chef der schwedischen Nobelpreis-Akademie. "Sie ist ein Flüchtling aus ihrem eigenen Land. Das Vergangene ist für sie immer lebendig. Als ich ihre Bücher gelesen habe, hat mich das innerlich erschüttert. Sie schreibt völlig ehrlich, mit einer unglaublichen Intensität. Sie schreibt auch als jemand aus einer Minderheit, völlig ohne Rücksicht auf sich selbst. Sie hat wirklich eine Geschichte zu erzählen. Und sie hat die sprachlichen Möglichkeiten dazu."
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Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat es als "wunderbares Signal" bezeichnet, dass 20 Jahre nach dem Mauerfall die Müller mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wird. Mit Blick auf Müllers Herkunft aus Rumänien sagte Merkel am, das "hervorragende" Werk der Literatin sei aus einer Lebenserfahrung gespeist, "die von Diktatur, Unterdrückung, von Ängsten, aber auch von unglaublichem Mut spricht". Die Kanzlerin fügte hinzu: "Wir freuen uns, dass sie eine Heimat in Deutschland gefunden hat, und ich gratuliere ihr von ganzem Herzen."
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