Herta Müller
Die Außenseiter-Favoritin

Noch vor wenigen Tagen hat niemand damit gerechnet: Herta Müller bekommt den Literatur-Nobelpreis. Vergangene Woche war sie von den Wettbüros noch als krasse Außenseiterin klassifiziert worden, doch im Laufe der letzten Tage kristallisierte sie sich als Favoritin heraus. Wer Kulturberichterstattung nicht genau verfolgt, wird sich nun fragen: Wer ist diese Herta Müller eigentlich?
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Geboren wurde die Literatin am 17. August 1953 im rumänischen Nitzkydorf. Als Teil der deutschsprachigen Minderheit erlebte sie die Repressionen unter dem Ceauescu-Regime am eigenen Leib.
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Sie studierte Germanistik und rumänische Literatur an der Universität Temeswar in Rumänien und arbeitete als Übersetzerin in einer Maschinenbaufabrik. Als sie sich weigerte, für den rumänischen Geheimdienst Securitate tätig zu werden, wurde sie entlassen.
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Fortan war sie als Deutschlehrerin tätig. Ihr erstes Buch Niederungen konnte 1982 in Rumänien, wie alle Publikationen, nur in zensierter Fassung erscheinen. Nach einer Folge von Repressionen, Verhören und Hausdurchsuchungen konnte sie 1987 nach Berlin übersiedeln.
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In ihren Büchern schreibt sie mal lakonisch-knapp, mal lyrisch-surreal über Leid, Ausgrenzung und Bedrohung des Menschen durch totalitäre Systeme. Auch in ihrem jüngsten Werk "Atemschaukel", das wohl den Ausschlag für den Nobelpreis gab.
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Die Hauptfigur in "Atemschaukel" ist der Ic-Erzähler Leo. Er berichtet von fünf Jahren in einem Arbeitslager in der Sowjetuntion. Die zweite Hauptfigur, Leos, ständiger Begleiter: Der "Hungerengel".
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In das Buch sind Erfahrungen von Herta Müllers Mutter eingeflossen: Sie wurde 1945 wie Zehntausende andere als Siebenbürger Sachsen zu Zwangsarbeit in die Ukraine verschleppt. Ebenfalls eingeflossen sind die Erfahrungen des Schriftstellers Oskar Pastior, der mit Müller bis zu seinem Tod 2006 an dem Buch gearbeitet hat.
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Ihre eindringliche Erzählweise scheint vor allem bei Peter Englund, Vorsitzender der Schwedeischen Akademie, die den Literatur-Nobelpreis vergibt, Eindruck gemacht zu haben: Das Buch habe ihn "innerlich erschüttert", sagte er.
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Müller beschäftigte sich nicht nur mit der Diktatur, sondern auch mit den nationalen Minderheiten in Osteuropa. Bekannt wurden vor allem ihre Bücher "Der Fuchs war damals schon der Jäger" (1992) und "Herztier" (1994), aber auch "Heute wär ich mir lieber nicht begegnet" (1999), "Der König verneigt sich und tötet" (2003) und "Die blassen Herren mit den Mokkatassen" (2005). Auch in Österreich wurde Müller mehrfach ausgezeichnet: 1997 bekam sie den "Franz-Nabl-Preis" der Stadt Graz, 1999 den in Klosterneuburg verliehenen Franz-Kafka-Preis.
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Herta Müller selbst hat nicht mit dem Nobelpreis gerechnet. "Ich glaube nicht daran, ins Gespräch kommt man ja immer, aber das machen die dieses Jahr nicht", sagte sie einen Tag vor Bekanntgabe. "20 Jahre Mauerfall und dann komme ich mit so einer alten Deportationsgeschichte."
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