Erwin Pröll: ''Man muss wissen, wann es Zeit ist''

Keiner seiner Vorgänger hat länger durchgehalten: Fast 25 Jahre lang herrschte Erwin Pröll über Niederösterreich, nun gab er seinen Rücktritt bekannt: "Man muss wissen, wann es Zeit ist", kommentierte er seine Entscheidung.
Als "Landesfürst" von Österreichs größtem Bundesland geschah auch in der Bundes-ÖVP zumeist sein Wille - wie er erst im Vorjahr unter Beweis gestellt hat: Wochenlang wurden ihm Rosen gestreut, doch er kandidierte nicht als schwarzer Bundespräsidentschaftskandidat. Zuletzt schaffte er es hingegen ungewollt in die Schlagzeilen: Seine "Erwin Pröll Privatstiftung" geriet in die Kritik und wird nun vom Rechnungshof geprüft.

Pröll wurde am 24. Dezember 1946 in eine Weinbauernfamilie in Radlbrunn, Bezirk Hollabrunn, hineingeboren. 69 Jahre später ist er noch immer ein Radlbrunner.
(Bild: Pröll im Brandlhof in Radlbrunn)

Pröll besuchte die Volksschule in Radlbrunn und die Hauptschule in Ziersdorf. Schließlich maturierte er in Tulln an der Donau. Nach dem Präsenzdienst führte ihn sein Weg an die Universität für Bodenkultur Wien, wo er das Studium der Agrarökonomie wählte, welches er 1976 als Dr. nat. tech. abschloss. Dissertationsthema: "Entwicklungschancen der Landwirtschaft im politischen Bezirk Hollabrunn".

Noch vor seiner Promotion wurde der Niederösterreicher 1972 in den Österreichischen Bauernbund als wirtschaftspolitischer Referent geholt. Mit 33 Jahren folgte der Schritt in die niederösterreichische Landesregierung - als Agrarlandesrat -, im Jänner 1981 wurde er Landeshauptmann-Stellvertreter.

Am 22. Oktober 1992 wurde Pröll als Nachfolger Siegfried Ludwigs zum Landeshauptmann von Niederösterreich gewählt - und avancierte damit vom Vize zum "ersten Diener Niederösterreichs", wie er es nennt.
Auch wenn es heute schwer vorstellbar scheint, folgte auf die Kür zum "Landesfürsten" ein Wahlflop: Bei der Landtagswahl 1998 war die absolute Mandatsmehrheit passé. Zehn Jahre später holte Pröll sie zurück. Und baute sie 2008 aus: 54,4 Prozent stimmten für Prölls Landespartei – und das in einem Jahr, indem die ÖVP bei der Nationalratswahl bei 26 Prozent landete.

Weniger positiv fiel ein Auftritt Prölls im Juli 1997 aus: Burgschleinitz im Bezirk Horn feierte damals sein 30-Jahr-Jubiläum als Großgemeinde. In einer Festrede verwies ein Pfarrer aus dem Ort auf die Gehaltsunterschiede zwischen "kleinen Leuten" und "Landeshauptleuten". Daraufhin verlor Pröll die Fassung und warf dem Geistlichen vor, die Veranstaltung zu "versauen". Sein Gehalt rechtfertigte er damit, dass er Verantwortung trage, während der Pfarrer sich nach der Feier niederlege. Fazit: "Legen Sie sich nicht mit mir an, sonst müssen wir woanders weiterreden."

Pröll gilt als Verfechter der Großen Koalition aus ÖVP und SPÖ. Im Jahr 2000 war er noch Befürworter von Schwarz-Blau, zwei Jahre später trat er als Gegner dieser Variante auf. Zudem ist Pröll, der ein gutes Verhältnis zu Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) pflegt, einer der mächtigsten Politiker der ÖVP. So richtete er im Sommer 2012 beispielsweise seinem damaligen Bundesparteichef Michael Spindelegger aus, dass eine Volksbefragung über die Wehrpflicht stattzufinden habe - am 20. Jänner 2013 wurde sie abgehalten.
(Bild: Die Landeshauptleute Michael Häupl, Erwin Pröll, Hermann Schützenhöfer und Josef Pühringer)

Zudem saßen vertraute Niederösterreicher wie Ex-Vizekanzler Michael Spindelegger und insbesondere Ex-Innenministerin Johanna Mikl-Leitner wohl nicht ganz zufällig in der Bundesregierung. Auch Ernst Strasser, vormals Innenminister und später "Lobbyist" in Brüssel, stammte aus Prölls "Stall" - wie auch sein Neffe, der frühere Finanzminister und Vizekanzler Josef Pröll.
(Bild: Josef und Erwin Pröll)

Bereits im Vorfeld der Bundespräsidentenwahl 2010 wurde Pröll als möglicher schwarzer Kandidat gehandelt - doch er lehnte ab, stattdessen führte er seine Partei drei Jahre später erneut als Spitzenkandidat in die Landtagswahl und verteidigte die "Absolute" - trotz leichter Verluste und dem Antreten von Frank Stronach.
Beobachter orten den Erfolg des Politikers auch in seiner Geselligkeit: Er ist in Niederösterreich geradezu omnipräsent, schüttelt Hände, herzt die Menschen bei Kirtagen und tritt auch bei Katastrophen auf - wie dem Hochwasser im April 2006 in Dürnkrut. Diese Stärke soll auch da und dort Journalisten verleitet haben, das System Pröll nicht allzu kritisch zu hinterfragen.

Zum Jahreswechsel 2015/16 zeigte sich Prölls Macht in der Volkspartei neuerlich deutlich: Nach langem Bitten und Werben entschied sich der 70-Jährige dennoch, nicht bei der Hofburg-Wahl anzutreten: Seit September 2014, als ihm erstmals in einem Interview die Frage gestellt wurde, ob er kandidieren wolle, hatte er vehement betont: Das sehe seine "Lebensplanung" nicht vor. Auch zahlreiche Bekundungen seitens seiner Parteikollegen, wonach er ein "sehr guter Kandidat" wäre, konnten daran nichts ändern.

Privat ist der 70-Jährige, der bekennt, nur ein Buch in seinem Leben fertig gelesen zu haben ("Der Schatz im Silbersee", Autor Karl May), mit der in Wien geborenen Elisabeth Pröll (ehemals Terebesy) verheiratet und hat mit ihr vier Kinder.
Er gilt als leidenschaftlicher Radfahrer. Aber er hat auch andere Hobbys, wie aus der Biografie "Erwin Pröll - Profil eines Politikers", verfasst von den Journalisten Christiane Scholler und Helmut A. Gansterer, zu erfahren ist. Darin wird der "Landesfürst" wie folgt zitiert: "Ich beobachte gern per Feldstecher von der Terassentür aus die Vogelwelt. Besonders hat es mir ein schöner Buntspecht angetan."