Das Kreuz, der Schleier, die Gesprächstherapie

Dauerhaft wirksam, effizientPsychotherapie in Österreich: Desaster oder Errungenschaft?, Gastkommentar von Verena Strausz, 3. November
Es steht einer renommierten Tageszeitung wie der „Presse“ wohl schlecht an, einen derart unqualifizierten Gastkommentar zu veröffentlichen. Die Sichtweisen und Angaben von Frau Dr. Verena Strausz zur Psychotherapie in Österreich entbehren durchgängig jeglicher Grundlage.

Falsch ist, dass in Wien mehr als 6000 Therapeuten arbeiten. Richtig ist, dass in Österreich insgesamt etwa 7000 berufsberechtigte Psychotherapeuten auf der Liste des Gesundheitsministeriums eingetragen sind. Davon sind nur etwa 4000 in der Krankenbehandlung tätig, in Wien arbeiten derzeit etwa 1500 Therapeuten (Österreichisches Bundesinstitut für Gesundheit, 2007). In Österreich herrscht ein Mangel an Psychotherapeuten. Will man die flächendeckende psychotherapeutische Versorgung sicherstellen, wäre dafür ein Drittel mehr Psychotherapeuten erforderlich.

Auch scheint Frau Strausz weder den aktuellen Erkenntnisstand der Psychotherapiewissenschaft zu den Psychotherapieverfahren noch die hervorragenden Ergebnisse zur Wirksamkeit der psychotherapeutischen Behandlung zu kennen. Die Gesprächstherapie ist z.B. eine nicht nur in Österreich, sondern auch international anerkannte und wissenschaftlich fundierte Psychotherapiemethode. Gesprächspsychotherapie wird an zahlreichen Universitäten gelehrt, erforscht und weiterentwickelt. Das Gleiche gilt für die kognitive Verhaltenstherapie. Die vier großen Psychotherapieströmungen – tiefenpsychologisch-psychodynamische, humanistisch-existenzielle, systemische und verhaltenstherapeutische Orientierung – prägten im Verlauf ihrer Entwicklung 22 Methoden aus, deren Wirksamkeit durch zahlreiche wissenschaftliche Studien belegt ist. In Österreich sind diese Psychotherapieverfahren durch die Anerkennung des Gesundheitsministeriums approbiert und gemäß Psychotherapiegesetz zugelassen. Alle diese Schulen werden jährlich in Bezug auf ihre Qualität vom Gesundheitsministerium überprüft.

Sowohl österreichische als auch internationale Studien stellen der Psychotherapie ein hervorragendes Zeugnis für die Behandlung von psychischen und psychosomatischen Störungen aus. Die Psychotherapieforschung liefert seit vielen Jahren ein konsistentes Bild: Die untersuchten Psychotherapien sind im Durchschnitt nicht nur dauerhaft wirksam, sondern auch kosteneffizient in einem Ausmaß, wie es nur selten im Gesundheitswesen gefunden wird. (Z.B.: Jürgen Margraf: Kosten und Nutzen der Psychotherapie. Springer Verlag, 2009.) Eine Studie der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse erbrachte erst kürzlich, dass die Patienten mit der psychotherapeutischen Behandlung in einem außergewöhnlich hohen Ausmaß sehr zufrieden sind. Studienergebnisse zeigen, dass sowohl Experten als auch Patienten mittlerweile der Psychotherapie das größte Vertrauen im Vergleich zu anderen Behandlungsmethoden entgegenbringen.

Dr. Eva Mückstein
Präsidentin des Österreichischen Bundesverbandes für Psychotherapie

Baghajati-al-Rawi-FestspieleFast schlimmer als Strache, Gastkommentar von Carla A. Baghajati, 4. November
Herr Strache, das wissen wir ganz gut, hat niemals Wahlkampfauftakt oder Schlusskundgebung. Er ist ständig im Wahlkampf. So ist auch seinen Ergüssen mit jener Einstellung zu begegnen, die man üblicherweise jenem Unsinn zollt, der in der intellektfreien Ausnahmesituation der Wahlkämpfe die Medien überfüllt – oder besser überfällt.

Ministerin Fekter ist vom nächsten Wahlkampf meilenweit entfernt. Daher lohnt es sich, ihren Vorstellungen mehr als nur den muslimischen Beleidigtenreflex und muslimisches Opferwehklagen entgegenzusetzen. Integration ist weit mehr als Arbeitsplatz, mehr als Deutschkenntnisse und mehr als Steuerzahlen. Integration ist Teilnahme an der säkularen westlichen Gesellschaft. Genau das aber ist der Ansatz, den die IGGiÖ nicht mitgehen will. Die Angst vor der Verwestlichung des Islam ist deutlich zu spüren. Daher auch die rigorose Verteidigung des Kopftuches und sogar der Vollverschleierung. Das war auch in der „Presse“ als Kommentar von Herrn Baghajati zu lesen.

In der SPÖ muss man sich, angesichts der Wahlniederlagen und der schleichenden Zersetzung der Partei, Gedanken machen, ob eine atheistische Partei tatsächlich die Anliegen von religiös motivierten Gruppen unterstützen kann, ohne Schaden zu nehmen. Es ist daher nur logisch, dass Laura Rudas Dinge infrage stellt, die bis vor Kurzem in der SPÖ einfach totgeschwiegen wurden. Eine Partei die immer wieder der Gleichberechtigung das Wort redet, kann auf Dauer der Ungleichstellung muslimischer Frauen nicht taten- und wortlos begegnen.

Die Führungsmannschaft der IGGiÖ ist eine kleine arabische Clique, die weder demokratisch noch demografisch legitimiert ist, für Muslime in Österreich zu sprechen. Es wäre sinnvoll, in der „Presse“ die wirklichen Vertreter unserer muslimischen Mitbürger zu Wort kommen zu lassen, etwa die Vertreter der Aleviten. Deren Argumente hören sich auch ganz anders an.

Anton M. Rehberger
1140 Wien

Grundgescheite AbrechnungEin Tag, der bleibt, Norbert Rief, Spectrum, 31. Oktober
Der Beitrag über Barack Obama wird als bleibender Artikel in die Erinnerung eingehen: endlich eine grundgescheite Abrechnung mit den Heruntermachern und „Fundi-Republikanern“, die es auch außerhalb der USA gibt. Sie halten Vernunftansagen in der internationalen Politik grundsätzlich für „naiv“ und gewaltfreie Lösungsansätze prinzipiell für „linksextrem-pazifistisch“. Niemand hat erwartet, dass mit der Wahl Obamas über Nacht der Weltfriede ausbrechen würde. Schon der zu Recht gleichfalls apostrophierte John Kennedy aber hat bewiesen, dass weltweite Bewusstseinsänderung zehnmal mehr wert sein kann als ein neues Gesetz. Das gilt auch für die vorliegende Wertung Obamas, die mehr zutrifft als zehn gescheitelnde Analysen der bisherigen „Erfolglosigkeit“ seiner Politik.

Dr. Hubert Feichtlbauer
1190 Wien

Feiertage noch zumutbar?Zur Diskussion um die Kreuze in Schulklassen
Wer die Entfernung der Kreuze aus den österreichischen Schulklassen fordert, muss konsequenterweise auch die vielen kirchlichen Feiertage infrage stellen. Jeder Arbeitnehmer und jeder Schüler in Österreich konsumieren seit Jahrzehnten widerspruchslos an die zehn kirchliche Feiertage pro Jahr – und das, obwohl doch Kirche und Staat überhaupt nichts miteinander zu tun haben dürfen!

Stefanitag, Fronleichnam, Maria Himmelfahrt, Allerheiligen – ist das einem laizistisch denkenden Menschen heute noch zuzumuten? Österreich/Europa ist christlich geprägt, das kann man gut oder schlecht finden, sinnvoll ist eine Auseinandersetzung mit dieser Prägung, die findet durch das Wegnehmen der Kreuze wahrscheinlich noch weniger statt!

Eva Schernthaner
5201 Seekirchen

Kompetenzen überschrittenDas Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte klingt schwer nachvollziehbar. Schließlich wird niemand diskriminiert, wenn er das Glaubenssymbol einer anderen Religion betrachten muss. Ansonsten könnte man sich ja auch an Kirchengebäuden stören, die man nur schwer aus dem Blick verbannen kann, wenn man durch große Innenstädte wandert. Zudem besteht, wie es die italienische Regierung richtig formuliert, ein beträchtlicher Eingriff von außen in die Geschichte und Kultur eines Landes. Einfalt, statt Vielfalt, die aber dem Gründungsgedanken der römischen Verträge zuwiderläuft, der darauf basiert, dass die Völker zusammenwachsen sollen, anstatt sie in ein festes Raster einzuordnen. Die Richter müssen sich deshalb die Kritik gefallen lassen, ihre Kompetenzen überschritten zu haben!

Rasmus Ph. Helt
D-20535 Hamburg

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.11.2009)

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