Culture Clash

Pfui und doof

Viel Aufregung um einen virtuellen Pranger für Kritiker von Gendertheorie und Feminismus in Deutschland. Er ging sogar Feministinnen zu weit. Zu Recht.

Die deutsche, grüne Heinrich-Böll-Stiftung hat eine Website „Agent*in“ („Information on Anti-Gender-Networks“) gestartet, auf der sie Intellektuelle und Aktivisten auflistet, die sie des „Antifeminismus“ bezichtigt. Dagegen erhob sich Protest von allen Seiten. Der liberale „Tagesspiegel“ schrieb: „Von rechtsextremen Fanatikern über streitbare Konservative bis zu Liberalen, die lediglich die Gendertheorie für Unfug halten, wird alles in den Sack ,Anti-Feminismus und Gender-Kritik‘ gesteckt und gleich geprügelt: genderkritisch gleich homophob gleich antifeministisch gleich pfui.“

Die „Zeit“ nannte die Liste „eine Kapitulation. Intellektuelle [?] setzen nicht mehr auf Argumente, sondern auf Feindmarkierung“. Und Margarete Stokowski, feministische Kolumnistin der linken „taz“, fragt im „Spiegel“: „Was bringt diese merkwürdige Diskurssimulation im Geiste einer Grundschul-Klowand, auf der steht, wer alles doof ist?“ Da nahm die Heinrich-Böll-Stiftung nach nur fünf Tagen die Seite wieder vom Netz. Man wolle sie „überarbeiten und erweitern“.

Das Denunziatorische solcher Listen ist in der Auseinandersetzung von Ideologen wirklich nichts Neues. Warum jetzt die Aufregung − und der Rückzug? Vielleicht, weil das Auflisten eines antifeministischen Agentennetzes zu deutlich offenbart hat, dass die Akteure in diesem Eck von Gendertheorie und Feminismus eben doch nicht die Sozialwissenschaftler sind, die sie zu sein vorgeben, sondern auch nur Ideologen: eben Anti-Antifeministen.

Die eigene Ideologie als Wissenschaft zu deklarieren und alle Kritiker damit in einen einzigen Topf der bornierten Irrationalen werfen zu können, ist eine alte linke Strategie. Sie ist immer noch lebendig: In einer gleichzeitig mit „Agent*in“ herausgegebenen Schrift derselben Stiftung heißt es etwa pauschal, dass die Vorstellungen von „Anti-Gender-Akteur*innen“ sich „nicht nur gegen die Gender Studies, sondern überhaupt gegen kritische Geistes- und Sozialwissenschaften und mithin gegen die Freiheit der Forschung“ richteten.

Nicht nur Sexismus und Rassismus, auch Familismus, Maskulismus, Handicapismus, Heteronormativität? In der Vorstellungswelt der Anti-Antifeministen ist die Gesellschaft voller Herrschaftsideologien, die vernetzt sind und die es aufzudecken und aufzulösen gilt. Wer Widerspruch anmeldet, wird als unkritischer und wissenschaftsfeindlicher Parteigänger von Diskriminierung mit dem Zeichen „Antifeminist“ gebrandmarkt. Das riecht selber nach Herrschaftsideologie. „Agent*in“ erzeugt zu Recht ein „mulmiges Gefühl“ („Süddeutsche“).


Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“ und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.

meinung@diepresse.com

diepresse.com/cultureclash

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.08.2017)

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