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Bank Austria Kunstforum Wien zeigt Gerhard Rühm

Gerhard Rühm
Gerhard Rühm© IMAGNO/Ullstein
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Zugleich Komponist, Performer, Literat und bildender Künstler bewegt sich Gerhard Rühm (1930 in Wien geboren) seit nunmehr sechs Jahrzehnten als Grenzgänger zwischen den Kunstdisziplinen. Im Zwischenraum von Wort und Bild, Sprache und Musik sowie Schrift und Zeichnung sucht er eine stete Erweiterung medialer Ausdrucksweisen, die Wahrnehmungsgewohnheiten durchbrechen und neue Sinnhorizonte eröffnen.

Rühms gattungsübergreifender, performativer Ansatz, der sich in den frühen 1950er-Jahren herausbildete, nimmt in vielem vorweg, was sich in der Kunst der 1960er-Jahre als internationale Tendenz hin zur „Verfransung“ der Medien (T. W. Adorno) durchsetzte und in Strömungen wie Fluxus, Happening oder Conceptual Art manifestierte.

Die retrospektive Werkschau im Bank Austria Kunstforum Wien trägt dem richtungsweisenden Schaffen Rühms in seiner Vielfalt Rechnung und verhandelt dessen internationale Bedeutung als Intermedia-Pionier aus heutiger Perspektive, in der die Figur des „artist-poet“ erneut an Aktualität gewinnt. Rühms „visuelle poesie“ – zwischen Schrift und Bild pendelnde „schreibmaschinenideogramme“, „typocollagen“, „schriftzeichnungen“ und „fotomontagen“ –, und deren musikalisches Pendant, die „visuelle musik“, mit grafisch bearbeiteten Notationen, sowie automatische, gestische und konzeptionelle Zeichnungen und Schriftfilme werden ebenso gezeigt wie seine „auditive poesie“, Klavierstücke, Chansons und Melodramen an der Schwelle von Sprache und Musik zu hören sind.

Zunächst studierte Rühm, Enkel eines Schrammelmusikers und Sohn eines Wiener Philharmonikers, Klavier und Komposition an der Wiener Musikakademie und bei dem Zwölftonkomponisten Josef Matthias Hauer. Anfang der 1950er-Jahre gelangte er über die Auseinandersetzung mit den Kompositionsprinzipien Anton Weberns zur „konkreten“ Poesie. Rühms frühe Lautgedichte reduzieren Sprache, gleichsam am Nullpunkt ansetzend, auf ihre elementaren materiellen Bedingungen, beruhend auf einer tiefen Sprachskepsis angesichts ihres Missbrauchs im Nationalsozialismus. Analog zur visuellen Dimension von Sprache setzt sich Rühm mit ihrer auditiven Dimension auseinander und bezieht Sprachklang und Artikulation bewusst mit ein.

Mitbgeründer der legendären „Wiener Gruppe“

Im Klima der, von einem heute kaum mehr vorstellbaren „Ausmaß an reaktionärem Muff“ (G. Rühm) geprägten österreichischen Nachkriegszeit gründete Rühm gemeinsam mit Friedrich Achleitner, H.C. Artmann, Konrad Bayer und Oswald Wiener die legendäre, von etwa 1954 bis 1964 aktive „Wiener Gruppe“. Aus der Sprachlosigkeit angesichts des Grauens des Zweiten Weltkriegs entfaltete sich damit eine an die damals verschütteten Errungenschaften der frühen Avantgarden des 20. Jahrhunderts wie Expressionismus, Dada, Konstruktivismus und Surrealismus anknüpfende Neoavantgarde, die nach neuen, radikalen Formen von Ausdruck und Bedeutung der Sprache suchte; diese stellte keineswegs ein isoliertes österreichisches Phänomen dar, wie die Ausstellung vor Augen führt, sondern stand im Kontext internationaler Entwicklungen an der Schnittstelle von Sprachreflexion, Intermedialität, Konzeptualität und Peformance.

International vernetzte Avantgarde

Die beiden „Literarischen Cabarets“ (1958/1959) der Wiener Gruppe – die in der Zertrümmerung eines Klaviers – dem Symbol bürgerlicher Bildungskultur – durch Rühm und Achleitner gipfelten –, zählen zu den ersten Happenings der Kunstgeschichte. Nach der Auflösung der Gruppe 1964 wanderte Rühm, der seine Arbeit in Österreich aufgrund eines Publikationsverbots boykottiert sah, nach West-Berlin aus, von wo aus er zahlreiche Kontakte zu Protagonisten der Fluxus-Gruppe pflegte, darunter zu Emmett Williams, Nam June Paik – oder auch zu Daniel Spoerri und John Cage. Die Verbindungen zu österreichischen Künstlern bleiben aufrecht, etwa in Form der Berliner Dichterworkshops oder des turbulenten ZOCK-Fests (1968), das als früher Höhepunkt der Wiener 68er-Revolte gilt.

Die Basis für sein vielfältiges Werk „visueller poesie“, dem Schwerpunkt der Ausstellung, legte Rühm Mitte der 1950er-Jahre. Erste Verbindungen von Schrift und Bild entstehen in „schreibmaschinenideogrammen“, in denen sich Rühm die normierenden Parameter der Schreibmaschine zu eigen macht und Sehen, Lesen und Tasten interpoliert. Während in den „typocollagen“ der grafische Charakter der aus dem Zeitungskontext gelösten Lettern in ein Spannungsverhältnis zur Wortbedeutung gebracht wird, ergründen die „schriftzeichnungen“ das Verhältnis von Begriff und zeichnerischer Ausführung. Im Unterschied zur Druckschrift ist die Handschrift eine individuelle Markierung, sie ist zugleich Denk- und Körperspur. Die Zeichnung setzt Rühm dazu ein, um die Verbindung zum Körper auszuloten, indem er etwa die Spur eines Sturzes wiedergibt oder direkt Körperumrisse anderer nachzeichnet; andere Zeichnungen beziehen das Unterbewusste oder den Zufall mit ein oder sind Ergebnis konzeptueller Anordnungen.

In seinen „fotomontagen“ setzt Rühm gefundene Bilder zu oft überraschenden Konstellationen zusammen. Diese legen ihren Charakter als Wirklichkeitskonstruktionen offen und schließen an die Ästhetik der Diskontinuität avantgardistischer Collagen der 1920er-Jahre an. Kritik an Medien und an politischer Zensur sind auch in Rühms „vertuschten“, eingeschwärzten Zeitungen und Büchern auszumachen, die nur punktuell Wörter aussparen und damit neue Textaussagen entstehen lassen.

Versinnlichte Zeichen

Rühms künstlerische Vision ist von einer äußersten Reduktion der Mittel und einer Verdichtung auf das Essentielle gekennzeichnet. Das Gegenwartserlebnis und die zeitliche Dimension von Sprache, bilden ebenso zentrale Motive wie die sprachliche Konstituierung des Subjekts, die Möglichkeiten und Grenzen des geistigen und emotionalen Selbstausdrucks. Unter der Prämisse, dass das „Denken des Menschen dem Stand seiner Sprache entspreche“, sucht Rühm nach neuen, die Wirklichkeit modifizierenden Ausdrucksmöglichkeiten der Sprache und fördert so ihr gesellschaftliches Potential zutage. Mit der Freilegung der sinnlich-materiellen Aspekte des Sprachmaterials gelingt es ihm zugleich, den unsere Vorstellung seit der Renaissance beherrschenden Dualismus von Geist und Sinn bzw. Materie und Sinnlichkeit, zu konterkarieren und Sinn als sinnlich verkörperten Sinn vorzuführen.

Zum Rahmenprogramm:
27.10.2017, 21.00 Uhr
Schmäh, Rühm und andere Tandler.
SCHMÄH, RÜHM UND ANDERE TANDLER
Drei Stimmen, Klavier und Schlagzeug, künstlerisch geleitet von Michael Mautner und sprachlich gerahmt von Irene Suchy, fangen heiter beim Eiter an, geben Beethoven, heroisch und im Vorübergehen, nach Tönen von Rühm und Zykan, streifen Schwertsik und stoßen auf Schwitters’ Ursonate in der Fassung Michael Mautners – alles in allem: Moderne Musik. Mit Anna Hauf, Marco Di Sapia, Albert Sassmann, Michael Mautner, Kevan Teherani u.a.

Tickets: € 20.- reg./€15.- erm. inkl. Ausstellung

17.11.2017, 19.30 Uhr
Die Spracharchitekten: ich halte es für möglich, dass man dabei weinen muss
2012 hat sich eine Gruppe unterschiedlicher sprachaffiner Menschen ¬– vieler mit musikalischem Hintergrund – auf einem sprachlichen Spielplatz zusammengefunden. „Fümms - bö wö tää zää Uu, pögiff, kwii Ee!“ – die Spracharchitekten waren geboren. Wer würde sich besser eignen als Gerhard Rühm, um hochintellektuelle Theorie mit Lust und Performancedrang auf die Bühne zu bringen. Ein Theater ohne Handlung, das sowohl auf dem Papier als auch auf den shakespearschen Brettern, die die Welt und so weiter, wirksam ist und sich nicht zuletzt durch seinen oft nicht zu subtilen Humor auszeichnet. „Words? Music? No, it's what's behind.“ (Ulysses) Mit: Lisa Häring, Katharina Krones, Georg Nussbaumer, Gidon Öchsner, Veronika Zandl.
Künstlerische Leitung: Stefanie Prenn

Tickets: € 20.- reg./€15.- erm. Inkl. Ausstellung

Performance-Nights
Gerhard Rühm ist als Komponist, Pianist, Performer, Literat und bildender Künstler ein Grenzgänger zwischen den Kunstdisziplinen. In diesem Crossover von Wort und Bild, von Sprache und Musik und von Performance und Literatur bewegen sich auch jene KünstlerInnen, die an einem Abend ihre Arbeiten im Ausstellungsraum für und mit Publikum entstehen lassen.

1.12.2017, 21.00 Uhr
Didi Bruckmayr

12.1.2018, 18.30 Uhr
schule für dichtung, fritz ostermayer, ann cotten und dental princes

Tickets: € 20.–/erm. € 15.– inkl. Ausstellung


26.1.2018, 20.00 Uhr
Gerhard Rühm: Gerede
Sprechkonzert mit Gerhard Rühm und Monika Lichtenfeld

Tickets: € 20.–/erm. € 15.– inkl. Ausstellung

Anmeldung unter +43 (1) 537 33 26 oder office@kunstforumwien.at


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