Hochmut kommt vor dem Fall, aber Demut wird schnell verräumt

Alexander Van der Bellen, Sebastian Kurz, Peter Pilz: Bescheidenheit ist nicht jedermanns und jederfraus Sache

Nun hat Österreich den jüngsten Bundeskanzler seiner Geschichte. Am Freitag wurde er, wie es Brauch ist nach gewonnener Wahl, mit der Regierungsbildung beauftragt – vom Bundespräsidenten, der dem Geehrten zu dessen Überraschung den neuerdings zur nichtssagenden Gewohnheit gewordenen Kuss gab, während er selbst lieber eine Eigenschaft haben sollte, die heute selten geworden ist: Demut.

Zu Recht hat Alexander Van der Bellen sie für sich in Anspruch genommen, schon als er seine Antrittsrede hielt. Kein Wunder: VdB hatte ein politisch sehr abwechslungsreiches Leben hinter sich. Er war Kommunist, Sozialist, dann Grüner, der er bis heute blieb. Keiner seiner Vorgänger hat es mit dieser Buntheit aufnehmen können.

Es ziemte sich demnach, Demut zu üben, sich ihrer jedenfalls vor entsprechenden Gremien zu rühmen. Das Wort ist ja überaus gebräuchlich zudem. Spitzenfunktionäre aller Parteien, mit Ausnahme der Kommunisten, haben es indes von allem Anfang an verwendet. Demut hieß ja, Hochmut ad acta zu legen. Bisweilen kommt sie nur einmal vor, in der Einführungsrede des jeweils Betreffenden.

Am deutlichsten und eindrucksvollsten hat dies Sebastian Kurz zu formulieren verstanden. „Es ist nicht der Tag des Triumphes über andere“, sagte er bei einer Siegesfeier im Kursalon. Und dann kommt‘s: „Ich nehme diese Verantwortung mit großer Demut an.“ Wieder hat ein Parteiführer das ominöse Wort gebraucht. Noch ein zweiter Begriff wurde hier strapaziert. Demut und Verantwortung – welcher Doppelsinn! Aber keine Angst: Beide Worte wurden (Kurz ist da nur eines von vielen Beispielen) wieder im Regal verstaut.


Wenn man will, kann man zu den zwei Begriffen, die sich um Demut und Verantwortung scharen, noch einen dritten nennen: Bescheidenheit. Dann hätten wir drei, die – wie viele meinen – das darstellen, was einen Menschen in der Politik bewährt macht. Andere kommen dazu, wobei die Demut immer wieder die Krone trägt. Sie wird auch immer wieder als besonders wichtige Eigenschaft verkündet.

Einer der Beweise mag die Vielzahl von Sprichwörtern sein, die allein in der deutschen Sprache existieren. Etliche regen zum Nachdenken an: „Demut ist eine Mutter der Ehre“, heißt es da etwa. Oder „Wo Glück aufgeht, da geht Demut unter“, „Kein Gewand kleidet schöner als Demut“, wird erklärt. Und doch andererseits: „Zuviel Demut stinkt nach Hochmut.“ Das Sprichwort stammt angeblich aus Friaul. Auch die deutschen Dramatiker haben sich, was die Demut betrifft, teilweise demütig verhalten. Schiller etwa schreibt in der „Braut von Messina“, die schamhafteste Demut „ist der Reize Krone“. Und Franz von Assisi formuliert: „Selig, wer sich vor Untergebenen so demütig benimmt, wie wenn er vor seinem Obern und Herrn stünde.“

Die Demut, in politischen Reden anfangs gebräuchlich, wird dann regelmäßig vergessen, wenn es um Materien und Sachthemen geht. Und vor allem auch, wenn bei einem Politiker dessen persönliche Eigenschaften gegenüber seinen Anliegen triumphieren. Es hat noch niemanden gegeben, der Peter Pilz allzu starke Demut vorgeworfen hätte. Im Gegenteil: Dieses „Urgestein“ ist jüngst seinem Grünen Klub, dem er jahrzehntelang angehört hatte, aus Rache erfolgreich ans politische Leben gegangen. Es wird ihm, sagen fast alle, à la longue kein Glück bringen.

Der Autor war langjähriger Chefredakteur und Herausgeber der „Presse“.
E-Mails an: thomas.chorherr@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2017)

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